Samstag, 24. November 2012

The xx, Esch-sur-Alzette, 23.11.12


Konzert: The xx (& Austra)
Ort: Rockhal, Esch-sur -Alzette (Luxemburg), Sonic Visions
Datum: 23.11.2012
Dauer: The xx gut 70 min, Austra 38 min
Zuschauer: vielleicht 2.500 (nicht ausverkauft, bei xx aber recht gut gefüllt)



Bisher habe ich noch nie einen Konzertbericht vorgeschrieben. In einem meiner Lieblingsbücher ("Stories we could tell" vom ehemaligen NME-Journalisten Tony Parsons) kostet ein Phantasie-Konzertbericht einen der Helden des Romans seinen Job, also schreibe ich nur über Dinge, die ich erlebe, der Rest ist zu riskant. Trotzdem war ich auf dem Weg nach Esch sehr sicher, wie mein Artikel über den Auftritt von xx sein würde. Der Abend würde mich langweilen, der Zauber, vielleicht nur das Neue der Band von vor ein paar Jahren, wäre weg. Ich hätte, wie immer, wenn mir eine Gruppe nicht mehr gefällt, die groß geworden ist, zu erklären, daß meine flötengegangene Liebe nichts mit dem mittlerweile großen Erfolg der Band zu tun hätte. Daß Musiker, die plötzlich im Radio laufen, oft in meiner Gunst sinken, folgt nicht dieser fiesen Hipster-Regel, nur Künstler zu hören, die keiner kennt, sondern hängt einfach eng damit zusammen, daß Mainstream-Erfolg eben meist Folge einer musikalischen Umorientierung ist. Im Prinzip (und im Kopf) war der Kram also schon geschrieben, bevor ich in der Rockhal ankam, allerdings machten mir The xx einen Strich durch die Rechnung, sie waren nämlich verflucht gut!

Das, was ich auf der Hinfahrt quasi als Joker in der Tasche hatte, Austra aus Kanada, von denen ich sicher war, daß sie mich wieder bestens unterhalten würden, enttäuschten dagegen, vielleicht habe ich die jetzt wirklich zu oft gesehen.

Die Band aus Ontario ("we're Austra from Torronno." - "Torronno, Cänädäää!"), macht Elektro-Pop, der besonders vom Gesang ihrer Frontfrau Katie Selmanis lebt, die als Kind eine klassische Ausbildung bekommen hat und Mitglied des Canadian Children's Opera Chorus war. Ihre hohen "Oh-ohs" in Stücken wie Lose it, sind eines der herausragenden Merkmale von Austra. Bei den Live-Shows sind aber die beiden Background-Sängerinnen Romy und Sari Lightman, die den immer wieder operettenhaften Pop mit Ausdruckstanz und lustigen Outfits bereichern. Den Lightman-Zwillingen zuzusehen, war auch heute ein großer Spaß, die Musik dagegen ließ mich deutlich kälter als bei unseren ersten Begegnungen. Da saßen einige der hohen Töne nicht richtig, und vielleicht ist der Witz beim dritten mal einfach nicht mehr komisch genug, um den Auftritt mehr als ok zu bewerten.

Setlist Austra, Rockhal, Esch-sur-Alzette, Luxemburg:

01: The choke
02: The future
03: The villain
04: Darken her horse
05: Painful like (neu)
06: Beat and the pulse
07: Lose it
08: Spellwork


Die zweite xx Platte Coexist, die eigentlich hervorragend ist, habe ich so gut wie nie gehört, ihre Vorgängerin hingegen zig mal. Irgendwie fehlt mir immer wieder die Lust, das aktuelle Album aufzulegen, ich habe keine Ahnung warum. Dabei hatte ich mich nach dem herausragenden Festival Auftritt im Mai in Barcelona so sehr auf Platte zwei gefreut. The xx hatten da in einer warmen Mittelmeer-Nacht viele der neuen Titel gespielt, die mich extrem begeistert hatten. Wenn mich Coexist dann enttäuscht hätte, verstünde ich mein eingebrochenes Interesse, aber so? Ich bin mir ein Rätsel.


Nach Austra hatte sich alles ein wenig verzögert. Bis zum angesetzten Starttermin (in Luxemburg weiß man immer, wann was anfängt), blieben keine 20 min, das erschien mir für eine so vom Klang abhängige Hauptgruppe arg optimistisch. Es dauerte fast eine halbe Stunde länger bis das Licht im großen Saal der Rockhal ausging und die drei xx hinter einem transparenten Vorhang erschienen und Angels anstimmten. Daß das und das folgende Heart skipped a beat vom Debüt, nachdem der Vorhang gefallen war, überragend waren, machte mich noch nicht stutzig, das sind eben Über-Hits. Spätestens in der Mitte, als einige der neuen Stücke nach einander kamen, wurde mir klar, daß ich meinen Kopf-Bericht wieder löschen muß. Es blieb so aufregend, wie The xx bisher immer waren. Die Band ist groß geworden, ihr Bühnenverhalten ist routinierter als bei den kleinen Clubkonzerten von vor drei Jahren. Auf einer riesigen Bühne wie der in Esch stehen Gitarristin Romy Madley Croft und Bassist Oliver Sim weit auseinander. Dies passt aber besonders bei ihren asynchronen Duetten ganz ausgezeichnet. Kleine Bühnen werden die Londoner auch nicht mehr erleben.


Daß Romy und Oliver aneinander vorbei singen und dabei herrlich gelangweilt klingen, ist eines der prägenden Elemente der Band. Das andere ist die Art, wie Elektro-Chef Jamie Smith seine Instrumente bedient. Bei Reunion fiel mir zwar auf, daß Jamie offenbar mehr vorbereitete Sounds benutzt (nicht zu ernst nehmen, ich habe keinerlei Ahnung!), bei den folgenden Stücken spielte er aber wieder jeden Beat live. Es gibt so viele Elekro-Bands, bei denen ich mich frage, was die Typen hinter den Mac-Books machen, ob sie vielleicht doch nur bei Facebook surfen, bei Jamie xx sieht man, was er macht. Es ist eine herrlich analoge Herangehensweise für einen Elekro-Musiker, nicht nur an Drehreglern zu spielen, sondern den Grundrhythmus wie ein Schlagzeuger live einzuspielen. Wäre das nicht mehr da (so mein Eindruck eben bei Reunion), es wäre ein ganz großer Knüller weg!


In der Mitte des Konzerts, so zwischen Night time und Shelter, flossen die Lieder ineinander über. Diese Phase war atemberaubend gut! Aber Durchhänger gab es eh keine, wenn ich ein Haar in der Suppe suchen müsste, dann die dumpfen, schmerzhaften Bässe bei Fantasy und Missing. Hätten die wenigstens dafür gesorgt, die sich laut unterhaltenden Französinnen hinter mir zu vertreiben (die vermutlich wegen der nachfolgenden DJ-Band C2C da waren), aber die waren stumpf und blieben. Das versaute mir das Konzert aber nicht, ebenso wenig die gute Laune-Klatsch-Geselligkeit.

Wenn mich solches Unverhalten nicht stört, spricht das wirklich für ein Konzert.


Ein durch und durch grandioses Infinity beendete das normale Programm. Währenddessen wurde ein Vorhang hinter der Bühne hochgezogen, auf den vorher immer wieder Filme projeziert worden waren. Darunter erschien ein riesiges dreidimensionales beleuchtetes x. Dies beim letzten Lied erst zu zeugen, ist irgendwie sinnbildlich für die Musik, bei der auch vieles so beiläufig klingt. Wahrscheinlich deute ich da viel zu viel rein, das späte Zeigen des sicher irre teuren Deko-x war jedenfalls ein Effekt, der perfekt war!

Daß die erste Zugabe dann ausgerechnet Intro war, passt in dieses Bild! Das x nahm jetzt die bunten Farben des Coexist Covers an, unter ihm folgten noch Tides und Stars, und nach knackigen 70 Minuten war das Spektakel beendet. 


Alles an diesem Auftritt war stimmig! Wie froh bin ich doch, daß ich nicht auf das ausverkaufte Palladium angewiesen war, um The xx zu sehen. Die Rockhal erfordert zwar mehr Anreise, ist aber mehr und mehr einer meiner Lieblingsplätze, Bands zu sehen, wobei mir schon manchmal recht wäre, wenn das Programm des Kulturzentrums etwas weniger toll wäre.

Setlist, The xx, Rockhal, Esch-sur-Alzette, Luxemburg:

01: Angels
02: Heart skipped a beat
03: Fiction
04: Crystalized
05: Fantasy
06: Missing
07: Reunion
08: Sunset
09: Night time
10: Swept away
11: Shelter
12: VCR
13: Islands
14: Chained
15: Infinity

16: Intro (Z)
17: Tides (Z)
18: Stars (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- The xx, Barcelona, 31.05.12
- The xx, Köln, 26.08.10
- The xx, Barcelona, 27.05.10
- The xx, Paris, 18.02.10
- The xx, Frankfurt, 03.11.09
- The xx, Köln, 15.10.09
- Austra, Köln, 24.05.12
- Austra, Paris, 28.08.11
- Austra, Köln, 25.06.11
- Austra, Paris, 01.04.11
- Austra, Paris, 20.01.11 


 

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