Konzert: Loch Lomond & Cyann
Ort: l'Espace B, Paris
Datum: 04.03.2012
Zuschauer: etwa 40-50
Nicht ganz meinen hohen Erwartungen gerecht werden konnte das Konzert der liebenswürdigen Truppe Loch Lomond aus Portland, Oregon im Pariser Espace B. Ich hatte vorher ein Top Ten Konzert erhofft, das es aber nicht ganz wurde.
Die Kammerpop-Gruppe verfügte zwar über reichlich Charme, fein arrangierte Songs und Spielfreude, aber der teilweise sehr hohe Falsettgesang von Sänger Ritchie Young (ein ziemlicher Nerd mit riesiger Brille) war bisweilen ein wenig (Betonung auf ein wenig) anstrengend und ähnliche Musik hatten wir in den letzten Jahren schon von den Decemberists, June Madrona, The Leisure Society und den New Pornographers so oder so ähnlich gehört.
Hiermit habe ich aber schon alle Kritikpunkte genannt, denn insgesamt sprechen wir über ein Konzert, das ich mit 7/10 Punkten, also absolut positiv benoten würde (ich habe es in letzter Zeit mit Noten, will ich etwa noch Lehrer werden?). Es fehlte lediglich der Funke, der überspringen muss, damit aus einem guten eine sehr gutes Konzert wird.
Sehr löblich hervorzuheben das Wechselspiel zwischen akustischen (teilweise ganz ohne Mikro) und elektrischeren Phasen, in denen auch der Bass herrlich präsent war und die harmonische Stimmung innerhalb der sechsköpfigen (4 Männer, zwei Weiblein) Band. Da wurde viel geschmunzelt, nett miteinander umgegangen und alles nicht so tierisch ernst genommen. Das Sextett hatte gerade eine Tour durch deutsche Clubs absolviert (sie lobten insbesondere Feinkost Lampe in Hannover) und war nun wahnsinnig froh, zum ersten Mal in der französischen Metropole zu spielen.
Die besten Momente hatte das Konzert, wenn kammerpoppige Zungenschnalzer wie die Single Blue Lead Fences, oder der Indie Hit Elephant & Litte Girls gespielt wurden. Diese Nummern hatten einen feinen altmodischen Charme und betörende Melodien zu bieten. Ganz besonders toll wurde es aber gegen Ende, als der von einem Xylophon aufgehübschte Schmachtsong Wax And Wire geschmettert wurde. Das hatte etwas von Seefahrerromantik, war wunderbar melancholisch und gekonnt arrangiert.
Anschließend kam auch noch ein Cover von Damien Jurado (ich glaube es handelte sich um Yuma) und als Zugabe ein Lied, das man mitten im Publikum zum Besten gab. Damit ging ein schönes Konzert zu Ende, das eine Gruppe mit Potential zeigte. In den nächsten Jahren ist sicherlich ein Top Ten Konzert drin, man muß die Truppe unbedingt im Auge (und im Ohr!) behalten.
Setlist Loch Lomond, Espace B, Paris
01: ?
02: Blood Bank
03: A Field Report
04: Kicking With Your Feet
05: Ghost Of An Earthworm
06: Egg Song
07: White Dresses
08: Blue Lead Fences
09: Made Of Ink
10: Your Eyes
11: Elephants & Little Girls
12: Wax And Wire
13: Yuma (Damien Jurado Cover)
14: ?
Ebenfalls immer hörenswert ist die französische Pianistin Cyann, die nach dem Ausscheiden aus ihrer vorigen (Kult)- Band Cyann & Ben Solowege einschlägt. Ein halbes Dutzend Lieder sind inzwischen schon so weit gereift, daß man sie veröffentlichen könnte, eine erste EP oder gar ein Debütalbum ist aber vorerst noch nicht in Sicht. Dabei haben die Stücke durchaus Potential. Wie jeher klang bei Cyann heute alles tiefmelancholisch und rabenschwarz, der Gesang ätherisch und verhallt, das Piano moll bis zur Schmerzgrenze. Fast mit Wut im Bauch drosch das zierliche Persönchen auf ihre Tasten ein und verzerrte den Sound mit einem kleinen grauen Kasten namens Delay, mit dem man Halleffekte erzeugen und Sequenzen sampeln kann. Das verlieh dem Ganzen eine experimentelle und bisweilen gothische Note. Lieder von Cyann sind grundsätzlich sehr cinematografisch, man könnte sie sich auch perfekt als Soundtrack zu einem Film vorstellen, sie eignen sich aber auch zum Tagträumen oder meditieren. Hört man ihr zu, taucht man ein in eine verwunschene Welt voller Senhsüchte, halluzinogener Gedanken und Traumbilder. Wenn man sich fallen läßt, kann man sich kilometerweit fort tragen lassen und unentdeckte Landschaften kennenlernen. Natürlich war das in einem Saal wie dem Pariser Espace B mit den Bargeräuschen und dem funzeligen Licht nicht so leicht, aber wenn man die Augen schloß und etwas Talent zur Meditation oder Selbsthynpose hat (ich haber beide Techniken erlernt), gelang dies gar nicht schlecht.
Highlight in ihrem Set war erneut Walls Of Silence, das eine solch verführerische und himmlische Atmosphäre erzeugte, daß mir ganz warm ums Herz wurde. Aber auch You'd Beter Run entzückte durch seine Luftigkeit, seinen verwunschenen Zartschmelz.
Toll auch Tongue Of Ashes, bei dem die aus der Ukraine stammende und in den USA aufgewachsene Yelena Valer'evna Moskovich einen schönen Gastauftritt hatte. Sie sprach stoisch und fast dominalike die Texte ("the wind is more than science), die von Cyann dann regelmäßig wiederholt wurden.
Nach etwa 40 Minute war das hypnotische Spektakel beeendet und die Bühne wurde frei für die deutlich heiteren Loch Lomond. Wie die sich geschlagen, wisst ihr ja schon...
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