Freitag, 29. Februar 2008

Band Of Horses, 28.02.08


Konzert: Band Of Horses

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 28.02.2008
Zuschauer: seit langem ausverkauft



Den Jahreswechsel habe ich in Los Angeles verbracht. Schon im Januar ist es sehr angenehm dort, die Sonne lacht aus allen Ritzen, man kann in Santa Monica am Strand spazieren gehen (zum Bade
n ist es natürlich selbst dort zu kalt), oder sich in eines der Cafés an der Promenade setzen und den Straßenmusikern zuhören. Und die sind oft gar nicht mal schlecht. Einer dieser Typen mit Gitarre und Cowboyhut hatte es mir ziemlich angetan. Zwar bestand sein Repertoire meist aus Coversongs, aber mit welcher Inbrunst er "Like A Rolling Stone" von Bob Dylan schmetterte, ließ mich nicht kalt. "How does it feeeel, How does it feel, to be without home, like a complete unknown, like a Rolling Stone". Der Typ hatte schon etwas leicht pennerhaftes, der Alkohol hatte seine Gesichtszüge rötlich verfärbt, aber er legte so viel Herzblut in die gesungenen Texte, daß es eine Wonne war. Er hatte mein Herz erreicht und war im besten Sinne so, wie man sich einen Folkmusiker vorstellt: Authentisch.

Eigentlich hatte ich diesen Straßenmusikanten fast schon wieder vergessen, aber heute beim Konzert der Band Of Horses, mußte ich wieder an den Burschen denken. All diese bärtigen Kauze in Amerika scheinen wohl den Southern Rock mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Sie sind großgeworden mit Elvis, Creedence Clearwater Revival, The Band, den Allman Brothers, Bruce Springsteen etc.

Ben Bridwell, der Sänger mit der unglaublichen Stimme von der Band Of Horses, hat insofern sicherlich ähnliche Wurzeln wie die Folksänger der Strandpromenaden, oder der urigen Kneipen der USA. Und trotz des immer weiter steigenden Erfolges der Gruppe wirkt er trotzdem noch so wie "mein" Straßenmusiker aus L.A.: Authentisch und voller Herzblut. Jemand der seine Musik lebt, in ihr aufgeht, sich sprichwörtlich die Seele aus dem Laib schreit.


Auch der mützetragende Sänger der Vorgruppe Cave Singers legte sich stimmlich ins Zeug, auch sein Gesangesorgan war sehr eigen und die von der dreiköpfigen Band vorgetragenen Stücke erdig und voller Wärme. Ich kannte sie bloß nicht und insofern gab es nicht den in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzenden Wiedererkennungseffekt. So richtig warm wurde ich deshalb erst beim letzten Stück, das schneller und packender als die vorangegangenen war. Trotzdem: Ich werde die Band, die mich irgendwie entfernt an die Two Gallants erinnerte, im Auge behalten. Uninteressant sind die folkig-bluesigen Kompositionen der Band nämlich auf keinen Fall.

Danach dann aber ein gespanntes Warten auf die Helden des Abends. Würde mich die Band Of Horses begeistern können? Sind sie vielleicht inzwischen schon zu bekannt geworden, zu abgehoben, zu weit von ihren Wurzeln entfernt?, fragte ich mich ein wenig bange.

Schon der erste Titel wischte meine Zweifel eindrucksvoll beiseite. Trotz des inzwischen ziemlich bombastischen Gitarrensounds - heute waren gleich drei davon + ein Bass im Einsatz - war hier eine Band am Start, die nach wie vor hundert Prozent hinter ihrer Musik steht. Sänger Ben Bridwell war zwar längenmäßig der kleinste Musiker des Sextetts, aber durch seinen ergreifenden Gesang und sein Gitarrenspiel stand er von Anfang an im Mittelpunkt des Interesses. Ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen, obwohl er eigentlich alles andere als ein im konventionellen Sinne attraktiver Mensch ist. Mit seinem langem, wie angeklebt aussehenden Rauschebart, den hageren Gesichtszügen und den abgesägten Mxäusezähnchen, könnte man ihn glatt für einen Clochard halten. Träte er in der Pariser Metro auf, man würde ihm Kleingeld in den Hut werfen...

Aber zum Glück kommt es nicht nur auf die äußere Erscheinung an! Für mich war der gute Ben nämlich heute der strahlendste Stern am Musik-Himmel. Wenn er sein spitzes Mündchen öffnete, floß süßester Nektar und sein greinender, überaus lauter und eindringlicher Gesang war ein Frontalangriff auf meine Sinnesorgane. Ich war von den Socken und völlig begeistert und dies von Beginn an. Wie gebannt beobachtete ich, wie Ben beim Singen seinen Kopf nach hinten warf, die Backen wie ein Walroß schüttelte und alles in die Waagschale warf, was er zu bieten hatte. Er schien in einem hypnotischen Zustand zu sein, alles um sich herum zu vergessen. Wahnsinn! Der erste Titel (bezeichnenderweise "The First Song") war verklungen, das ganze Publikum noch überwältigt von dem die letzte Ritze der Maroquinerie ausfüllenden Gesang und was passiert? "Can I have more vocals, please?" Wie bitte? More vocals? Wollte Ben etwa die nicht vorhandenen Glasscheiben im Stile eines Oskar Matzerath zum Bersten bringen? Oder seine Bierflasche platzen lassen?

Die Techniker folgten dem Befehl und weiter ging es mit "noch mehr vocals". "I could Sleep, I could sleep, I Could Sleep, I Could Sleep, when I lived alone, is there a ghost in my house?, die ersten Zeilen des Hits "Is There A Ghost" wurden angestimmt, bevor kurze Zeit später zum ersten Mal die Pferde so richtig gallopieren durften. Mir wurde klar, woher die Gruppe ihren Namen hatte. Wenn die Gitarre losdonnern und das Schlagzeug schneller und schneller trommelt, hat man wirklich das Gefühl, als würden Wildpferde lospreschen und ihre Freiheit genießen. Bilder wie in einem Film liefen vor meinem geistigen Auge ab, ich sah weite, majestätische Landschaften, Berge, weite Steppen...

Oder auch große Salzseen. Passte ja auch zu "Great Salt Lake", daß nun an der Reihe war und ebenfalls begeisterte, vor allem mit seinem tollen Refrain und den hochmelodischen Gitarren. Ein stürmisches "Islands On The Coast" folgte, bevor mich bereits die ersten melancholischen Klänge von "No One's Gonna Love You" auf Wolke sieben katapultierten. "But No One Is Ever Gonna Love You More Than I Do", ich glaubte Ben aufs Wort. Traumhaft! Ein gutes Lied jagte das nächste (u.a. "Wicked Gil, "Islands On The Coast"), Höhepunkte herauszuheben war insofern nicht leicht. Vielleicht "Wicked Gil, dieses Glanzstück des ersten, sehr guten, Albums? Könnte man nennen, vorzugswürdiger erscheint mir aber "Cigarettes, Wedding Bands" ein lospreschendes, mitreißendes Stück, das auch die Shins nicht besser hinbekommen hätten, "ladida-Passagen" inklusive. Danach gab's eine Cover-Version von Creedence Clearwater Revival, die ich nicht kannte (Southern Rock, davon sprach ich doch am Anfang!), bevor eine junge Frau mit einer bunt-lackierten Harfe auf die Bühne kam. Das Teil sah mit seiner verschiedenen knalligen Tönen aus, wie ein getunter Manta, aber es kamen schönere Töne heraus. Aber bei welchem Stück gibt es eine Harfe? - Das Publikum sollte es bald wissen, denn es ertönte der Hit vom ersten Album, "The Funeral". Spätestens als die lauten Gitarren einsetzten, hörte man von der Harfe nicht mehr viel, aber der Effekt war trotzdem da. Das junge Fräulein blieb auch noch zur ersten Zugabe (der schönen Ballade "Monsters"), zu der Ben sich auf ein Stühlchen gesetzt hatte und an diesem komischen Waschbrett spielte, was die Contry-Musiker immer benutzen. Danach dann noch "Weed Party", das mich immer ein wenig an die New Pornographers erinnert und zwei weitere Zugaben und ein fulminantes Konzert hatte nach satten 80 Minuten seinen Abschluß gefunden. Ben reckte den Arm in den Himmel, jubelte wie ein Fußballer, der gerade einen Elfer im gegnerischen Tor versenkt hat und verschwand mit seinen fünf Kumpels (von denen der eine, der beleibte Keyboarder, auch einen wunderbar gesungenen Titel beigesteuert hatte) unter riesigem Applaus.

Spitzenmäßig!!!

Setlist Band Of Horses, La Maroquinerie, Paris:

01: The First Song (The Snow Song)
02: Is There A Ghost
03: The Great Salt Lake
04: Islands On The Coast
05: No One's Gonna Love You
06: Wicked Gil
07: Ode To LRC
08: 13 Days (J.J. Cale Cover)
09: Older
10: Marry Song
11: Cigarettes, Wedding Bands
12: Effigy (Creedence Clearwater Revival Cover)
13: Funeral

14: Monsters
15: Weed Party
16: The General Specific
17: Act Together (Ron Wood Cover)

Die vorzüglichen Bilder stammen von Robert Gil.
Seine Webseite sollte man sich unbedingt ansehen. Merci, Robert!

Ausgewählte Konzerttermine der Band Of Horses:

29. Februar 2008: Köln
01. März 2008: Amsterdam (Paradiso)
02. März 2008: Hamburg (Knust)
4-8. März 2008: Skandinavien
10. März 2008: Berlin (Columbia)
11. März 2008: Frankfurt (Mousonturm)
13: März 2008: Zürich (Abart)
14. März 2008: Lausanne (Romandie)
15. März 2008: Brüssel (Botanique)



3 Kommentare :

E. hat gesagt…

mir ist dieser satte, hymnische sound zu fett, zu organisiert. das klingt ausgefeilt bis in den letzten notenschlüssel. da ist es für mich kein wunder, dass der - vom zuschauer aus gesehen - rechts stehende gitarrist, klein und bullig, schnell ins schwitzen kommt. der sieht nämlich aus, als wolle er von der leine.

Oliver Peel hat gesagt…

Verstehe Deine, Kritik, Eike. Der Refrain in den einzelnene Liedern kommt oft wie auf Bestellung, es wird nicht um die Ecke gespielt, der Sound ist bombastisch und möglicherweise tritt die Band Of Horses bald in Stadien auf.

Aber: Im Gegensatz zu einigen Singer/Songwritern aus dem Bereich Folk, die zwar ein anspruchsvolles Set bieten, aber oft ehrlich gesagt ziemlich langweilen, bleibt bei der Band Of Horses wirklich was hängen.

Ja, der Sound ist fett und organisiert, stimmt. So what? Kaum eine Band hat so famose Melodien zu bieten, so viele Hits. Und wer außer dem Typ von My Morning Jacket hat noch so eine geile Stimme in der Musik-Szene?

Nein, nein, auf meine Band Of Horses laß ich nichts kommen. Das war eines der besten und bewegendsten Konzerte, daß ich je gesehen habe! Und ich gehe auf viele Konzerte...

E. hat gesagt…

originär sind sie und deshalb lass ich einen vergleich mit 'anderen' folkern auch nur ungern zu. dennoch kommen sie aus dieser ecke und ich wäre glücklicher mit ihnen, wenn sie sich etwas weniger steril gäben.
und wenn ich kritisiere, oliver, heißt das noch lange nicht, dass deine vorlieben in abrede gestellt würden. in diesem sinne: bist du schon in den besitz von sheehy alben gekommen?

 

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