Konzert: Portishead
Ort: Le Zénith, Paris
Datum: 06.05.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: ca. 85 Minuten
"Hell yeah, war orgasmisch" (xdevx) - "Titanisch, gigantomanisch und einfach nur geil! (Atua) - "Es war traumhaft, famos, unvergesslich, einzigartig, unwiederholbar. Das Konzert des Jahrzehnts!!!" (Frank)
Spiegel-Online: 10/10 Punkten; Plattentests.de 9/10 Punkten; Uncut *****, etc.
Besucher des Konzerts von Köln (Palladium 06.04.2008) und die Musikpresse scheinen sich hinsichtlich der Großartigkeit von Portishead einig zu sein. Da wurde wohl ein kollektiver Nerv getroffen.
Ohne auf bemühte und verkrampfte Art und Weise gegen den Strom schwimmen zu wollen, mich persönlich hat das heutige Pariser Konzert der in höchsten Tönen gelobten britischen Band relativ kalt gelassen. Bei mir wurde jedenfalls kein Nerv angestochen und größere Gefühlswallungen, Rührung, Ergriffenheit, oder Enthusiasmus blieben während der gesamten 85 Minuten weitestgehend aus. Aus meiner anfänglichen Neugierde, wie denn eine Band live auf mich wirken würde, die ich seit geraumer Zeit nicht mehr verfolgt habe, wurde am Ende fast Langweile. Ja, Langweile, insgesamt war es eine eher ermüdende Angelegenheit.
Inzwischen liegt das Konzert fast drei Stunden zurück und noch immer frage ich mich etwas verwundert, warum der Großteil des Publikums mit Sicherheit einen famosen Abend hatte - die Reaktionen während des Gigs waren frenetisch und lautstark - und das Ganze an mir vorbeiging.
Zunächst einmal: Ich bin kein Kenner der Band, habe mich lange nicht mehr mit ihnen beschäftigt. In meiner Studentenzeit in Berlin während der 90 er Jahre lief aber "Dummy" so einige Male in meiner Bude und auch im CD - Wechsler im Auto (so gut ging es Studenten damals). Später habe ich mich mit anderen Gruppen beschäftigt, das zweite selbstbetitelte Werk der Engländer habe ich gar nicht mehr mitbekommen. Danach war ja ohnehin Funkstille und Gerüchte über eine mögliche Wiederbelebung des zeitweillig stillgelegten Phänomens, die in der Mitte der 2000er Jahre aufkamen, interessierten mich nicht weiter. Dann aber in diesem Jahr das neue Opus, schlicht und einfach "Third" (das Livealbum zählte wohl nicht) bezeichnet und im Nu kamen alte Fans wieder aus den Löchern gekrochen und auch junges, frisches Publikum wurde mit vollmundigen Berichten geködert. Auch meine Neugierde wurde geweckt, allerdings mit etwas Verspätung denn den ersten Termin zum Ticketkauf für das (später die, es gab zwei) Konzert ließ ich verstreichen. Warum sollte ich mich auch beeilen, ich war nicht mehr in der Materie drin?! Dann aber kam Christophs euphorischer Konzertbericht und in Paris kamen völlig überraschend neue Karten in den Umlauf. Ich schlug zu...
Zur Einstimmung auf den Abend hörte ich dann mehrfach "Third" auf meinem i-pod, allerdings passten die düsteren Klänge so gar nicht zu dem herrlichen Wetter. Warum soll man noch auf Winter-Depri machen, wenn die Sonne aus allen Ritzen lacht?
Auch am Parc de la Villette, wo das Zénith und noch einige andere Konzertsäle beheimatet sind, lümmelten Sonnenhungrige auf den Wiesen und ließen die Seele baumeln. Ihre Faulheit stand im krassen Gegensatz zum blanken Aktionismus, den die Schwarzhändler betrieben. Verzweifelt versuchten sie, zu überzogenen Preisen die letzten Karten loszuschlagen, was aber nicht so einfach war. Es schien ein Überangebot zu herrschen. Der Zeiger der großen Uhr stand auf 20 Uhr 10. Früh genug, um nach der üblichen Einlaßprozedur noch ein paar Lieder der Vorgruppe Kling Klang mitzukriegen. Die Burschen langweilten, ich hätte mich eigentlich auch noch in die Sonne legen können. Auch der Umbau war zäh und lang, aber dann ging es mit einem Intro endlich los. Man hörte in einer mir nicht verständlichen Sprache (was war das?) Menschen brabbeln, die Stimmen kamen vom Band. Dann wurde die Helden des Abends auf das Herzlichste begrüßt und man stieg richtig in das Programm ein. Schon als Beth Gibbons die ersten Takte von "Silence" sang, ging ein Raunen durch die Menge, die Stimme schien außerordentlich gut anzukommen. Sie ist auch wirklich außergewöhnlich, aber als Dauerkonzertgast habe ich schon so einige hübsche Kehlchen zu Ohren bekommen. Der Großteil des Publikums schien aber nicht die allergrößte Konzerterfahrung zu haben. Von meinen Bekannten, die regelmäßig kleine und mittlere Indie-Konzerte bevölkern, war nur ein Einziger da. Regelrechte Gig-Touristen gab es, neben mir stand beispielsweise eine deutsche Gruppe, die auch mal was erleben wollte. Keine Kenner, das sah ich sofort. Der Rest des Publikums gab mittels Band-T-Shirt zu erkennen, auf was er sonst so steht. Muse, Franz Ferdinand, Pearl Jam, Radiohead konnte ich da lesen. Alles Gruppen, die sich gerne Alternative und Indie nennen, es aber bei Licht betrachet natürlich längst nicht mehr sind (wenn sie das denn mal waren). Aber egal, auch ich verweigere mich nicht dem Mainstream, insofern also kein Problem. Meine liebsten Stadionfüller heißen übrigens Interpol und Kaiser Chiefs, aber das nur mal so am Rande...
Aber weiter im Text, Beth zwitscherte also hingebungsvoll "Did you know when you lost?"- Did you know when you wanted" und die meisten hatten mit Sicherheit eine Gänsehaut ob dieses greindenden Gesanges. Mir war lediglich zu warm, das Zénith glich einem Brutkasten, die Temperaturen waren tropisch. Um die Luft zu verbessern, kam der Kerl rechts neben mir auf die Idee, ein Zigarettchen anzuzünden. Genüßlich paffte er eine nach der anderen und seinem Beispiel folgten am Ende viele seiner Landsleute. Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen seit dem 1. Januar 2008, war da was?
Aber daran lag's nicht, das ich nicht so richtig reinkam in dieses Konzert. "And if I should fall, would you hold me?", fragte Beth textlich verzweifelt ("Hunter") und rammte damit bestimmt wieder 95 % des Publikums ein Messer ins Herz. Keine Frage, ihre Stimme war klar präzise und höchst facettenreich, aber erzeugte das Ergriffenheit? - Nicht bei mir.
Ich glotzte auf die kalten und abweisenden Videos auf der Leinwand, sah aber irgendwann dann doch immer das Spiegelbild der Musiker, die auf der Bühne zugange waren. Als da wären: Ein alter, leicht dicklicher Gitarrist, der links Stellung bezogen hatte, ein glatzköpfiger Drummer, der mich an Barthez, den ehemaligen französischen Fußball - Nationaltorhüter erinnerte, Mastermind Geoff Barrow, der mit mürrischer Miene rumsampelte, Klavier spielte und auch an den Drums aktiv war und auch noch ein weiter Glatzkopf (Trip Hop sorgt wohl für Haarausfall), der auch danieldüsentriebte. Und vorne rechts agierte sie. Beth Gibbons, eine schlanke Frau mit reduzierter Gestik und rötlichen Haaren, die meistens mit beiden Armen ihr Mikro festhält, damit dieses nicht vor Trauer auf den Boden fällt. Ihr Charisma hielt sich in Grenzen aber sie hatte eine angenehm bescheidene Art. Sie wirkte nicht wie eine Diva oder Zicke sondern drehte sich oft zum Rest der Band um, um zu sehen, was die gerade so anstellen. Zwischen den Titeln erwies sie sich als Schweigerin, als sie zum ersten Mal das Wort an das Pariser Publikum richtete, um sich zu bedanken, war schon eine gute halbe Stunde absolviert. Zweifelsohne eine sympathische Erscheinung.
Vorher waren da aber noch ein paar andere Titel gelaufen, "Mysteron" zum Beispiel, einem Stück, bei dem man Schüsse und Scratchgeräusche vernehmen konnte. Diese Art von Zierrat mochte ich allerdings noch nie, Kritiker hingegen halten so etwas gerne für große Kunst. Geschmacksache...
Die folgende Ballade "The Rip" gefiel mir allerdings richtig gut, sowohl in textlicher als auch atmosphärischer Hinsicht. Wirklich ein schönes Stück Musik, fast folkig, auf jeden Fall ein Highlight. Genau wie der anschließende Klassiker "Glory Box" vom Album "Dummy" dessen Refrain "Give me a reason to love you" im Publikum im Chor mitgesungen wurde. Die Stimme von Frau Gibbons erwies sich hier überdies als extrem wandlungsfähig, sie sprang spielerisch von einer Tonlage zur nächsten, was ihr nicht unverdienten Szenenapplaus einbrachte. Gerade als ich etwas besser reingekommen war, schickten die Engländer aber mit "Numb" ein scheußliches Teil hinterher. Diese sterile Scratchnummer mochte ich damals schon nicht. Das Publikum stand aber drauf, warum auch immer.
"Magic Doors" war wesentlich besser, mir allerdings eine Spur zu pathetisch. Danach dann die oben erwähnten Begrüßungsworte an das Publikum und mit "Wandering Stars" das vielleicht schönste Stück des Abends, das allerdings von laut quatschenden Nachbarn vermasselt wurde. Der operettenhafte Gesang am Ende ging so ein wenig unter. Schade, daß dann mit "Machine Gun" wieder ein abweisendes Stück Musik kam. Mit Sicherheit von den Künstlern so gewollt, um irgendeine Message auf die Menschheit loszulassen (zu viel Gewalt auf dieser Welt, oder was auch immer), aber live eine schwere Belastung für die Ohren. Die Bässe dröhnten dermaßen heftig, daß es in den Ohren prickelte, auch mit Stöpseln. Es war kaum zu ertragen, ein besser ausbalancierter Sound wäre vorteilhaft gewesen.
Danach wurde es mir von Stück zu Stück schwülstiger, die zweifelsohne hervorragende Stimme von Beth fing an, mir auf die Nerven zu gehen und die Samples und zahlreichen Geräusche bei "Over" machten es auch nicht besser. Der Klassiker "Sour Times" (Nobody loves me it's true") der auch ausgezeichnet zu einem James Bond Film passen würde, war noch einmal ein Lichtblick, aber der ganze Rest rauschte irgendwie an mir vorbei.
Das dramatische "Cowboys" beendete dann nach circa. 65 Minuten den offiziellen Teil und Beth rief der johlenden Menge entgegen: "vous etes très gentils" - ihr seid sehr nett.
Die drei Zugaben hätte ich perönlich nicht mehr gebraucht, "Threads" plätscherte vor sich hin, "Roads" war besser, aber ich war längst von der pathetischen Stimme ermattet. Und bei dem abschließenden "We Carry on" kam das dramatische und lärmende Finale wie auf Bestellung. Nach 1 Stunden und 25 Minuten schwiegen dann Gitarren, Synthesizer und auch Beth und nur noch das Publikum machte ein Weile Lärm, in der Hoffnung auf mehr Portishead. Vergeblich.
Insgesamt anstrengend und ermüdend! Und bis auf das i-Tüpfelchen genau die gleiche Setlist wie Köln.
Setlist Portishead, Le Zénith, Paris:
01: Silence
02: Hunter
03: Mysterons
04: The Rip
05: Glory Box
06: Numb
07: Magic Doors
08: Wandering Stars
09: Machine Gun
10: Over
11: Sour Times
12: Nylon Smile
13: Cowboys
14: Threads (Z)
15: Roads (Z)
16: We carry on (Z)
Links:
- Portishead, Köln, 06.04.08
- mehr Fotos von Portishead
Datum: 06.05.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: ca. 85 Minuten
"Hell yeah, war orgasmisch" (xdevx) - "Titanisch, gigantomanisch und einfach nur geil! (Atua) - "Es war traumhaft, famos, unvergesslich, einzigartig, unwiederholbar. Das Konzert des Jahrzehnts!!!" (Frank)
Spiegel-Online: 10/10 Punkten; Plattentests.de 9/10 Punkten; Uncut *****, etc.
Besucher des Konzerts von Köln (Palladium 06.04.2008) und die Musikpresse scheinen sich hinsichtlich der Großartigkeit von Portishead einig zu sein. Da wurde wohl ein kollektiver Nerv getroffen.
Ohne auf bemühte und verkrampfte Art und Weise gegen den Strom schwimmen zu wollen, mich persönlich hat das heutige Pariser Konzert der in höchsten Tönen gelobten britischen Band relativ kalt gelassen. Bei mir wurde jedenfalls kein Nerv angestochen und größere Gefühlswallungen, Rührung, Ergriffenheit, oder Enthusiasmus blieben während der gesamten 85 Minuten weitestgehend aus. Aus meiner anfänglichen Neugierde, wie denn eine Band live auf mich wirken würde, die ich seit geraumer Zeit nicht mehr verfolgt habe, wurde am Ende fast Langweile. Ja, Langweile, insgesamt war es eine eher ermüdende Angelegenheit.
Inzwischen liegt das Konzert fast drei Stunden zurück und noch immer frage ich mich etwas verwundert, warum der Großteil des Publikums mit Sicherheit einen famosen Abend hatte - die Reaktionen während des Gigs waren frenetisch und lautstark - und das Ganze an mir vorbeiging.
Zunächst einmal: Ich bin kein Kenner der Band, habe mich lange nicht mehr mit ihnen beschäftigt. In meiner Studentenzeit in Berlin während der 90 er Jahre lief aber "Dummy" so einige Male in meiner Bude und auch im CD - Wechsler im Auto (so gut ging es Studenten damals). Später habe ich mich mit anderen Gruppen beschäftigt, das zweite selbstbetitelte Werk der Engländer habe ich gar nicht mehr mitbekommen. Danach war ja ohnehin Funkstille und Gerüchte über eine mögliche Wiederbelebung des zeitweillig stillgelegten Phänomens, die in der Mitte der 2000er Jahre aufkamen, interessierten mich nicht weiter. Dann aber in diesem Jahr das neue Opus, schlicht und einfach "Third" (das Livealbum zählte wohl nicht) bezeichnet und im Nu kamen alte Fans wieder aus den Löchern gekrochen und auch junges, frisches Publikum wurde mit vollmundigen Berichten geködert. Auch meine Neugierde wurde geweckt, allerdings mit etwas Verspätung denn den ersten Termin zum Ticketkauf für das (später die, es gab zwei) Konzert ließ ich verstreichen. Warum sollte ich mich auch beeilen, ich war nicht mehr in der Materie drin?! Dann aber kam Christophs euphorischer Konzertbericht und in Paris kamen völlig überraschend neue Karten in den Umlauf. Ich schlug zu...
Zur Einstimmung auf den Abend hörte ich dann mehrfach "Third" auf meinem i-pod, allerdings passten die düsteren Klänge so gar nicht zu dem herrlichen Wetter. Warum soll man noch auf Winter-Depri machen, wenn die Sonne aus allen Ritzen lacht?
Auch am Parc de la Villette, wo das Zénith und noch einige andere Konzertsäle beheimatet sind, lümmelten Sonnenhungrige auf den Wiesen und ließen die Seele baumeln. Ihre Faulheit stand im krassen Gegensatz zum blanken Aktionismus, den die Schwarzhändler betrieben. Verzweifelt versuchten sie, zu überzogenen Preisen die letzten Karten loszuschlagen, was aber nicht so einfach war. Es schien ein Überangebot zu herrschen. Der Zeiger der großen Uhr stand auf 20 Uhr 10. Früh genug, um nach der üblichen Einlaßprozedur noch ein paar Lieder der Vorgruppe Kling Klang mitzukriegen. Die Burschen langweilten, ich hätte mich eigentlich auch noch in die Sonne legen können. Auch der Umbau war zäh und lang, aber dann ging es mit einem Intro endlich los. Man hörte in einer mir nicht verständlichen Sprache (was war das?) Menschen brabbeln, die Stimmen kamen vom Band. Dann wurde die Helden des Abends auf das Herzlichste begrüßt und man stieg richtig in das Programm ein. Schon als Beth Gibbons die ersten Takte von "Silence" sang, ging ein Raunen durch die Menge, die Stimme schien außerordentlich gut anzukommen. Sie ist auch wirklich außergewöhnlich, aber als Dauerkonzertgast habe ich schon so einige hübsche Kehlchen zu Ohren bekommen. Der Großteil des Publikums schien aber nicht die allergrößte Konzerterfahrung zu haben. Von meinen Bekannten, die regelmäßig kleine und mittlere Indie-Konzerte bevölkern, war nur ein Einziger da. Regelrechte Gig-Touristen gab es, neben mir stand beispielsweise eine deutsche Gruppe, die auch mal was erleben wollte. Keine Kenner, das sah ich sofort. Der Rest des Publikums gab mittels Band-T-Shirt zu erkennen, auf was er sonst so steht. Muse, Franz Ferdinand, Pearl Jam, Radiohead konnte ich da lesen. Alles Gruppen, die sich gerne Alternative und Indie nennen, es aber bei Licht betrachet natürlich längst nicht mehr sind (wenn sie das denn mal waren). Aber egal, auch ich verweigere mich nicht dem Mainstream, insofern also kein Problem. Meine liebsten Stadionfüller heißen übrigens Interpol und Kaiser Chiefs, aber das nur mal so am Rande...
Aber weiter im Text, Beth zwitscherte also hingebungsvoll "Did you know when you lost?"- Did you know when you wanted" und die meisten hatten mit Sicherheit eine Gänsehaut ob dieses greindenden Gesanges. Mir war lediglich zu warm, das Zénith glich einem Brutkasten, die Temperaturen waren tropisch. Um die Luft zu verbessern, kam der Kerl rechts neben mir auf die Idee, ein Zigarettchen anzuzünden. Genüßlich paffte er eine nach der anderen und seinem Beispiel folgten am Ende viele seiner Landsleute. Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen seit dem 1. Januar 2008, war da was?
Aber daran lag's nicht, das ich nicht so richtig reinkam in dieses Konzert. "And if I should fall, would you hold me?", fragte Beth textlich verzweifelt ("Hunter") und rammte damit bestimmt wieder 95 % des Publikums ein Messer ins Herz. Keine Frage, ihre Stimme war klar präzise und höchst facettenreich, aber erzeugte das Ergriffenheit? - Nicht bei mir.
Ich glotzte auf die kalten und abweisenden Videos auf der Leinwand, sah aber irgendwann dann doch immer das Spiegelbild der Musiker, die auf der Bühne zugange waren. Als da wären: Ein alter, leicht dicklicher Gitarrist, der links Stellung bezogen hatte, ein glatzköpfiger Drummer, der mich an Barthez, den ehemaligen französischen Fußball - Nationaltorhüter erinnerte, Mastermind Geoff Barrow, der mit mürrischer Miene rumsampelte, Klavier spielte und auch an den Drums aktiv war und auch noch ein weiter Glatzkopf (Trip Hop sorgt wohl für Haarausfall), der auch danieldüsentriebte. Und vorne rechts agierte sie. Beth Gibbons, eine schlanke Frau mit reduzierter Gestik und rötlichen Haaren, die meistens mit beiden Armen ihr Mikro festhält, damit dieses nicht vor Trauer auf den Boden fällt. Ihr Charisma hielt sich in Grenzen aber sie hatte eine angenehm bescheidene Art. Sie wirkte nicht wie eine Diva oder Zicke sondern drehte sich oft zum Rest der Band um, um zu sehen, was die gerade so anstellen. Zwischen den Titeln erwies sie sich als Schweigerin, als sie zum ersten Mal das Wort an das Pariser Publikum richtete, um sich zu bedanken, war schon eine gute halbe Stunde absolviert. Zweifelsohne eine sympathische Erscheinung.
Vorher waren da aber noch ein paar andere Titel gelaufen, "Mysteron" zum Beispiel, einem Stück, bei dem man Schüsse und Scratchgeräusche vernehmen konnte. Diese Art von Zierrat mochte ich allerdings noch nie, Kritiker hingegen halten so etwas gerne für große Kunst. Geschmacksache...
Die folgende Ballade "The Rip" gefiel mir allerdings richtig gut, sowohl in textlicher als auch atmosphärischer Hinsicht. Wirklich ein schönes Stück Musik, fast folkig, auf jeden Fall ein Highlight. Genau wie der anschließende Klassiker "Glory Box" vom Album "Dummy" dessen Refrain "Give me a reason to love you" im Publikum im Chor mitgesungen wurde. Die Stimme von Frau Gibbons erwies sich hier überdies als extrem wandlungsfähig, sie sprang spielerisch von einer Tonlage zur nächsten, was ihr nicht unverdienten Szenenapplaus einbrachte. Gerade als ich etwas besser reingekommen war, schickten die Engländer aber mit "Numb" ein scheußliches Teil hinterher. Diese sterile Scratchnummer mochte ich damals schon nicht. Das Publikum stand aber drauf, warum auch immer.
"Magic Doors" war wesentlich besser, mir allerdings eine Spur zu pathetisch. Danach dann die oben erwähnten Begrüßungsworte an das Publikum und mit "Wandering Stars" das vielleicht schönste Stück des Abends, das allerdings von laut quatschenden Nachbarn vermasselt wurde. Der operettenhafte Gesang am Ende ging so ein wenig unter. Schade, daß dann mit "Machine Gun" wieder ein abweisendes Stück Musik kam. Mit Sicherheit von den Künstlern so gewollt, um irgendeine Message auf die Menschheit loszulassen (zu viel Gewalt auf dieser Welt, oder was auch immer), aber live eine schwere Belastung für die Ohren. Die Bässe dröhnten dermaßen heftig, daß es in den Ohren prickelte, auch mit Stöpseln. Es war kaum zu ertragen, ein besser ausbalancierter Sound wäre vorteilhaft gewesen.
Danach wurde es mir von Stück zu Stück schwülstiger, die zweifelsohne hervorragende Stimme von Beth fing an, mir auf die Nerven zu gehen und die Samples und zahlreichen Geräusche bei "Over" machten es auch nicht besser. Der Klassiker "Sour Times" (Nobody loves me it's true") der auch ausgezeichnet zu einem James Bond Film passen würde, war noch einmal ein Lichtblick, aber der ganze Rest rauschte irgendwie an mir vorbei.
Das dramatische "Cowboys" beendete dann nach circa. 65 Minuten den offiziellen Teil und Beth rief der johlenden Menge entgegen: "vous etes très gentils" - ihr seid sehr nett.
Die drei Zugaben hätte ich perönlich nicht mehr gebraucht, "Threads" plätscherte vor sich hin, "Roads" war besser, aber ich war längst von der pathetischen Stimme ermattet. Und bei dem abschließenden "We Carry on" kam das dramatische und lärmende Finale wie auf Bestellung. Nach 1 Stunden und 25 Minuten schwiegen dann Gitarren, Synthesizer und auch Beth und nur noch das Publikum machte ein Weile Lärm, in der Hoffnung auf mehr Portishead. Vergeblich.
Insgesamt anstrengend und ermüdend! Und bis auf das i-Tüpfelchen genau die gleiche Setlist wie Köln.
Setlist Portishead, Le Zénith, Paris:
01: Silence
02: Hunter
03: Mysterons
04: The Rip
05: Glory Box
06: Numb
07: Magic Doors
08: Wandering Stars
09: Machine Gun
10: Over
11: Sour Times
12: Nylon Smile
13: Cowboys
14: Threads (Z)
15: Roads (Z)
16: We carry on (Z)
Links:
- Portishead, Köln, 06.04.08
- mehr Fotos von Portishead
8 Kommentare :
das aktuelle album wird sich wohl zweifelslos an die spitze meiner jahresabrechnung schieben.
einem konzert von portishead hätte ich auch gern beigewohnt.
ergänzung:
der start vom tonband ist auf portugiesisch und lautet in etwa: "Seid bereit für die Gesetze der 'Drei': Was Ihr gebt, bekommt Ihr zurück. Merkt Euch die Lektion! Ihr erntet, was Ihr verdient."
Ich will gar nicht ausschließen, daß ich auch noch auf den Geschmack komme. Manchmal zünden Alben bei mir erst später und auch bei Konzerten hatte ich schon diese Erfahrung. Ein paar Tage danach erscheinen dann Bilder in meinem Kopfe und Liedpassagen tauchen auf und ich sage mir: "Mensch war das großartig, warum hast Du das nicht gleich so empfunden?"
ja, kenne ich. zum glück ist das so. ansonsten hätte ich einen haufen fehlkäufe zu verzeichnen...
Grossartiger Bericht, Oli - glaenzend geschrieben. Habe mehrmals lachen muessen. Ja, ja, Dummy und irgendwelche verrauchten Bars in Berlin um 4 Uhr morgens Anfang der 90er...schwer, das 14/15Jahre spaeter einfach mal so wiederzubeleben.
-MV
...und wieder einmal stelle ich fest, dass ich böse Konzertberichte tausendmal lieber lese als ständig diese Lobpreisungen!
mmh....jemand der die "kaiser chiefs" als eine seiner lieblings-live-bands bezeichnet kann mit portishead vermutlich wirklich nicht soviel anfangen....zumindest gehts mir so mit denen......die fand ich ziemlich langweilig und gewöhnlich....aber bin halt auch ne ständig-konzert-gängerin....
ich finds tatsächlich etwas schade, diesen bericht von jemanden zu lesen, der offensichtlich so wenig über die band weiß, dass das geniale live-album nicht mal erwähnung findet, ebenso wie das solo-album der ausnahmesängerin (die sie tatsächlich ist)
nur wer einst in die musik eingetaucht ist (und nicht nur die "dummy" ein paar mal nebenbei in der wg gehört hat)versteht wohl, was das besondere dieser band ist...
Kaiser Chiefs und Portishead können sehr wohl zusammen passen, man muss nur einmal die Berichte von meinem Bloggerpartner Christoph lesen, der von Ricky und Beth live gleichermassen angetan ist.
Und auch ich kann gleichzeitig ernsthafte Folksängerinnen wie Marissa Nadler und Mariee Sioux und eine reine Spass-Band wie die Kaiser Chiefs mögen.
Aber zurück zu Portishead:
Ich habe alle Alben der Band, inklusive der Live-CD. Und auch das Soloalbum von Frau Gibbons liegt mir vor.Ganz so wenig weiss ich also über die Band nicht.
Beth ist eine vorzügliche Sängerin und alle Alben von Portishead und auch ihr Solowerk sind gut. Aber auch genial, hmmh...
Da nehme ich mir die Freiheit raus, distanzierter zu sein, es muss ja auch nicht jeder die gleiche Band genial und "besonders" finden, oder gibt es da einen "Gruppenzwang" (auch Konformitâtsdruck genannt) ??
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