Donnerstag, 7. August 2014

Neil Young & Crazy Horse, Mainz, 28.07.2014


Konzert: Neil Young & Crazy Horse
Vorband: The Magic Numbers
Ort: Zollhafen-Nordmole, Mainz
Datum: 28.07.2014
Dauer: 120 Minuten Neil Young & Crazy Horse, 30 Min. The Magic Numbers
Zuschauer: über 10.000

Bericht von Matthias aus Oberhessen:


Ich konnte meine Ohrstöpsel nicht finden. Geht man zu einem Konzert von Neil Young und Crazy Horse, sind das denkbar schlechte Voraussetzungen, um am nächsten Tag ein Pfeifen auf den Ohren oder Schlimmeres zu vermeiden. Ich habe mich dann trotzdem hin getraut und wurde belohnt. Als ich das Gelände betrete, spielen The Magic Numbers gerade ihren ersten Song. Die Band besteht aus zwei Geschwisterpaaren aus Nord-London und ist stilistisch irgendwo zwischen New Wave a la Boomtown Rats und melodiösem Folkrock a la Travis angesiedelt. Neil Young sucht seine Support-Acts immer selbst aus, wie man weiß und auch hier hat er wieder einen guten Griff getan. Das Mainzer Publikum gibt der Band um Frontmann Romeo Stodart gerne eine Chance, die vier Engländer, deren Debutalbum immerhin zweifachen Platinstatus in Großbritannien erreichte, geben ihr Bestes und überzeugen auf der ganzen Linie. Nach drei Songs ist Schluss, fast möchte man sagen, leider, diese Musik könnte ich noch den ganzen Abend hören, aber man ist ja schließlich wegen diesem in Kalifornien lebenden, kanadischen Singer/Songwriter hier, den der Kritiker der FAZ, in einem Anfall von Originalität, einen „achtundsechzigjährigen Achtundsechziger“ nannte. 
Das Ende der Umbaupause kündigt sich dadurch an, dass die Holzstatue von Chief Crazy Horse, die sie auf allen ihren Konzerten begleitet, auf die Bühne gebracht wird. Kurz darauf stehen die vier älteren Herren, inklusive zweier jüngerer Backgroundsängerinnen, auf der Bühne. Der erste Song, passend zum Veranstaltungsort direkt am Rhein, ist natürlich „Down by the River“. Der Song aus Youngs zweitem Soloalbum von 1969, „Everybody knows this is nowhere“, seiner ersten Zusammenarbeit mit Crazy Horse, macht überdeutlich, was man von dieser Kombination zu erwarten hat; ausgedehnte Jams, minimalistische Gitarrensoli vom Meister selbst oder von Gitarrist Frank „Poncho“ Sampedro und diesen wiegenden Groove, den nur Drummer Ralph Molina, und hier Gastbassist Rick Rosas, so hinbekommen, das er auch nach zwanzig Minuten nicht langweilig wird. Tatsächlich dauert der Song dann 25 Minuten. Young, Poncho und Rick Rosas stecken die Köpfe zusammen, ein Solo folgt dem anderen, gelegentlich wendet sich Young zum Mikrofon, die musikalische Spannung entlädt sich in dem wunderschönen Refrain und dann heißt es wieder: Köpfe zusammenstecken. Bis dann nach 25 Minuten der Jam einfach abbricht, Crazy Horse waren nie sehr gut darin, einem Song zu einem richtigen Abschluß zu bringen, er hört gewöhnlich einfach auf. 
Danach folgt „Powderfinger“ vom legendären 79er Album „Rust never sleeps“, meiner erste Begegnung mit Crazy Horse und seitdem einer meiner Lieblingssongs. Die traurige Pioniersaga erzählt die Geschichte eines Überfalls auf eine Farm vom Fluß aus (wiederum sehr passend), erzählt in schleppenden Rhythmen und mit brachialen Gitarrensounds. Die kommen auch in Mainz angemessen heavy, aber nicht so laut, wie es mir Konzerterfahrungen mit Crazy Horse aus den neunziger Jahren nahegelegt hatten. Am Ende wird das hier doch kein Ohrstöpselkonzert. Der nächste Song, das unveröffentlichte „Standing in the light of Love“, bis zu dieser Tour nur einige Male vor dreizehn Jahren gespielt, ist eine Überraschung. Obwohl es wohl niemand kennt sogar ein echter Crowd-Pleaser, jedenfalls singen tausende Fans den Refrain auch nach dem Ende des Songs weiter, zur Freude Neil Youngs. 
„Days that used to be“ und „Love to burn“, vom Young & Crazy Horse Album „Ragged Glory“ sind angemessen nostalgisch, werden von den Fans bejubelt, die Band scheint hier aber den Faden zu verlieren, von der Brillanz im Zusammenspiel während der ersten beiden Songs ist wenig übrig geblieben. Die ausgezeichneten Backgroundsängerinnen, die einiges zum Gesamtsound beitragen und der den ganzen Abend in bestechender Form singende Frontmann, retten aber auch diesen Teil des Abends. Keineswegs untypisch für Konzerte Neil Youngs mit Crazy Horse, die Konzentration scheint oft in der Mitte nachzulassen. „Living with War“, Youngs Protestlied gegen den Irakkrieg, hier wohl gespielt als Kommentar zur angespannten Weltlage, wirkt aber angemessen wütend und kraftvoll. „Name of Love“, der einzige CSN&Y-Song an diesem Abend, aus ihrem unfassbar schlechten 89er Album „American Dream“, ist eine weitere überraschende Songwahl. Bei dieser Tour stehen eindeutig Hits und Raritäten auf dem Programm. Es folgen zwei Songs, von Neil Young solo interpretiert, die an diesem Abend gleichzeitig den Hit-Anteil vergrößern und eine Reminiszenz an Youngs Folk-Wurzeln darstellen. „Blowin in the wind“ ist sicher melodischer als das, was der Meister selbst in Mainz vor einigen Jahren intonierte und Neil Youngs größter Hit „Heart of Gold“ könnte so schön im Licht von tausend Smartphones erstrahlen, wäre es nicht noch hell. Mit „Barstool Blues“ meldet sich Crazy Horse kraftvoll zurück, alle sind wieder voll konzentriert bei der Sache. „Psychedelic Pill“, eine Rarität bei Crazy Horse Konzerten, ist deutlich kürzer als auf der gleichnamigen Platte, was dem Song aber gut bekommt. Dann stimmt Neil Young tatsächlich noch einen meiner Lieblingssogs an, „Cortez the Killer“, und was dann folgt, ist sicher die beste Version, die ich von dem Song kenne. Trotz der zehn Minuten Länge kein ausgedehnter Jam, stattdessen arbeiten Neil Young und Crazy Horse die ökologische Botschaft des Songs besonders heraus, wenn Young sehr betont singt „They build up with their bare hands, what we still can’t do today.“ Die Botschaft des Abends erklärt Neil Young dann beim nächsten Song, dem Klassiker „Rockin in the free world“. Es geht um nichts Geringeres als die Rettung der Erde. Die am Eingang verteilten „Earth“-T-Shirts sollen die Besucher tragen und so auf die vielfältigen und aktuellen Gefahren für Mutter Erde aufmerksam machen. Dieser Hippie-Aktivismus ist wohl etwas allgemein, nichtsdestotrotz richtig und notwendig. „We came here to play music for you. You get the T-Shirts for free. Fuck the system,“ lässt sich der Meister vernehmen. Tatsächlich habe ich ihn noch nie so aufgewühlt gesehen, meist wirkte er auf der Bühne eher schüchtern; auch in Mainz waren das seine ersten Worte an das Publikum, bis dahin hatte er nur einige Worte mit Crazy Horse gewechselt, der Statue, nicht der Band. In „Rockin in the free world“ gibt es dann eine Extrastrophe, die Fracking verdammt, wenn ich das richtig verstanden habe. Musikalisch im Original eher eine schnelle Grunge-Nummer, drosseln Crazy Horse das Tempo, obwohl sie ja als die Proto-Grunge-Band schlechthin gelten. Als einzige Zugabe gibt es nach fast zwei Stunden einen neuen Song „Who’s gonna stand up and save the Earth?“. Musikalisch erinnert die Nummer stark an Lenny Kravitz, der Agit Prop-Charme der Nummer vermag aber durchaus zu überzeugen. Fazit: Ein großartiges Konzert von vier Althippies, die noch viel zu sagen haben und das hoffentlich auch in Zukunft tun werden. 


Setlist The Magic Numbers, Mainz:

01: The Pulse 
02: I see you, you see me 
03: Love me like you 

Setlist Neil Young & Crazy Horse, Mainz:

01: Down by the River 
02: Powderfinger 
03: Standing in the light of Love 
04: Days that used to be 
05: Living with war 
06: Love to burn 
07: Name of Love 
08: Blowin in the wind (Bob Dylan-Cover)
09: Heart of Gold 
10: Barstool Blues 
11: Psychedelic Pill 
12: Cortez the Killer 
13: Rockin in the free world 

14: Who’s gonna stand up and save the earth (Z)


 

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