Mittwoch, 15. September 2010

Deer Tick & Phosporescent, Paris, 14.09.10


Konzert: Deer Tick & Phosporescent

Ort: Le Café de la Danse, Paris
Datum: 14.09.10
Zuschauer: nicht ausverkauft
Konzertdauer: Deer Tick gute halbe Stunde, Phosporescent fast 90 Minuten


Deer Tick und Phosorescent im Doppelpack! Line-up* des Jahres, oder etwa nicht? Als Veranstalter eines Folkrock-Festivals hätte ich die beiden Acts zumindest auch bedenkenlos verpflichtet. Leider wurden die hohen Erwartungen aber nicht erfüllt. Deer Tick waren behäbig und wenig charismatisch, der Sänger angeblich grippeschwächt und die danach folgenden Phosporescent zumindest in der Anfangsphase einschläfernd. Matthew Houck und seine Mannen berappelten sich dann gegen Ende aber noch und überzeugten im eine halbe Stunde (!) lang dauernden Zugabenteil mit fetzigem Folkrock. Stimmgewaltig wie ein Justin "Bon Iver" Vernon oder ein Robin "Fleet Foxes" Pecknold ist Matthew aber beileibe nicht. Und glaubt den Vergleichen mit Will Oldham nicht. Phosporescent der neue Bonnie Prince Billy? Niemals!

Für diejenigen, die ausführliche Konzertberichte schätzen:

Ich hatte mir einen der Konzertabende des Jahres versprochen. Jesse Sykes, Deer Tick, Phosporescent, wow, was für ein Programm! Dann aber musste Jesse Sykes kurzfristig absagen. Zu verkraften, denn mein Hauptaugenmerk galt eh den andern beiden Acts. Gerade auf die Amerikaner Deer Tick freute ich mich wie Bolle, ihr erstes Album War Elephant mit den Überhits Baltimore Blues Number 1 und These Old Shoes lief bei mir seit Monaten rauf und runter. Auch der Neuling (The Black Dirt Sessions) mit dem roten Cover soll famos sein. Ich habe ihn schon seit Juli bei mir im CD-Regal, konnte ihn aber bisher aus Zeitgründen (soviele CDs, die darauf warten gehört zu werden, sie schreien mich förnlich an!) nur einmal kurz laufen lassen. Aber auch auf Phosporescent war ich tierisch heiß, denn die guten Albenkritiken für die letzten Outputs überschlagen sich geradezu.

Logisch, daß ich mit saumäßig Vorfreude im (dicken) Bauch ins Café de la danse fuhr. Besonders früh war ich nicht dran, da ich zu Hause meiner Frau noch beim Gitarrenunterricht zugesehen hatte. Meine Süße nimmt jetzt Stunden auf der Akustischen und ich war neugierig auf ihre Fortschritte. Ich kam also erst gegen 20 Uhr/15 am Ort des Geschehens an und hörte und sah zu meiner Verblüffung bereits Deer Tick in Aktion. Ich war fest davon ausgegangen, daß sie Headliner sind und Phosporescent eröffnen würde, denn der Bandname Deer Tick war auf den Flyern und den Tickets deutlich fetter gedruckt. Ohne Vorspiel ging es also gleich in die Vollen. Dachte ich zumindest. Davon konnte aber keine Rede sein. Statt eines dynamisch-feurigen Auftritts, sah ich eine eher schüchtern und zurückgenommen agierende Truppe junger Amerikaner, die den großen Auftritt nicht gewohnt zu sein schien. Mein Auge fiel auf den tätowierten Sänger der Band. Er war hager und wirkte kraftlos. Später erfuhr ich, daß er unter einer Grippe leide und deshalb so platt war. Verflucht! Ich war mir ganz sicher, auf total wilde und vor Spielfreude strotzende Typen zu treffen und dann so was! Keine Dynamik, keine nonverbale Kommunikation unter den Bandmitglieder, nichts. Lediglich der Drummer ragte heraus. Beim abschließenden , von ihm intonierten Song, trommelte er wie ein Derwisch und ließ endlich einmal so etwas ähnliches wie Stimmung in dem recht leeren Café de la danse aufkommen. Zuvor hatten die Newcomer mit Baltimore Blues Number 1 zumindest einen meiner Lieblinge gespielt, auf den aktuellen Hit Twenty Miles und den Schunkler These Old Shoes wartete man aber vergeblich. Schade, schade, denn das Repertoire an guten Stücken ist jetzt schon beeindruckend und Sänger John McCauley III hat so eine herrlich verrauchte, nonchalante Stimme.

Aber egal, ich werde sie mir heute akutisch im Showcase im Fargo Store in Paris ansehen, da wird es sicherlich besser werden.

Um 21 Uhr standen Phosphorescent bereit. Eigentlich das Projekt eines Mannes, Matthew Houck, bedarf es zur Liveumsetzung der Songs 4 Musiker. Houck hat in den letzten beiden Jahren einen kometenhaften Aufstieg hingelegt, zumindest was das Kritikerlob betrifft. Seine Outputs To Willie (2009), ein Tributalbum für Willie Nelson und Here's To Taking It Easy (2010) heimsten Sterne en masse ein. Dabei verfügt der bärtige Lulatsch mit den Cowboystiefeln und dem exzentrischen Armband (welche Steine sind das? Jade?) nicht unbedingt über die Sensationsstimme eines Robin Pecknold oder eines Ben Bridwell. Sein brüchiges Kelchen trifft aber dennoch den Nerv vieler Folkfans.

Die Erwartungshaltung war ob der Lobhuldigungen also groß, aber der Anfang der Show gestaltete sich leider recht zäh, stockend und zahnlos. Es gab Tonprobleme, Matthew war noch nicht warm gesungen und seine Begleitband wirkte abgesehen von dem wild headbangenden Keyboarder behäbig und steif. Ich langweilte mich. Lediglich der Anblick einer vollbusigen Schönheit mit engem Top in meiner Nachbarschaft hielt mich wach. Ich bewegte mich trotzdem zu den Sitzplätzchen und hielt ein Nickerchen. Die Show rauschte an mir vorbei. Inzwischen war fast eine Stunde gespielt, als die betörende Ballade Wolves erklang. "They tumble and fight and they're beautiful, on the hilltops at night, they are beautiful". Beautiful dieser Song, in der Tat!

Aber gerade als ich endlich warm geworden war, zogen die fünf Musiker von dannen. Wenn das jetzt alles gewsen sein sollte, wäre ich recht enttäuscht gewesen. Aber die Kerle kamen zurück und wie! Der Zugabenteil sollte insgesamt eine halbe Stunde dauern, fast halb so lang wie das reguläre Konzert! Und was für ein berauschendes Finish das war! Zunächst trug Matthew alleine einen wunderschönen Coversong vor (welchen genau? wenn ich das bloß wüßte!) der von Cocaine Lights gefolgt wurde, bevor zu Stück drei der Nachspielzeit die Gruppe zurück kam. Nun wurde phasenwesie richtig gerockt. Die Jungs trugen unter anderem das tolle Los Angeles vor und beendeten ihr Set wild auf den Gitarren schrammelnd. Der forsche zweite Teil hatte den eher mauen Teil vergessen lassen und somit konnte ich doch noch ein positives Fazit ziehen. Phosphorescent muss man im Auge behalten, obwohl die himmelhochjauchzenden Kritikerergüsse viellicht etwas überzogen sind.


1 Kommentare :

E. hat gesagt…

allerdings ein doppelpack nach meinem geschmack. nun bin ich umso neugieriger auf deinen bericht.

 

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