Konzert: Nadja & Off The International Radar
Ort: Les Instants Chavirés, Montreuil bei Paris
Datum: 20.03.2012
Zuschauer: etwa 40-50
Was macht man als Konzertblogger, wenn man keine Akkreditierung für Laura Marling bekommen hat? Nun, erst ist man etwas enttäuscht, dann aber freut man sich, stattdessen eine neue Location zu erkunden und auch mal experimentelle Musik zu hören. Die kleine Laura kann mich mal gern haben!
Les Instants Chavirés in Montreuil interessieren mich bereits seit einer Weile. Da wollte ich schon immer mal hin. Im letzten Jahr spielte der deutsche Pianist Nils Frahm dort und wäre ich nicht an meinem Vorurteil gescheitert, daß es zu weit sei, nach Montreuil herauszufahren, kennte ich den Schuppen jetzt schon. Dabei liegt er nur zwei U-Bahnstationen von Paris entfernt, bequem über die Metro- Linie 9 zu erreichen. Die Gegend ist nicht gerade glamourös, mit dem Schick der reichen Pariser Viertel hat sie nichts, aber rein gar nichts zu tun.
Ich stieg Metro Robespierre aus und erblickte auf der Straße sofort Krabbeltische und billige Läden. Eine gammelige Dönerbude reihte sich an die Nächste, klassische Restaurants schien es hier nicht zu geben. Die Wohnstraßen wirkten trostlos. Aber ich mag es, auch mal populärere Viertel zu erkunden. Hier sieht man, wie die einfachen Leute leben, erfährt von ihren Sorgen und Nöten. Ein Großteil der Bürger stammt ursprünglich nicht aus Frankreich, ist afrikanischer oder arabischer Herkunft.
Auf einem Plakat war zu lesen:" Squat Réappropriation Grève des Loyer Ne Laissons Pas Le Quartier Aux Riches" - "Hausbesetzung, Wiederbeanspruchung von Wohnraum, Verweigerung von Mietzahlungen, wir überlassen das Viertel nicht den Reichen."
Da ich noch nicht hier war, fragte ich eine Obstverkäuferin nach dem Weg. Les Instants Chavirés kannte sie nicht (eine Enklave für Pariser Bildungsbürger?), aber anhand meines Planes konnte sie mir zeigen, wie ich zu laufen hatte. Ich streifte durch einfache Wohnviertel, kam an einem Parkplatz vorbei, wo sehr viel Unrat und Müll auf der Straße lag und die grauen Wände und die alten Autos mit Graffiti verziert waren.
Das faszinierte mich auf eine gewisse Weise und ein abbruchreifer Schuppen ließ Fantasien in mir hoch kommen. Wie es denn wäre, hier so eine Bruchbude aufzukaufen und eine Konzertlocation draus zu machen? Ja, genau das wär's doch!
Aber erst einmal musste ich Les Instants Chavirés finden. Die Straße lag ziemlich versteckt und unscheinbar und nichts ließ hier auf eine Konzertlocation schließen. Auf einer grauen Tür stand mit abgeblätterter Schrift der Name: Instants Chavirés. Alles war still. Ich drückte den Türgriff, musste aber feststellen, daß die Tür verschlossen war. Ob das Konzert abgeblasen worden war? Ich mich im Tag geirrt hatte? Da kam plötzlich ein Mitbürger des Weges, den ich für einen potentiellen Konzertgänger hielt. Er erklärte mir, daß man hier erst um 20 Uhr 30 öffne. Ich war zu früh da. Sachen gibt's! Es war nämlich erst 20 Uhr...
Nachdem ich mir in den umliegenden Straßen eine halbe Stunde die Beine vertreten hatte, kam ich zurück und nun standen auch noch ein paar andere Mitbürger vor der Tür rum. Es wurde geöffnet, ich löhnte 10 Euro und gönnte mir erst einmal ein Bier. Nur tröpfchenweise trudelten die Zuschauer ein. Fast alles Männer zwischen 30 und 50, schlicht und funktionell gekleidet (der Renner: Kapuzensweater unter Lederjacke) schlank und sehr wahrscheinlich akademisch gebildet. Auch in der Folge blieb die Frauenquote äußerst gering. Ein bekanntes Phänomen, das weibliche Geschlecht kann mit experimenteller Rockmusik und Noise nicht viel anfangen. Sei's drum.
Der Merchstand war reich gedeckt und mit unzähligen CDs geschmückt. Aidan Baker, der männliche Part des Duos Nadja, hatte auch etliche Solo- Scheibchen mitgebracht und von Nadja selbst gab ebenfalls sehr viele Alben. Novizen wie ich hatten Probleme, den Überblick zu behalten. Aber auch die Vogruppe Off The International Radar hatte Alben dabei, auch auf Vinyl.
Off The International Radar fingen dann auch kurz nach 21 Uhr an. Sie spielten komplett im Dunkeln, projezierten aber Videos auf eine Leinwand, die sich in der Mitte des Raumes, hinter dem Merchstand, befand. Der Sound war elektronisch repetetiv und stark an deutschen Krautrock im Stile von Cluster erinnernd. Ich mochte das sehr und dämmerte wohlig dahin. Nicht weil mir langweilig war, sondern weil ich zu der Musik meditieren wollte. Die Band kredenzte synthetische Musik genau so wie ich sie mag. Nicht zu basslastig, sondern hypnotisch, tranceartig, erstaunlich organisch und anregend. Ein cooler Trip war das! Auch die Videos faszinierten mich. Oft sah man gewaltige Wasserfälle, aber auch Menschen auf Aussichtsplattformen, tausende Autos auf einem trostlosen Highway, Helikopter und schicke Wolkenkratzer. Moderne Architektenträume wurden hier Wahrheit.
Um 21 Uhr 30 war der schöne Traum zu Ende, das Licht ging an und die Band verschwand wortlos in der Kabine. Ich schlurfte schlaftrunken durch die Gegend. Der Raum hatte sich etwas stärker gefüllt, aber vielmehr als 40 Besucher wurden es nicht mehr. Vorne rechts gab es zwei rote Kinoklappsessel, die so gemütlich aussahen,daß ich mir einen davon schnappte und innerhalb kürzester Zeit wieder wegdöste.
Im Halbschlaf bekam ich mit, wie nun Nadja, bestehend aus Aidan Baker und Leah Buckareff , die Bühne kommentarlos betraten. Sie performte am Bass mit dem Rücken zum Publikum und drehte sich im Lauf der Show auch kein mal um. Er, ein hagerer, ziegenbärtiger Mann, perfomte an der Gitarre mit dem Gesicht zu uns. Die beiden waren durch eine Mixtable mit elektronischen Apparaturen (für die er zuständig war) voneinander getrennt. Sie agierten im blauen Schummerlicht und kommunizierten in keiner Weise, weder untereinander noch mit den Zuschauern. Das verlieh dem Ganzen eine gespenstische und leicht gothische Note.
Ihre Musik wird oft unter Drone, Doom oder Post Metal katalogisiert, aber unter dem nicht unpassenden Begriff Ambient können sich die meisten unserer Leser sicherlich mehr vorstellen. Auf jeden Fall war es verblüffend, wie sie einen breiten Klangteppich spannten, der immer dichter, lauter und intensiver wurde. Manchmal hatte ich das Gefühl, jede Sekunde könnte hier ein Raumschiff landen! Dabei war der Sound eigentlich nicht unangenehm, die metallische Note hielt sich in Grenzen und wild rumgeschrien wie bei Isis wurde auch nicht. Im Gegenteil, es wurde sogar gar nichts gesagt, das Set war rein instumental, obwohl es auch Platten geben soll, auf denen gesungen wird.
Nach dem Applaus zu urteilen, gab es nur ein eniziges Endloslied. Erst als dieses nach etwa einer Stunde zu Ende war, brandete Beifall auf und die beiden Musiker verließen abrupt die Bühne.
Wer wollte konnte sich reichhaltig mit CDs eindecken, es gab wie oben bereits erwähnt, tonnenweise davon. (einen Überlick über die stattliche Diskografie gibt es hier ). Das heutige Set stammte von einer Split CD, deren Namen ich aber leider vergessen habe.
Unter dem Strich ein dufter Konzertabend und eine spannende Underground Loction, die ich da für mich neu entdeckt habe. Diese Woche wird hier sogar kein Geringerer als Thurston Mooore eine spezielle Noise Show spielen. Yeah, bayby!!
Les Instants Chavirés in Montreuil interessieren mich bereits seit einer Weile. Da wollte ich schon immer mal hin. Im letzten Jahr spielte der deutsche Pianist Nils Frahm dort und wäre ich nicht an meinem Vorurteil gescheitert, daß es zu weit sei, nach Montreuil herauszufahren, kennte ich den Schuppen jetzt schon. Dabei liegt er nur zwei U-Bahnstationen von Paris entfernt, bequem über die Metro- Linie 9 zu erreichen. Die Gegend ist nicht gerade glamourös, mit dem Schick der reichen Pariser Viertel hat sie nichts, aber rein gar nichts zu tun.
Ich stieg Metro Robespierre aus und erblickte auf der Straße sofort Krabbeltische und billige Läden. Eine gammelige Dönerbude reihte sich an die Nächste, klassische Restaurants schien es hier nicht zu geben. Die Wohnstraßen wirkten trostlos. Aber ich mag es, auch mal populärere Viertel zu erkunden. Hier sieht man, wie die einfachen Leute leben, erfährt von ihren Sorgen und Nöten. Ein Großteil der Bürger stammt ursprünglich nicht aus Frankreich, ist afrikanischer oder arabischer Herkunft.
Auf einem Plakat war zu lesen:" Squat Réappropriation Grève des Loyer Ne Laissons Pas Le Quartier Aux Riches" - "Hausbesetzung, Wiederbeanspruchung von Wohnraum, Verweigerung von Mietzahlungen, wir überlassen das Viertel nicht den Reichen."
Da ich noch nicht hier war, fragte ich eine Obstverkäuferin nach dem Weg. Les Instants Chavirés kannte sie nicht (eine Enklave für Pariser Bildungsbürger?), aber anhand meines Planes konnte sie mir zeigen, wie ich zu laufen hatte. Ich streifte durch einfache Wohnviertel, kam an einem Parkplatz vorbei, wo sehr viel Unrat und Müll auf der Straße lag und die grauen Wände und die alten Autos mit Graffiti verziert waren.
Das faszinierte mich auf eine gewisse Weise und ein abbruchreifer Schuppen ließ Fantasien in mir hoch kommen. Wie es denn wäre, hier so eine Bruchbude aufzukaufen und eine Konzertlocation draus zu machen? Ja, genau das wär's doch!
Aber erst einmal musste ich Les Instants Chavirés finden. Die Straße lag ziemlich versteckt und unscheinbar und nichts ließ hier auf eine Konzertlocation schließen. Auf einer grauen Tür stand mit abgeblätterter Schrift der Name: Instants Chavirés. Alles war still. Ich drückte den Türgriff, musste aber feststellen, daß die Tür verschlossen war. Ob das Konzert abgeblasen worden war? Ich mich im Tag geirrt hatte? Da kam plötzlich ein Mitbürger des Weges, den ich für einen potentiellen Konzertgänger hielt. Er erklärte mir, daß man hier erst um 20 Uhr 30 öffne. Ich war zu früh da. Sachen gibt's! Es war nämlich erst 20 Uhr...
Nachdem ich mir in den umliegenden Straßen eine halbe Stunde die Beine vertreten hatte, kam ich zurück und nun standen auch noch ein paar andere Mitbürger vor der Tür rum. Es wurde geöffnet, ich löhnte 10 Euro und gönnte mir erst einmal ein Bier. Nur tröpfchenweise trudelten die Zuschauer ein. Fast alles Männer zwischen 30 und 50, schlicht und funktionell gekleidet (der Renner: Kapuzensweater unter Lederjacke) schlank und sehr wahrscheinlich akademisch gebildet. Auch in der Folge blieb die Frauenquote äußerst gering. Ein bekanntes Phänomen, das weibliche Geschlecht kann mit experimenteller Rockmusik und Noise nicht viel anfangen. Sei's drum.
Der Merchstand war reich gedeckt und mit unzähligen CDs geschmückt. Aidan Baker, der männliche Part des Duos Nadja, hatte auch etliche Solo- Scheibchen mitgebracht und von Nadja selbst gab ebenfalls sehr viele Alben. Novizen wie ich hatten Probleme, den Überblick zu behalten. Aber auch die Vogruppe Off The International Radar hatte Alben dabei, auch auf Vinyl.
Off The International Radar fingen dann auch kurz nach 21 Uhr an. Sie spielten komplett im Dunkeln, projezierten aber Videos auf eine Leinwand, die sich in der Mitte des Raumes, hinter dem Merchstand, befand. Der Sound war elektronisch repetetiv und stark an deutschen Krautrock im Stile von Cluster erinnernd. Ich mochte das sehr und dämmerte wohlig dahin. Nicht weil mir langweilig war, sondern weil ich zu der Musik meditieren wollte. Die Band kredenzte synthetische Musik genau so wie ich sie mag. Nicht zu basslastig, sondern hypnotisch, tranceartig, erstaunlich organisch und anregend. Ein cooler Trip war das! Auch die Videos faszinierten mich. Oft sah man gewaltige Wasserfälle, aber auch Menschen auf Aussichtsplattformen, tausende Autos auf einem trostlosen Highway, Helikopter und schicke Wolkenkratzer. Moderne Architektenträume wurden hier Wahrheit.
Um 21 Uhr 30 war der schöne Traum zu Ende, das Licht ging an und die Band verschwand wortlos in der Kabine. Ich schlurfte schlaftrunken durch die Gegend. Der Raum hatte sich etwas stärker gefüllt, aber vielmehr als 40 Besucher wurden es nicht mehr. Vorne rechts gab es zwei rote Kinoklappsessel, die so gemütlich aussahen,daß ich mir einen davon schnappte und innerhalb kürzester Zeit wieder wegdöste.
Im Halbschlaf bekam ich mit, wie nun Nadja, bestehend aus Aidan Baker und Leah Buckareff , die Bühne kommentarlos betraten. Sie performte am Bass mit dem Rücken zum Publikum und drehte sich im Lauf der Show auch kein mal um. Er, ein hagerer, ziegenbärtiger Mann, perfomte an der Gitarre mit dem Gesicht zu uns. Die beiden waren durch eine Mixtable mit elektronischen Apparaturen (für die er zuständig war) voneinander getrennt. Sie agierten im blauen Schummerlicht und kommunizierten in keiner Weise, weder untereinander noch mit den Zuschauern. Das verlieh dem Ganzen eine gespenstische und leicht gothische Note.
Ihre Musik wird oft unter Drone, Doom oder Post Metal katalogisiert, aber unter dem nicht unpassenden Begriff Ambient können sich die meisten unserer Leser sicherlich mehr vorstellen. Auf jeden Fall war es verblüffend, wie sie einen breiten Klangteppich spannten, der immer dichter, lauter und intensiver wurde. Manchmal hatte ich das Gefühl, jede Sekunde könnte hier ein Raumschiff landen! Dabei war der Sound eigentlich nicht unangenehm, die metallische Note hielt sich in Grenzen und wild rumgeschrien wie bei Isis wurde auch nicht. Im Gegenteil, es wurde sogar gar nichts gesagt, das Set war rein instumental, obwohl es auch Platten geben soll, auf denen gesungen wird.
Nach dem Applaus zu urteilen, gab es nur ein eniziges Endloslied. Erst als dieses nach etwa einer Stunde zu Ende war, brandete Beifall auf und die beiden Musiker verließen abrupt die Bühne.
Wer wollte konnte sich reichhaltig mit CDs eindecken, es gab wie oben bereits erwähnt, tonnenweise davon. (einen Überlick über die stattliche Diskografie gibt es hier ). Das heutige Set stammte von einer Split CD, deren Namen ich aber leider vergessen habe.
Unter dem Strich ein dufter Konzertabend und eine spannende Underground Loction, die ich da für mich neu entdeckt habe. Diese Woche wird hier sogar kein Geringerer als Thurston Mooore eine spezielle Noise Show spielen. Yeah, bayby!!
3 Kommentare :
wie wäre es mal mit käuflich erwerben...?
Das habe ich doch im Falle von Nadja getan.
Mit wem habe ich das Vergnügen, bitte?
Ansonsten überlasse ich das "käuflich erwerben" dem Herrn DSK.
nadja habe ich hier in ein paar tagen und längst auf meinem laufzettel. nur ob ich es schaffe, weiß ich noch nicht.
in sachen käuflich erwerben, wäre eine erhebung fein, aus der hervorgeht, wie viel knete wir im vergangenen jahrzehnt für musik ausgegeben haben. ich fürchte, es ist mehr als ein kleinwagen, weit mehr...
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