Freitag, 1. August 2014

Suzanne Vega, Karlsruhe, 30.07.14


Konzert: Suzanne Vega
Ort: Zetltival im Tollhaus
Datum: 30. Juli 2014
Dauer: 95 min
Zuschauer: 800


Wenn ich am Jahresende überlegen werde, welche Konzerte mich am meisten bewegt haben, werde ich wohl mit einem inneren Glühen auf diese Woche zurückblicken, in der ich jeden Abend entweder im Zeltival oder im Wohnzimmerkonzert die allerbeste und einzigartige Unterhaltung geboten bekam. Der Abend mit Suzanne Vega sticht insofern hervor, als fast alle Menschen, denen ich davon erzählte, die Sängerin kennen (das ist wirklich selten, viele kennen nicht einmal Tori Amos, tsssss).



Für mich ist sie seit Jahren eine Begleiterin - irgendwie immer schon da, weil ihre Lieder in die Öffentlichkeit und ins Radio traten mit meinem eigenen erwachsen werden. Die Alben danach meist nicht im Radio, aber für mich immer wieder überraschend und neu und selbst die letzte Reihe der Close-up Neuaufnahmen irgendwie mein Interesse weiter bindend, wenngleich ich mich entschied, das nun neuste Album Tales from the Realm of the Queen of Pentacles nicht zu kaufen.

Wie sie an diesem Abend in Karlsruhe auf der Bühne steht, ist sie seit dem 29. Juni (Auftritt beim Glastonbury Festival) in Europa unterwegs und spielt das 22. Konzert nach Stationen in Portugal, Frankreich, Belgien, Spanien, Finnland (mit Bob Dylan), Norwegen, Italien, Polen, Österreich und UK. Nachdem sie im Februar schon 23 Konzerte in Europa (auch Deutschland), 18 Tourdaten in den USA im Mai und sechs im März (dazwischen Asien und Australien im April) absolviert hatte. Was man ihr aber nicht anmerkt. Nichts wirkt leer gewordene Routine, nichts an ihr ist müde, sondern sie ist sehr präsent, sehr zugewandt und hat offensichtlich Lust auf den Abend.


Lust hat auch das Publikum, das zuletzt am 17. Juli 2011 das Vergnügen im Tollhaus haben durfte (wo es sogar eine von nur sechs europäischen Stationen war). Damals auch mit Gerry Leonard an der Gitarre. Heute Abend hat sie außerdem einen Drummer, Doug Yowell dabei, der vor allem für die druckvolle Umsetzung des ganz neuen Materials Sorge tragen wird (mit dem sie aber auch schon über 10 Jahre live und im Studio zusammen arbeitet). 



Ich selbst hatte Frau Vega zuletzt beim Sommer Open Air Schloss Neuhaus Paderborn am 14. Juli 2001 gesehen. Aber nur noch eine vage Erinnerung daran, wie sehr mir bewusst wurde, wie viele ihrer Lieder mir teuer sind und dass sie nicht alt werden.

Für den Tollhaus Abend enthielt die Setlist ihre 12 meistgespielten Songs, dazu 6 Songs vom neuen Album und ausgerechnet das erste Stück Fat man & Dancing Girl ist dabei das überraschendste (weil weder Hit noch neu). Im Vergleich zu Würzburg am Vorabend (Jens wird darüber noch berichten) unterscheiden sich dabei nur die Zugaben etwas. Es ist also schon ein etablierter Ablauf, aber man merkt das nicht.



Mir ist es eh recht. Suzanne Vega holt ja mit diesem Dutzend "Hits" auch ein Dutzend meiner liebsten Songs aus dem Hut (und lässt dabei noch weg, wie z.B. Undertow, When heroes go down, 99,9 F degree). Das neue Material muss ich ihr zugestehen und muss sogar zugeben, dass mir die rockigen Töne dabei gut gefallen, wenngleich (einzige Kritik des Abends) es einige Male kurz davor ist, zu laut und zu kreischig zu werden. Am eindrücklichsten und vielleicht ein neuer Lieblingssong ist dabei Jacob and the Angel. Die Momente, wo mir vor Glück fast das Herz stehen bleibt: In Liverpool & Small blue thing. Vielleicht zum ersten Mal wirklich dem Text verstehend zuhören und vor der Poetin innerlich aufs Knie fallend.

Was Frau Vega zeigt: Sie kann ein knappes Tausend Leute nur mit ihrer Gitarre und ihrer Präsenz mucksmäuschenstill werden lassen. Das schafft sie mit Gypsy und The Queen and the Soldier, sie kann tänzerisch, sie kann Krach (Blood makes noise ist eine wahre Orgie an dem Abend und gibt dem Künstler an der Gitarre Raum) und druckvoll. Und sie macht es so, dass alles organisch wirkt und dass letztlich auch ihr Lebenswerk ein Kontinuum, ein Ganzes, darstellt und bleibt. Es bleibt mir innerlich die Frage: Wie macht sie das? Irgendwie alterslos, dabei weise und jung und ganz im hier und jetzt, dabei locker an alle Stellen unserer gemeinsamen Zeit greifend. Erdgebunden aber doch nicht ganz von dieser Welt.



Dann gibt es den Moment des Abends, wo ich mir selbst dabei zugucke, wie ein Puzzleteil an seinen Platz fällt. Sie erzählt zu Gypsy: mit 18 verliebte sie sich das erste Mal richtig (ausgerechnet in einen Briten - und ja, auch 2014 sind sie noch in Kontakt) über ihre gemeinsame Liebe von Leonhard Cohens Musik. Klar, ach Mensch! das passt - hätte mir auch vorher schon auffallen können.  Sie, die Poetin und Zauberin hat natürlich auch ihn als Vorbild und Vorläufer.

Was hätte noch schöner sein können? Vielleicht wenn alle bei My name is Luka mitgesungen hätten? Es will mir doch keiner erzählen, dass nicht jeder im Publikum das textsicher drauf gehabt hätte?!


verbliebene Europatourdaten 2014
01.08. Ebensee 
02.08. Insbruck
05.08. Lorient



Setlist:
01: Fat Man & Dancing Girl
02: Marlene on the Wall
03: Caramel
04: Fool's Complaint
05: Crack in the Wall
06: Jacob and the Angel
07: Small Blue Thing
08: Gypsy
09: The Queen and the Soldier
10: Don't Uncork What You Can't Contain
11: Laying on of Hands
12: Left of Center
13: I Never Wear White
14: Some Journey
15: Luka
16: Tom's Diner

17: Blood Makes Noise (Z)
18: In Liverpool (Z)
19: Rosemary (Z)


Fotos (c) Gerald Langer aus Würzburg vom Vortag
Biographie Doug Yowell
Web Gerry Leonhard

Aus unserem Archiv:
Suzanne Vega, Würzburg, 29.07.14

Konzertmitschnitt Februar 2014 aus München von MissMoreMusic


 

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