Mittwoch, 7. November 2012

Band Of Horses, Paris, 06.11.12


Konzert: Band Of Horses
Ort: Le Trianon, Paris
Datum: 06.11.2012
Zuschauer: etwa 1000? nicht ganz ausverkauft
Konzertdauer: 96 Minuten 


Ich bin eben kein cooler Hipster aus Brooklyn, so viel scheint nach dem sensationellen Konzert der Band Of Horses in Paris klar.



War ich noch am Wochenende zuvor auf dem Pitchfork Festival Paris mit experimentellen, synthetischen und oft unhörbaren Klängen über alle Maßen traktiert worden (wer hält es eigentlich aus, ungefragt mit  Acts wie Factory Floor, Death Grips, Liars, Fuck Buttons oder gar Robyn und Sebastian Tellier beschossen zu werden? eine auditive Vergewaltigung sowas!) ging es an diesem Montag deutlich bodenständiger zu.

Bei der Band Of Horses gab es kein übercooles Publikum, keine arroganten Schnösel und auch keine Modenschau der Eitelkeiten, sondern angenehme, feierfreudige Zuschauer aller Altersklassen, wobei erfreulicherweise viele junge, hübsche Mädchen darunter waren. Also nicht nur Bauernlümmel mit Amerika-Nostalgie oder Sozialkundelehrer mit Frau Gemahlin, wie man das befürchten durfte. Nein, spießig waren sie nicht, die Leute, die eine Karte für die Band Of Horses gekauft hatten. 

Dabei ist die Musik der Truppe um den integral tatöwierten Sänger Ben Bridwell zugegebenermaßen immer mal wieder recht hausbacken und mit amerikanischen Klischees versehen. Und Bridwell selbst würde ja perfekt als Marlboro-Mann durchgehen, noch von weitem hat man den Verdacht, daß es unter seinen Cowboystiefeln nach Kuhmist riecht. Von den kitschigen Landschaftsvideos mit den Wasserfällen und den Sonnenuntergängen ganz zu schweigen.


Aber ich glaube, daß die BOH die ganze Sache auch mit einem Augenzwinkern versieht. Sicherlich sind sie stolz auf ihr Land und ihre atemberaubend weiten Landschaften, aber zum Teil spielen sie natürlich auch die Rolle der typischen Amis, gerade in Europa. Ich denke das Publikum will das jetzt so, würde es nicht hinnehmen, wenn sie sich plötzlich rasierten und wie Interpol in Anzügen rumstehen würden. Passte ja auch nicht zu der Musik, die sich zwar modernem Mainstreampop nicht verschließt, aber auch immer wieder stark nach Southern Rock klingt. Gerade die Anfangsphase, in der Bridwell beim ersten Lied For Annabelle Mundharmonika spielte und der dicke Keyboarder Ryan Monroe danach bei Motors seine Orgel aufbrausen ließ, klang so gar nicht nach Europa. Ihre Herzschmerzballade No One's Gonna Love You, die deutlich später kam, hingegen wesentlich mehr. Ein solches Lied könnte theoretisch auch von Coldplay kommen.

Southern Rock gemischt mit Coldplay. Pfuiteufel?! So was soll gut sein? Und gut als was? Als Brechmittel? Hmm, mag sein, daß das manchen hilft, ihr Abendessen in die Toilette zurückzugeben, mir aber hat die Sache so viel Spaß wie lange nicht mehr gemacht. Mehr noch, ich kam saumüde hin und ging total berauscht wieder heraus!

In einer Spielzeit, in der ein Fußballmatch mit Nachspielzeit über die Bühne geht, haben die zünftigen Buben da oben ein Wahnsinnskonzert abgeliefert. Hier gab es alles was das Herz begehrt. Fetzige Folkrocksongs mit der Kraft der drei Gitarren (Is There A Ghost, Weed Party, Laredo), herzeißende Balladen, bei denen auch ein Cowboy schwach würde (Infinite Arms, On My Way Back Home, No One Is Gonna Love You, Slow Hands Cruel Down) und hochmelodiöse Powerpopsongs (Cigarettes, Weddings Band, Ode To LRC, Islands On The Coast), die auch die Shins so ähnlich schreiben würden. All diese vorgetragen mit der unfassbar markanten Falsettsimme von Ben Bridwell, der sich komplett verausgabte, schwitzte wie ein Schwein, aber sichtbar unglaublichen Spaß an der Sache hatte ("wow, this is fun!", rief er einmal beglückt aus). Seine Band spielte ebenfalls wie aus einem Guss und Keyboader Monroe durfte sich bei dem The Hour Glass Cover Ain't No Good sogar als Hauptsänger hervortun (das klang dann irgendwie wie I'm Still Standing von Elton John und war trotzdem dufte). Schade, daß der baumlange Taylor Ramsay nur ab und zu auch mal im Vordergrund singen durfte, denn der Bursche trällert ebenfalls sehr hübsch und bringt auch solo Platten auf den Markt. Er erwies sich wieder einmal als Teamplayer, agierte in einer Ecke versteckt dezent aber hocheffizient seinen Part und überließ dem temperamentvollen Bridwell die Show. Der ließ sich nicht lange bitten, wenngleich die größte Showeinlange wirklich immer seine Stimme war. Wie er da hoch und mit voller Inbrunst mit weit aufgerissenem Mund greinte, ja fast heulte wie ein angeschossener Wolf, das verschlug mir glatt den Atem. Als er No One's Gonna Love You vortrug, herrschte absolute Stille, Pärchen hielten sich in den Armen (Romantik, noch so ein Klische, herrlich!) und alle guckten feierlich und mit leicht verheulten Augen nach vorne, wo nur Bridwell und Ramsay im Einsatz waren, während sich die anderen Musiker ausruhten. Diese reduzierte Ballade war eine gelungene Abwechslung zu den vielen lauten Rocksongs mit den superfetten Gitarren und dem prägnanten Orgelsound. Aber es gab auch ein paar Songs, die stilistisch genau dazwischen lagen, wie das wundervolle Infinite Arms, das als Ballade anfing und als wütender Rocker endete (im Gegensatz zur Albumversion wo es durchgängig ruhig bleibt). Diese Abwandlung der Stücke im Vergleich zur Studioversion war dann auch eine der großen Stärken der Show. "We allways change the songs a bit, to keep them fresh and new" erklärte Ben hierzu und er hatte absolut recht und dies im positiven Sinne.  Der Opener des neuen Albums Knock Knock gefällt mir in der Konserve nicht so sehr, zog aber heute beim Livekonzert wahnsinnig gut und reihte sich ein in die lange lange Liste der hammermäßig tollen Songs, zu denen sich mit auch zwei Coverversionen gesellten.


Verdienter Lohn für so viel Ohrenschmaus und Einsatzfreude war ein donnernder Applaus nach dem ersten Abgang nach etwa 80 Minuten. Die Leute trampelten mit den Füßen auf den Boden, was auf dem Parkett des Trianon einen besonders lauten Lärm erzeugte. Folgerichtig wurde der Gig dann auch noch einmal um eine Viertelstunde verlängert und mit Heartbreak On The 101 (kitschig, aber toll) kam ein besonders bemerkenswertes Lied vom neuen Album. Hier  sang Bridwell interessanterweise auch den tiefen, verrauchten Anfangspart, bevor er später wieder in sein gewohntes Falsett verfiel. Beim Hören der Platte hatte ich immer gedacht, daß zwei Sänger an diesem Titel beteiligt gewesen wären.

Der Abschluß mit The General Specific (wie immer auf der getippten Setlist mit Writers vermerkt, warum auch immer) dann wieder sehr amerikanisch angehaucht. Sie wollten eben mit einem positiven, stimmungsvollen Lied beenden, so Bridwell lächelnd. Der Saal nahm das Stück dankend auf, sang und klatschte ausgelassen mit. Eigentlich eher eine Unsitte, passte das hier perfekt und rundete den unfassbaren tollen Abend gelungen ab.

Coolness- Faktor 0, Spassfaktor 10. Konzert des Jahres, ganz klarer Fall!!! Was soll da sonst noch kommen?

Setlist Band Of Horses, Le Trianon, Paris

01: For Annabelle
02: Electric Music
03: Aint No Good
04: The Great Salt Lake
05: Is There A Ghost?
06: Weed Party
07: Islands On The Coast
08: On My Way Back Home
09: Cigarettes, Wedding Bands
10: Everything Is Gonna Be Undone
11: Laredo
12: Older
13: Slow Cruel Hands Of Time
14: No One's Gonna Love You (Duo)
15: Don't Ya Take It Too Bad (Townes Van Zandt Cover)
16: Knock Knock
17: Ode To LRC
18: The Funeral

19: Heartbreak On The 101
20: Snow
21: Infinite Arms
22: The General Specific


Aus unserem Archiv: 

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2 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

So viele glückliche Gesichter auf Deinen Fotos - da muss ich unmerklich auch mit lächeln beim anschauen!

brigitte link hat gesagt…

Toller Artikel,tolle Band,auch ich war begeistert von ihrem berlinkonzert Love you mum and verirrt Sorry

 

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