Konzert: Warpaint
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 28.06.2011
Zuschauer: voll aber nicht überfüllt
Dauer: 85 min
Warpaint mausern sich mehr und mehr zu einer Lieblingsband. Ein gutes Stück dieser Zuneigung basiert auf zweieinhalb Liedern, die ich live im Mai letzten Jahres in Brüssel gesehen hatte; es war Liebe auf den ersten Blick. Damals gab es erst eine EP, im November, als die Kalifornierinnen eine kleine Tour in Deutschland spielten, war das Repertoire schon um die Stücke der ersten Platte The Fool erweitert und in Frankfurt ein atemberaubend gutes, 70 minütiges Konzert abgeliefert.
Im Mai beim Primavera Festival in Barcelona das gleiche Bild: trotz der riesigen Konkurrenz, trotz Pulp, Sufjan Stevens, Mercury Rev, Belle & Sebastian oder The National, das beste Konzert des Wochenendes stammte von den Amerikanerinnen.
Heute nun spielten Warpaint ihr einziges "Club"konzert in Deutschland. Sie hatten vorher bei Southside / Hurricane und vergangenes Wochenende in Glastonbury Auftritte und überbrücken die Zeit bis zu den nächsten Festivals (Werchter, Sankt Gallen, Arras) mit einigen ausgewählten Shows. Dazu gehörte der heutige Club, die Nippeser KulturKirche, die mit der Veranstaltung wieder einmal ihr gutes Händchen bewies.
Es war heiß in Köln. Ich kam bei 32° an. Daß dann ausgerechnet eine Vorgruppe mit dem Namen Heat eröffnete, war mir zu viel, die mussten ohne mich auskommen.
Die KulturKirche war ziemlich aber wohl nicht ganz voll. Vielleicht verkauft man aber auch nicht so viele Karten, denn vor der Kiche suchten Leute noch Tickets. Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Gemeindepfarrer Thomas Diederichs begannen die vier Musikerinnen aus LA um kurz nach neun ihr Konzert.
Das Konzert begann mit Jubilee, einem älteren Lied, das es aber nicht aufs Debütalbum geschafft hatte. Jetzt hat die Band das Stück neu aufgenommen und wird es vermutlich in den kommenden Monaten als Single veröffentlichen. Gesungen wurde Jubilee wie die meisten der Stücke von Gitarristin Emily Kokal. Emily, die rechts stehende Frau, wirkte in ihrem bodenlangen Abschlußballkleid sehr untypisch für eine Rockgitarristin, kam aber offenbar an alle Pedale, denn nichts klang, als schränke sie irgendetwas ein.
Über den Kleidungsstil der vier Frauen hatte ich mich bisher immer amüsiert, da waren mal Witwe-Bolte-Schleifen im Haar, sehr häßliche Overalls, Jogginghosen und Holzfällerhemden zu bewundern. Heute schien die Band sich aber chic gemacht zu haben, dabei stach neben Emilys Kleid vor allem das Dings ins Auge, das Bassistin Jenny Lee Lindberg trug. Das Dings war ein Kleid, vielleicht ein Kaftan, es war giftgrün, weit und lang, aber nicht lang genug, um die stahlblauen Socken und die roten Turnschuhe zu verdecken. Aber das sollte es wohl auch nicht. Ein echter Hingucker! Das ist der LA-Faktor der Band, ganz ohne Extravaganz geht es wohl nicht. Aber - und das ist entscheidend - sie kann es sich leisten. Warpaint versuchen nicht, musikalische Schwächen durch Outfits (oder Skandale, bekloppte Auftritte oder was auch immer man da nehmen kann) zu übertünchen. Denn sie sind so gut, daß sie auch gerne in lustigen Tierkostümen oder hinter Schattenwänden spielen könnten, schaden würde es nicht.
Und wie gut sie sind, sollte gestern wieder klargeworden sein. Auch wenn man objektiver als ich ist. Die Stücke der Band leben von sagenhaften Melodien, die immer wieder Brüche, Tempowechsel durchlaufen. Immer wieder scheint es, als ginge ein Lied in das nächste über, weil sich die Richtung des Stücks geändert hat. Opfer der Tempowechsel wurden einmal die plötzlich aufkommenden Mitklatscher. Neben uns stand einer, der dabei so weit ausholte, daß der Ordner am Bühnenrand ihn sogar wegschubsten mußte, um keine Ohrfeigen zu bekommen. Das nervige Mitklatschen war aber schnell vorbei, als der Rhythmus sich plötzlich änderte und keiner mehr mitkam!
Am deutlichsten wurde die Komplexität der Melodien bei der zweiten Zugabe Beetles. Da sang erst die links stehende Gitarristin Theresa Wayman, irgendwann nach einem Bruch setzte dann Emily ein, später sang Theresa weiter. Das Lied war gut 15 Minuten lang und endete in einem Postrockgewitter, das keinen Vergleich mit Größen des Genres scheuen muß. Ein Freund kommentierte das mit "die letzten fünf Minuten waren besser als das ganze Mogwai Konzert in der Live Music Hall!"
Ein anderer Höhepunkt des Abends war der Song Warpaint am Anfang des Konzerts, aber sie gaben sich alle nicht viel. Warpaint verfügen über ein unverschämt gutes Repertoire, obwohl sie bisher so wenig veröffentlicht haben. Und dazu kommt, - und das unterscheidet sie von anderen Lieblingen wie The Organ - daß die Amerikanerinnen dies auch live in mindestens gleicher Güte umsetzen können. Man merkt der Band an, daß sie seit 2004 besteht, wenn auch in leicht anderer Besetzung (anfangs war noch Jennys Schwester Shannyn Sossamon Schlagzeugerin). Das Spiel, vor allem das Zusammenspiel ist enorm ausgereift. Besonders gut gefallen mir bei ihren Konzerten die Stellen, wenn die treibenden Beats einsetzen, die aus postrockartigen Stücken plötzlich tanzbare Musik machen!
Vielleicht ist es das, was Warpaint nicht bloß zu einem Abklatsch irgendeiner schon dagewesenen Band macht. Bei den eben genannten The Organ war das ähnlich, auch wenn die beiden musikalisch nicht viel gemein haben. Aber sowohl die Lieblingskanadierinnen als auch Warpaint haben einen eigenen musikalischen Charakter und sind eben nicht die Mischung aus fünf anderen Bands, die nach schneller Starteuphorie schrecklich zu langweilen anfängt. Warpaint werde ich auch in zwei Jahren noch lieben, daran zweifele ich keine Sekunde.
Ob das jetzt das beste Konzert des Jahres war, wie ich noch adrenalingeschädigt direkt nach der Show dachte, weiß ich allerdings nicht. Es gibt schließlich starke Konkurrenz... Warpaint beim Primavera.
Setlist Warpaint, KulturKirche Köln:
01: Jubilee
02: Bees
03: Warpaint
04: Burgundy
05: Composure
06: Undertow
07: Set your arms down
08: Majesty
09: Elephants
10: Baby (Emily solo) (Z)
11: Beetles (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:Ort: KulturKirche Köln
Datum: 28.06.2011
Zuschauer: voll aber nicht überfüllt
Dauer: 85 min
Warpaint mausern sich mehr und mehr zu einer Lieblingsband. Ein gutes Stück dieser Zuneigung basiert auf zweieinhalb Liedern, die ich live im Mai letzten Jahres in Brüssel gesehen hatte; es war Liebe auf den ersten Blick. Damals gab es erst eine EP, im November, als die Kalifornierinnen eine kleine Tour in Deutschland spielten, war das Repertoire schon um die Stücke der ersten Platte The Fool erweitert und in Frankfurt ein atemberaubend gutes, 70 minütiges Konzert abgeliefert.
Im Mai beim Primavera Festival in Barcelona das gleiche Bild: trotz der riesigen Konkurrenz, trotz Pulp, Sufjan Stevens, Mercury Rev, Belle & Sebastian oder The National, das beste Konzert des Wochenendes stammte von den Amerikanerinnen.
Heute nun spielten Warpaint ihr einziges "Club"konzert in Deutschland. Sie hatten vorher bei Southside / Hurricane und vergangenes Wochenende in Glastonbury Auftritte und überbrücken die Zeit bis zu den nächsten Festivals (Werchter, Sankt Gallen, Arras) mit einigen ausgewählten Shows. Dazu gehörte der heutige Club, die Nippeser KulturKirche, die mit der Veranstaltung wieder einmal ihr gutes Händchen bewies.
Es war heiß in Köln. Ich kam bei 32° an. Daß dann ausgerechnet eine Vorgruppe mit dem Namen Heat eröffnete, war mir zu viel, die mussten ohne mich auskommen.
Die KulturKirche war ziemlich aber wohl nicht ganz voll. Vielleicht verkauft man aber auch nicht so viele Karten, denn vor der Kiche suchten Leute noch Tickets. Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Gemeindepfarrer Thomas Diederichs begannen die vier Musikerinnen aus LA um kurz nach neun ihr Konzert.
Das Konzert begann mit Jubilee, einem älteren Lied, das es aber nicht aufs Debütalbum geschafft hatte. Jetzt hat die Band das Stück neu aufgenommen und wird es vermutlich in den kommenden Monaten als Single veröffentlichen. Gesungen wurde Jubilee wie die meisten der Stücke von Gitarristin Emily Kokal. Emily, die rechts stehende Frau, wirkte in ihrem bodenlangen Abschlußballkleid sehr untypisch für eine Rockgitarristin, kam aber offenbar an alle Pedale, denn nichts klang, als schränke sie irgendetwas ein.
Über den Kleidungsstil der vier Frauen hatte ich mich bisher immer amüsiert, da waren mal Witwe-Bolte-Schleifen im Haar, sehr häßliche Overalls, Jogginghosen und Holzfällerhemden zu bewundern. Heute schien die Band sich aber chic gemacht zu haben, dabei stach neben Emilys Kleid vor allem das Dings ins Auge, das Bassistin Jenny Lee Lindberg trug. Das Dings war ein Kleid, vielleicht ein Kaftan, es war giftgrün, weit und lang, aber nicht lang genug, um die stahlblauen Socken und die roten Turnschuhe zu verdecken. Aber das sollte es wohl auch nicht. Ein echter Hingucker! Das ist der LA-Faktor der Band, ganz ohne Extravaganz geht es wohl nicht. Aber - und das ist entscheidend - sie kann es sich leisten. Warpaint versuchen nicht, musikalische Schwächen durch Outfits (oder Skandale, bekloppte Auftritte oder was auch immer man da nehmen kann) zu übertünchen. Denn sie sind so gut, daß sie auch gerne in lustigen Tierkostümen oder hinter Schattenwänden spielen könnten, schaden würde es nicht.
Und wie gut sie sind, sollte gestern wieder klargeworden sein. Auch wenn man objektiver als ich ist. Die Stücke der Band leben von sagenhaften Melodien, die immer wieder Brüche, Tempowechsel durchlaufen. Immer wieder scheint es, als ginge ein Lied in das nächste über, weil sich die Richtung des Stücks geändert hat. Opfer der Tempowechsel wurden einmal die plötzlich aufkommenden Mitklatscher. Neben uns stand einer, der dabei so weit ausholte, daß der Ordner am Bühnenrand ihn sogar wegschubsten mußte, um keine Ohrfeigen zu bekommen. Das nervige Mitklatschen war aber schnell vorbei, als der Rhythmus sich plötzlich änderte und keiner mehr mitkam!
Am deutlichsten wurde die Komplexität der Melodien bei der zweiten Zugabe Beetles. Da sang erst die links stehende Gitarristin Theresa Wayman, irgendwann nach einem Bruch setzte dann Emily ein, später sang Theresa weiter. Das Lied war gut 15 Minuten lang und endete in einem Postrockgewitter, das keinen Vergleich mit Größen des Genres scheuen muß. Ein Freund kommentierte das mit "die letzten fünf Minuten waren besser als das ganze Mogwai Konzert in der Live Music Hall!"
Ein anderer Höhepunkt des Abends war der Song Warpaint am Anfang des Konzerts, aber sie gaben sich alle nicht viel. Warpaint verfügen über ein unverschämt gutes Repertoire, obwohl sie bisher so wenig veröffentlicht haben. Und dazu kommt, - und das unterscheidet sie von anderen Lieblingen wie The Organ - daß die Amerikanerinnen dies auch live in mindestens gleicher Güte umsetzen können. Man merkt der Band an, daß sie seit 2004 besteht, wenn auch in leicht anderer Besetzung (anfangs war noch Jennys Schwester Shannyn Sossamon Schlagzeugerin). Das Spiel, vor allem das Zusammenspiel ist enorm ausgereift. Besonders gut gefallen mir bei ihren Konzerten die Stellen, wenn die treibenden Beats einsetzen, die aus postrockartigen Stücken plötzlich tanzbare Musik machen!
Vielleicht ist es das, was Warpaint nicht bloß zu einem Abklatsch irgendeiner schon dagewesenen Band macht. Bei den eben genannten The Organ war das ähnlich, auch wenn die beiden musikalisch nicht viel gemein haben. Aber sowohl die Lieblingskanadierinnen als auch Warpaint haben einen eigenen musikalischen Charakter und sind eben nicht die Mischung aus fünf anderen Bands, die nach schneller Starteuphorie schrecklich zu langweilen anfängt. Warpaint werde ich auch in zwei Jahren noch lieben, daran zweifele ich keine Sekunde.
Ob das jetzt das beste Konzert des Jahres war, wie ich noch adrenalingeschädigt direkt nach der Show dachte, weiß ich allerdings nicht. Es gibt schließlich starke Konkurrenz... Warpaint beim Primavera.
Setlist Warpaint, KulturKirche Köln:
01: Jubilee
02: Bees
03: Warpaint
04: Burgundy
05: Composure
06: Undertow
07: Set your arms down
08: Majesty
09: Elephants
10: Baby (Emily solo) (Z)
11: Beetles (Z)
Links:
- Warpaint, Amsterdam, 19.06.11
- Warpaint, Barcelona, 28.05.11
- Warpaint, Frankfurt, 11.11.10
- Warpaint, Paris, 06.11.10
- Warpaint, Brüssel, 16.05.10
- Warpaint, Frankfurt, 11.11.10
- Warpaint, Paris, 06.11.10
- Warpaint, Brüssel, 16.05.10
6 Kommentare :
Danke für den Bericht! Das Konzert war atemberaubend. Und in der Tat vielleicht das beste, das man dieses Jahr in Deutschland sehen wird.
War ich die einzige, die es schwach fand? Der Sound war unter aller Sau (und ich habe meinen Standort mehrfach gewechselt), der Gesang klang irgendwie blechern, die Mädels kamen mir irgendwie zu LA-ig rüber, und die letzten 10 Minuten der Zugabe hätten nun wirklich nicht mehr sein müssen...
Schade, ich mag Platte und EP wirklich gerne, aber daran (und die 2 1/2 Lieder damals in Brüssel) kam dieser Abend nicht ansatzweise ran. Ich bin ziemlich enttäuscht, hatte mir da irgendwie viel mehr von versprochen...
nein da bist du nicht alleine christina. ich fand das konzert sehr durchschnittlich und verstehe den hype nicht wirklich. dass der letzte songs so lange ging, wundert mich kaum.. schließlich hat das konzert 22,70€ gekostet und wenn sie nur 60min gespielt hätten, wäre das ein wenig unverschämt gewesen.
Gutes Konzert und viel besser lässt sich derartige Musik in der Kulturkirche einfach nicht klanglich abbilden.
Der Sound war vorne eigentlich vollkommen in Ordnung für die Kulturkirche. Manche erwarten anscheinend immer,dass sich alles anhört wie auf der CD.
Und wie man sich ernsthaft über den letzten Song beschweren kann, muss ich wohl nicht versuchen zu verstehen. Das psychedelisch beeinflusste Musik oft Instrumentals und Improvisationen enthält, ist wohl keine Besonderheit.
Ich fand es auf jeden Fall klasse. Die vier Damen machten einen sehr sympathischen Eindruck und man hatte wirklich das Gefühl, dass es ihnen noch trotz einer langen Festival-Tour noch Spaß macht, auf der Bühne zu stehen (im Gegensatz zu Bright Eyes eine Woche vorher).
Hier schnell der letzte Song zum nachhören:
http://www.dailymotion.com/video/xjltqt_warpaint-beetles_music
Kommentar veröffentlichen