Konzert: Warpaint
Ort: Klaus-von-Bismarck-Saal im WDR Funkhaus, Köln (c/o pop)
Datum: 20.08.2014
Dauer: gut 85 min
Zuschauer: knapp 500
Am Festival der Kölner Musikmesse c/o pop mag ich so ganz besonders, daß die Bands im immer guten Line-Up auch einmal an Orten spielen, an denen sonst keine Indie-Konzerte stattfinden. Einmal im Jahr sind Flaschenbier und nicht Weinschorle oder Sekt das Konzertgetränk in der Philharmonie, in der ich vor ein paar Jahren einen atemberaubenden Auftritt von Beirut gesehen habe. Bei einer früheren c/o pop hatte ich auch schon einen Abend in einem Sendesaal verbracht, in dem des Deutschlandfunks spielten damals Austra. Mein diesjähriger Festivaleinstieg fand im großen Sendesaal des WDR am Wallraf-Platz statt, mit den bewährten Warpaint aus Los Angeles, einer Band, die ich in den vergangenen gut vier Jahren sehr oft, glücklicherweise (für mich - vermutlich nicht für unsere regelmäßigen Leser) aber noch nicht zu oft gesehen habe.
Warpaint begannen um zwanzig nach neun. Wie schon bei meinem letzten Konzert der Amerikanerinnen begannen sie ihren Auftritt nicht wie auf der aktuellen (zweiten) Platte. Dort sind Intro und Keep it healthy ein Song-Doppel, das, wie ich immer dachte, zusammengehört. Beim Down The Rabbit Hole Festival in Ewijk in den Niederlanden spielten Warpaint das instrumentale Intro mitten im Konzert, heute ließen sie es komplett weg. Keep it healthy klang für mich anfangs ein wenig flach oder dumpf, jedenfalls hinter meinen Erwartungen an die besondere Akustik des Saals. Das legte sich glücklicherweise schnell, ab Bees klang des Konzert wundervoll und glasklar.
Erstaunlicherweise war auch das Publikum sehr viel angenehmer, als es Festivalzuschauer oft sind. Wenn die Gäste nicht speziell wegen einer Band sondern wegen der Gesamtveranstaltung oder schlimmer, wegen des "Events" kommen, ist die Aufmerksamkeit dem Nachbarn gegenüber oft höher als für die Musik. Auch Fachbesucher einer Musikmesse bzw. Konferenz tragen meist nicht zu meinem Spaß an einem Konzert bei, weil sie gerne die angenehme Umgebung nutzen, um sich über das zu unterhalten, über das Fachbesucher einer Musikmesse so sprechen. Offenbar ist die neue Politik der Festivalmacher, keine Festival-Tickets und stattdessen Karten für die einzelnen Veranstaltungen zu verkaufen, ein guter Filter!
Lediglich bei Baby, der ersten Zugabe, die Gitarristin Emily alleine vortrug - dem mit Abstand leisesten Stück des Abends - unterhielten sich die beiden Typen (ohne Kinderstube) in Reihe sechs (dritter und vierter Platz von rechts)* so viel zu laut, das es nervte.
Warpaint spielten eine wenig überraschende Mischung aus Liedern der beiden Platten und der EP (Beetles), sowie das (immer noch?) unveröffentlichte No way out. Das ist es auch nicht, was die Band auch beim x-ten Mal für mich noch spannend sein lässt. Die vier Musikerinnen variieren nahezu jedes Stück von Konzert zu Konzert. Es gibt keine zwei identischen Warpaint-Auftritte. Ich bin musikalisch weit ahnungsloser als die Mehrzahl der Besucher gestern; ich halte aber das für ein Zeichen dafür, wie gut ausgebildet und talentiert die Musikerinnen sind, daß es ihnen so leicht fällt, Teile der Stücke immer wieder zu improvisieren. Und wie clever, daß sie mit dieser Strategie die zwangsläufig aufkommende Routine abmildern!
Was Warpaint heute alles anders gespielt haben als sonst, ist vermutlich nur für mich interessant, daher dazu erst später im Nerd-Anhang mehr. Aber wenigstens so viel: fast keines der Lieder hatte ich in der heutigen Version schon einmal gehört. Die letzte Zugabe Elephants spielen die vier Frauen aus Kalifornien gerne in einer ewig langen Version mit einem gejammten Mittelteil, der irgendwann wieder im Thema des Songs endet. Heute war Elephants zwölf Minuten lang. Ähnlich ausgedehnt und frei abgewandelt spielten Warpaint Beetles, das sie lange nicht gespielt hatten und erst kürzlich wieder ins Programm aufgenommen haben. Das Lied endete irgendwann scheinbar, wurde beklatscht, dann aber wieder aufgegriffen.
Ich kann solches Gejamme eigentlich nicht leiden; die Vorstellung, bei einer spontanen Jam-Session von irgendwelchen Instrumente-Göttern anwesend sein zu müssen, ist für mich das, was für Arachnophobikern eine riesige haarige Spinne ist. Merkwürdigerweise gibt es Bands, bei denen ich so etwas mag. James hatten vor vielen Jahren eine Platte mit solchen Kram, die mir gefiel - und eben Warpaint live.
Bis einschließlich Composure (dem vierten Lied) saß das Publikum. So ein Saal ist auch auf die Zuschauer einschüchternd. Aber Konzerte dieser Art im Sitzen sind nicht das Wahre, also folgten alle gerne der Aufforderung der Band, doch nach vorne zu kommen oder aufzustehen. Von da an wurde es noch einmal eine Ecke besser.
Beim letzten Kölner Auftritt in der Live Music Hall (die das exakte Gegenteil des Klaus-von-Bismarck-Saals ist) war Bassistin Jenny Lee Lindberg grippekrank, worunter das Konzert ein wenig litt. Heute wirkten alle vier frisch und spielfreudig wie immer. Von Routine oder Runterspielen einer Pflichtveranstaltung war nichts zu spüren, obwohl die Band auf Dauertour ist.
Natürlich war bei dieser c/o pop Eröffnung der Saal der große Star. Warpaint waren von dessen Klasse aber keinen Deut entfernt und ein würdiger Festival-Headliner! A propos head... War das eine Kopfnuss, die sich Theresa und Jenny Lee bei Elephants gegeben haben? Ich glaube schon. Auch das gab es vermulich im Sendesaal des WDR noch nicht!
Der Nerd-Teil (bitte nicht weiterlesen):
Neben der zwölf-Minuten-Version von Elephants und dem wild variierten Beetles klang auch kaum eines der anderen Liedern wie auf Platte. Bees hatte ein (mir) komplett neues Ende. Bei Composure gab es in der Mitte eine lange Pause, in der Schlagzeugerin Stella, Bassistin Jenny Lee und Gitarristin Emily auf den Einsatz von Theresa links warteten, den diese aber ewig herauszögerte. Undertow hatte ein enorm schnelles (und schneller werdendes) Ende, Love is to die mündete in einen neuen Schluß (mit "ba ba ba baaa" Gesang). Disco/very hatte einen komplett neuen Beginn - No way out ebenso, wobei mir das off-beat Schlagzeug dabei zu wild klang.
Setlist Warpaint, c/o pop, WDR Sendesaal, Köln:
01: Keep it healthy
02: Bees
03: Hi
04: Composure
05: Undertow
06: Love is to die
07: Drive
08: Disco/very
09: Beetles
10: Baby (Emily solo) (Z)
11: No way out (Z)
12: Elephants (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Warpaint, Ewijk, 29.06.14
- Warpaint, Mannheim, 31.05.14
- Warpaint, Barcelona, 29.05.14
- Warpaint, Köln, 23.02.14
- Warpaint, Den Haag, 16.11.13
- Warpaint, Larmer Tree Gardens, 31.08.13
- Warpaint, Rüsselsheim, 20.07.12
- Warpaint, Rüsselsheim, 20.07.12
- Warpaint, Prag, 10.07.12
- Warpaint, Lüttich, 05.07.12
- Warpaint, Haldern, 13.08.11
- Warpaint, Köln, 28.06.11
- Warpaint, Amsterdam, 19.06.11
- Warpaint, Barcelona, 28.05.11
- Warpaint, Frankfurt, 11.11.10
- Warpaint, Paris, 06.11.10
- Warpaint, Brüssel, 16.05.10
- mehr Fotos vom Konzert von Warpaint bei der c/o pop
- das Programm der c/o pop
Tourdaten Warpaint:
- 25.08.14 Luxemburg - den Atelier (mit Amatorski)
- 03.09.14 Stuttgart - LKA Longhorn
- 06.09.14 Münster - Skater's Palace (Visions Party)
- 23.11.14 Frankfurt - Batschkapp
* 118 und 119
3 Kommentare :
Laut WDR3-Radiobroschüre kommt am 11.10. etwas davon im Radio: http://www.wdr3.de/multimedia/radiobroschuere182.pdf
Danke für den Hinweis, Nelle!
(könntest Du mich Anfang Oktober bitte noch mal dran erinnern?)
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