Montag, 12. November 2012

Festival des Inrocks, Paris, 07.11.12


Konzert: Festival des Inrocks 2012
Ort: La Cigale
Datum: 7.11.2012
Zuschauer: ausverkauft, bzw. fast ausverkauft (8.11)
Konzertdauer: Daughter noch nicht einmal 30 Minuten, Lambchop 52, Tindersticks 55 Minuten



Wieder einmal Festival des Inrocks in Paris, dieses Mal gesponsort von Volkswagen. Deutsche Bands gab es dennoch keine, was aber nicht weiter schlimm war. In der 25 jährigen Geschichte dürften ohnehin noch nicht viele (noch keine?) Gruppen aus l'Allemagne angetreten sein. Interessanterweise sind aber auch die französischen Formationen eher rar gesät. Die Zeitschrift Les Inrockuptibles, kurz les Inrocks, mag es international und lädt deshalb vor allem Gruppen aus England und Amerika ein. Dennoch ist es ein sehr französisches, in insgesamt 7 Städten stattfindendes Clubfestival, ganz im Gegensatz zum Pitchfork. Das Publikum ist typisch pariserisch und es wimmelt nur so vor bohème bourgoise, kurz bobos, Leuten die für Indielabel arbeiten und vor Journalisten  und Bloggern aus der Seinemetropole.


Den Abend in der wundervollen Cigale mit Lambchop und den Tindersticks wollte natürlich jeder sehen, wenngleich der Gig erst zwei Tage vorher ausverkauft wurde.

Um 19 war es in meiner Abwesenheit mit der französichen 10er Kapelle Mermonte losgegangen, die rein instrumental agierte und damit viele langweilten.


Zu Daughter um 19 Uh 45 war ich aber pünktlich mit dabei. Es galt die guten Eindrücke vom Auftritt beim Haldern Pop Festival bestätigt zu bekommen. Gespannt wartete ich darauf, daß es endlich losging und ich stand glücklicherweise auch sehr weit vorne, um alles ganz genau mitzubekommen. Dann ging das Licht aus und die jungen Briten um die schwarzhaarige Bobfrisur Trägerin Elena Tonra marschierte fast lautlos ein. Eine stille Truppe, diese Daughter, sehr bescheiden und angenehm, aber nicht wirklich charismatisch, obwohl Christoph das in seinem Bericht aus Luxemburg  anders gesehen hat. Dafür sind sie einfach noch viel zu schüchtern und es ist fast bezeichnend, daß sich die Sängerin hinter ihren Haaren versteckt und man nur ganz selten ihre Augen sieht. Oft kicherte sie in sich hinein, überließ das Reden aber sonst dem Hütchen tragenden Gitarristen, der extrem gut französisch sprach. Viel Zeit zum Plaudern gab es aber nicht, denn die Spielzeit war extrem kurz bemessen. Noch nicht einmal 30 Minuten lang durften Daughter zeigen, was sie drauf haben.




Aber was hatten sie denn drauf? Gab es bei ihnen irgend etwas zu hören, was man bisher noch nicht kannte? Nein, das bei aller Liebe nicht. Der sehr klare und ungemein schöne Gesang von Elena erinnerte auch vor allem hinsichtlich der Betonung der einzelnen Wörter an Laura Marling, Lucy Rose, Emmy The Great oder Tiny Ruins, während die epischen Gitarren so oder so ähnlich auch bei Post Punk Bands wie Interpol oder Postrockbands wie Explosions In The Sky zu hören sind. Nichts Neues also, aber Altbekanntes wurde äußerst wohlbekömmlich zusammengerührt. Das war hübscher Folk mit Postrockelementen, ganz der Moderne verpflichtet. Erdig klang hier nix, eher dreampoppig und der Einsatz der akustischen Gitarre kam konsequenterweise eher selten vor. Der Aufbau der Lieder ähnelte sich. Nach langsamen Beginn, spitze sich die Atmosphäre zu, wurde dichter und intensiver und am Ende gab esfast wie auf Bestellung das große Finale wütender Gitarren und erregter Schlagzeugsalven. Diesbezüglich dachte ich deshalb auch an die Band Lanterns On The Lake

Letztlich war das ein Sound, der in aktuellen britischen Folk- und Dreampopszene förmlich in der Luft lag, der aber bisher noch von keiner jungen Band so bezaubernd, charmant und elegant umgesetzt wurde.

In einem sehr ausgewogenen Set schoss das letzte Stück Home den Vogel ab. Hier wurde die Leise-Laut- Formel so perfekt dargeboten, das selbt Skeptiker zumindest über dieses Stück jubelten. "Mir alles ein bißchen zu ruhig, das letzte Lied war aber super", diesen (oberflächlichen) Spruch hörte man  hinterher gleich mehrfach.

Setlist Daughter, Festival des Inrocks 2012

01: Landfill
02: Love
03: Candles
04: Youth
05: Tomorrow
06: Home


Wem Daughter zu ruhig waren, der muss sich bei Lambchop erst recht gelangweilt haben. Die nach den Briten startende Band aus Nashville, spielte durchgängig leise auf, was Fans aber natürlich wussten. Mich störte das nicht im Geringsten, ich genoß diese Entschleunigung in vollen Zügen, war begeistert von den süß-sauren Stories des tief und gestenreich intonierenden Käppiträgers Kurt Wager und hatte auch viel Spaß an der feinen Instrumentierung mit Klarinette, Saxophon, Kurzweil und einem gerührten Schlagzeug. 



Es war wirklich ein Konzert für Kenner und Genießer, die die Geduld aufbrachten, in Ruhe zuzuhören, zu relaxen und  alles andere auszublenden. Dies gelang mir und ich tauchte tief ein in die herrlich warme Atmosphäre dieser sentimentalen, warmherzigen und trostspendenden Lieder, die fast alle vom aktuellen Album Mr. M stammten, in dem es einen starken Bezug zum Tode von Vic Chesnutt gibt. Ich besitze dieses Machwerk gar nicht, bin aber nun fest entschlossen, es mir schleunigst zuzulegen, um mich mit eleganten Kleinoden wie Kind Of, Gone Tomorrow oder Mr. Met zu belohnen. Mr. Met war eines der auffälligsten Stücke, bei dem es sogar am Ende eine richtige Tempobeschleunigung gab, die die Ruhe kurzzeitig beendete. Lautestes Stück war aber Nothing But A Blur From A Bullet Train von dem Album Aw C'Mon, bei dem es Kurt Wager fast nicht auf seinem Stuhl hielt. Ohnehin rotierte der Brillenträger ständig herum und ich fragte mich, warum er eigentlich nicht im Stehen performte, bei seinem Temperament. Er freute sich sichtlich über den tosenden Applaus nach jedem Lied und in einer bemerkenswerten Szene feuerte er die Leute sogar an, noch viel lauter zu werden. Beim endgültigen Abgang nach gut 50 Minuten klatschte er fest in die Hände, ließ sich feiern und schien ziemlich gerührt von dem warmherzigen Empfang.


Er und seinen Band bekamen diesen vollkommen zu recht, das war ein ganz ausgezeichnetes Konzert!

Setlist Lambchop, Festival des Inrocks 2012

01: Kind Of (Mr. M)
02: Gone Tomorrow (Mr. M)
03: Nothing But A Blur From A Bullet Train (Aw Cmon)
04: If Not I'll Just Die (Mr. M)
05: 2B2  (Mr. M)
06: Interrupted (What Another Man Spills)
07: Mr. Met (Mr. M)
08: The New Cobweb Summer (Pet Sound Sucks)
09: Nice Without Mercy (Mr. M)


Tja und dann kamen noch die Headliner Tindersticks aus England. Vielgerühmt ist deren Eleganz und Klasse und die tiefe Grabesstimme von Sänger Stuart Staples wird von Fans auch immer wieder mit euphorischen Kommentaren bedacht. Auch ich hatte die seit fast 20 Jahren bestehende Band aus Nottingham schon einmal in ausgzeichneter Verfassung erlebt, erinnere mich aber auch an einen anderen Auftritt im Bataclan, bei dem ich mich phasenweise gepflegt gelangweilt habe. Ist halt eben Altherrenmusik, genau wie Lambchop auch, selbst wenn die Tindersticks deutlich rockigere Stücke im Repertoire haben als die Gruppe von Kurt Wagner. Heute in der Cigale bekamen wir eine Mischung geboten, dynamischere Titel hielten sich mit geruhsameren Tracks die Waage. Letztlich war es eine Darbietung ihres aktuellen Albums The Something Rain + 3 Stücke aus dem Backkatalog.


Highlighst waren für mich die flotteren Sachen, allen voran This Fire Of Autumn und Frozen. Anders als auf dem Album gab es glücklicherweise keine weiblichen souligen Backgrondgesänge, unnötiger Zierrat wurde hier also weggelassen. Dennoch war die Instrumentierung gewohnt fein und ausgewogen und mein besonderes Interesse galt dem Drummer in seinem schicken Anzug, der ganz lässig seinen Part spielte und dabei Können und Klasse bewies.


Unbedingt Erwähung finden muss auch noch der vom Album Simple Pleasure stammende Song I Know That Loving. Die Atmospähre war hierbei so herrlich knisternd und siedend heiß, die Gitarren so düster und gefahrverheißend.


Auch toll der Sleepy Song, der zwar seinem Namen gemäß wahnsinnig verschlafen anfing, aber mit seinem fantastischen Trompetenpart auftrumpfen konnte.

Ingesamt spielten die Tindersticks knapp eine Stunde, verweigerten aber den heftig klatschende Fans eine Zugabe.

Unter dem Strich ebenfalls ein gutes Konzert, wenngleich mir Lambchop an diesem Tag einen Tick besser gefallen haben

Setlist Tindersticks, Festival des Inrocks 2012

01: If You Are Looking For A Way Out (Simple Pleasure)
02: Show Me Everything (neu)
03: This Fire Of Autumn (neu)
04: A Night So Still (neu)
05: Sleepy Song
06: I Know That Loving (Simple Pleasure)
07: Slippin' Shoes (neu)
08: Frozen (neu)
09: Come Inside (neu)
10: Goodbye Joe (neu)




 

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