Sonntag, 4. März 2012

Kathleen Edwards, Paris, 03.03.12


Konzert: Kathleen Edwards

Ort: Le Divan Du Monde, Paris

Datum: 03.03.2012
Zuschauer: gut besuchte Veranstaltung, etwa 400

Konzertdauer: ungefähr 90 Minuten



Was den Coolness-Faktor anbelangt steht die Kanadierin Kathleen Edwards scheinbar 10 Stufen unter der Amerikanerin Sharon van Etten, die ich am Vortag erlebt hatte. Sah man bei Sharon noch junges, trendiges Indie-Publikum, stieß man im Divan du Munde bei Kathleen auf alte Knacker und biedere unattraktive Frauen. Kaum ein hübsches Girl im Publikum, es war wie auf einem Dorffest im Westerwald.

Der musikalischen Qualität tat dies freilich keinen Abbruch. "C'était tout aussi bien qu'hier - das war mindestens genauso gut wie gestern", kommentierte Michel Pampelune, Chef des exquisiten Fargo-Labels, der wie ich beide Künstlerinnen gesehen hatte. Um hinterherzuschicken: "On sent qu'il y a plus de métier chez Kathleen- man merkt, daß sie mehr Erfahrung und handwerkliches Können hat." Ein alter Fuchs wie Michel sollte es eigentlich wissen und auch ich hatte den Eindruck, daß Kathleen jedenfalls die bessere Band als Sharon am Start hatte.

Aber allzu weit müssen wir den Vergleich nicht treiben. Die erste macht Indie-Folkrock, die zweite Classic-Folkrock und beide Stile sind prima, zumal wenn sie so gut exekutiert werden wie von diesen beiden Ladies.


Die Kanadierin begeisterte mich im sehr ordentlich gefüllten Divan Du Monde von der ersten Minute an. Hier passte alles. Stimme, Melodien, Arrangements, Songs, Einsatz. Alles Perfekt. Die gespielten Lieder waren unfassbar ohrwurmig, klangen als hätte es sie schon immer gegeben. Auch der Sound kam glasklar und fein ausgesteuert rüber, dem Hörgenuß stand wahrlich nichst im Wege Und ein Hit jagte den nächsten, ob Empty Threat ("I move into a miracle"), Change The Sheets oder Chameleon/Comedian ("I don't need a punchline"), jeder Schuß saß, es war ein wahres Festival an Volltreffern. Klar reden wir hier von radiotauglichem Stoff, der auch in kommerziellen Sendern laufen kann, aber ich muß zugeben, daß ich auf mit Emphase und betörenden Melodien gespickten Folkrock stehe. Die Band Of Horses schafft es regelmäßig, mich mit ähnlichen Mitteln schmatt zu setzen.


Kathleen Edwards hatte aber wirklich eine glänzende Band am Start. Am Keyboard und der Orgel (und in einem Fall der Trompete) fungierte Daniel Ledwell, den Spezialisten bereits von der Band In-Flight Safety kennen und der sich auch als Produzent kanadischer Künstler hervorgetan hat und der Bursche an der Gitarre zauberte bei Goodnight California ein sensationelles Solo aus seinem nichtvorhandenen Hut. Das war sagenhaft und der Moment wurde noch dadurch intensiviert, daß Kathleen gemeinsam mit ihm Schulter an Schulter abrockte. Die Chemie zwischen diesen beiden schien besonders zu stimmen. Ein Paar sind sie trotzdem nicht, schließlich ist Kathleen bekannterweise mit Justin Venon aka Bon Iver zusammen, der das aktuelle Album Voyageur auch produziert hat und auf der Studioversion mitspielt (und im Background vereinzelt singt). Dabei ist das aktuelle Werk eigentlich aus dem Trennungschmerz heraus geschrieben worden. Die Künstlerin hatte sich nach längerer Beziehung von ihrem Partner (ein Musiker ihrer Band) getrennt und emotional viel aufzuarbeiten. Das Resultat ist wirklich fantastisch! Aber es gab nicht nur aktuelle Titel, sondern auch Material aus dem Backkatalog. Das oben erwähnte Goodnight California stammt von Back To Me, begann mit einem wundervollen Geigenintro von Kathleen und endete auf die bereits beschriebene fulminante Weise, In State kam ebenfalls von Back To Me und die gelungene erste Zugabe 6 O'Clock findet man auf dem Album Failer.


Ja, es war wirklich ein tolles Konzert, bei dem die Kandierin auch immer mal wieder kleine Geschichtchen und Anekdoten erzählte. Sie berichtete vom Schlittschuhlaufen um 5 Uhr morgens, von Eisbären, einem Traumhaus, das sie gefunden hatte (welche ihr in Liebesdingen aber gar nicht so viel Glück gebracht hatte) und seltsamerweise auch davon, daß zwei ihrer Konzerte auf dieser Tour mangels Zuschauerinteresses gecancelt werden mussten.


Hinterher zeigte sie sich auch draußen noch ihren Fans, unterschrieb geduldig Plattencover und machte uns Hoffnung, noch in diesem Jahr erneut auf einer Pariser Bühne zu stehen. Da werde ich sicherlich wieder dabei sein, so super wie das im Divan du Monde war!!

Setlist Kathleen Edwards, Divan Du Monde, Paris

01: Empty Threat
02: Chameleon /Comedian
03: Asking For Flowers
04: Wapusk
05: Goodnight California
06: In State
07: Mint
08: Solo
09: House Full...
10: Going To Hell
11: Sidecar
12: Back To Me
13: Soft Place To Land
14: Change The Sheets

15: 6 O'Clock
16: September Girls
17: For The Record




2 Kommentare :

E. hat gesagt…

sehr schön, oliver. auch die fotos, einige schöne schüsse dabei. der vergleich von sharon und kathleen hinkt natürlich immer dann, wenn man unterschiedliche art und weise der hinwendung zur musik betracht. aber letztlich zählt doch auch das handwerk, und da bin ich ganz bei dir und deiner einschätzung. ich höre allerdings kaum analytisch, insofern kann mich immer auch ein im technischen sinne schlechter musiker überzeugen.

Anonym hat gesagt…

Schöner Bericht, der so explizit gelobte Leadgitarrist - auch bei "Goodnight California" war allerdings Gord Tough.

 

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