Konzert: Hauschka
Ort: La Gaité Lyrique, Paris
Datum: 26.06.2011
Zuschauer: geschätzte 100
Konzertdauer: etwa 70-75 Minuten
Deutsche Musiker trifft man relativ selten auf Pariser Bühnen, aber wenn sie nicht gerade Tokio Hotel, Rammstein, Wir Sind Helden oder Beatsteaks heißen, sind sie meistens richtig gut und entdeckenswert. So haben in der Seine Metropole in den letzten Jahren bereits feine Acts wie Mohna, Haruko, Get Well Soon, The Notwist, Norman Palm, Garda, Mascha Qrella (Foto), Nils Frahm, Boo Hoo, Contriva, Bodi Bill, Saroos, Sorry Gilberto, Noel, Pubkulies & Rebecca, Bettina Koester (von Malaria), Jack November, die Einstürzenden Neubeuten, die Goldenen Zitronen, Mediengruppe Telekommander, Robocop Kraus, Polarkreis 18 (sind die noch gut?), die Sterne, Fotos und noch ein paar anderes gespielt und Entertainment For The Braindead und Karo habe ich mir (genau wie Mohna) gleich zu einer Session ins Wohnzimmer bestellt.
Der Düsseldorfer Pianist Volker Bertelmann aka Hauschka dürfte wegen seiner eigenwilligen Bearbeitung seines Pianos für eine Oliver Peel Session allerdings kaum in Frage kommen, obwohl ich ihn wahnsinnig gerne einladen würde.*
Glücklicherweise bot die Pariser Gaité Lyrique die perfekten Räumlichkeiten, um ein Klavierkonzert mit Hauschka zu veranstalten und so konnte sich der Rheinländer endlich in die Liste der in Paris aufgetretenen deutschen Künstler einreihen.
Gleich schon zu Beginn hatte der wahnsinnig nette und höfliche Turnschuhträger in akzentfreiem englisch* erklärt, daß er als Düsseldorfer ja eigentlich nur vier Stunden von Paris entfernt wohne und es insofern seltsam sei, daß er hier noch nie gespielt habe, führte dies aber auf die fehlenden Räumlichkeiten für seine Musik in Paris zurück. Mit der Gaité Lyrique gäbe es aber nun eine Location, die gleichzeitig klassische Konzerte ermögliche, aber nicht so groß wie beispielsweise der Salle Pleyel sei. Schön für ihn und natürlich auch für uns, die neugierigen Zuschauer, die wir auf senfgelben Kinosesseln gespannt auf den Anfang des Konzertes von Hauschka warteten.
Ein gemischtes Publikum im Übrigen, bestehend aus Herren mit Halbglatze (wir sagten in der Schule immer: der Typ hat ein Knie auf dem Kopf), jungen hübschen Französinnen, alternativen Damen mit Birkenstocksandalen, Japanern (die lieben Klavierkonzerte!) und auch deutschen Fans, die wohl von ihren alten Freunden in der Heimat darüber unterrichtet worden waren, daß da ein sehr talentierter Düsseldorfer in Paris spiele.
Der schlanke Mitdreißiger legte gegen 15 Uhr 30 los, es handelte sich um eine spezielle Nachmittagsveranstaltung. Ganz am Anfang klang das Ganze noch relativ konventionell, aber schon sehr bald belustigte und verblüffte Hauschka die Zuschauer mit seinen diversen Gimmicks. Verschlüsse, Kronkorken, Klebebänder, ja sogar Tischtennisbälle platzierte der kreative Musiker im Innenraum seines geöffneten Flügels, um so seinen Anschlag zu verändern und auch diverse Geräusche zu erzeugen. Etwas Vergleichbares hatte ich zuvor noch nicht gesehen und so staunte ich Bauklötze, was man alles mit diesen kleinen Gegenständen machen konnte und wie sehr der Sound des Klaviers dadurch verändert wurde. Dennoch ging der Wohklang keineswegs verloren, sondern der Klangteppich wurde durch die innovative Bearbeitung (Umfrisierung?) des Tasteninstruments vielmehr bereichert.
Erstaunlich, daß wir es bei Volker Bertelmann mit einem ehemaligen Hip Hoper (!) zu tun hatten, der mit seiner Band sogar einen Major Label Vertag bei Sony vorweisen konnte. Aber diese Welt (vor allem die Arbeit mit einem großen Mainstream Label) sagte ihm nicht recht zu, wie er schmunzelnd erklärte. Er suche inzwischen viel eher nach kurioser ungewöhnlicher und neuartiger Musik und die findet er oft im Café eines Düsseldorfers Freundes, der in der dortigen Kunsthalle den schön benannten "Salon des Amateurs" betreibt. Ein Salon, der offen ist für viele neue Projekte und Musikstile und sich nach holprigem Start (was laut Volker an dem schummrigen Licht lag) zu einem wunderbaren Tip für neugierige und aufgeschlossene Musikfans entwickelt hat. Deshalb hat Hauschka auch gleich sein letztes (das insgesamt siebte seit 2004) hochgelobtes Album nach diesem Ort benannt. Ein Album, das übrigens auf Fatcat Records, einem hervorragenden Label, veröffentlicht wurde, daß dereinst sogar Sigur Ros beheimatete und auch heute noch viele exquiste Bands unter Vertrag hat.
Hauschka machte dem Label alle Ehre, sein Auftritt in Paris war so betörend schön und unterhaltsam, daß das Publikum unbedingt noch eine Zugabe hören wollte, die der Pianist nicht verweigern konnte, weil er keine Kabine hatte, in die er sich hätte zurückziehen können. Stattdessen hörte er einen Moment dem Applaus zu und setzte sich auf eine rückwärtige rote Bank, die ihn glatt an eine Therapiesitzung bei einem Psychiater erinnerte.
Fazit: Solange sie so hervorragend sind wie Hauschka, sind deutsche Künstler in Paris hochwillkommen! Wie wäre es demnächst mal wieder mit Nils Frahm? Der ist ebenfalls Pianist, verfolgt aber einen anderen Ansatz als Hauschka.
Link:
Gewohnt informativ und fachkundig, das Klienicum zu einem Konzert von Hauschka beim Frameworks Festival 2011, klick!
* schlecht formuliert. Das Problem ist nicht die Bearbeitung des Pianos, sondern die Tatsache, daß er einen richtigen Flügel braucht. Und den haben wir nicht bei uns. Mit einem elektrischen Klavier kann er nicht spielen, zumindest nicht so, wie es seinem experimentellen Stil entspricht.
* französisch hatte er 7 Jahre lang in der Schule, aber seine Erinnerungen daran waren nicht mehr ganz so frisch.
3 Kommentare :
Doro kommt im Herbst nach Paris, am 21/10/2011 um 18h30 spielt sie im Alhambra. Ich hab' allerdings schon was anderes vor ;-)
Uschi A. aus P.
ein sympathischer kerl, dieser herr hauschka, ohne mache, ohne getue. die musik: erste sahne. und live auch noch deutlich besser als auf tonträger.
Uschi, bleib' bitte beim Thema :)
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