Konzert: Sophie Hunger
Ort: Volksbühne Berlin
Datum: 19.11.2012
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer:ca. 100 Minuten
Bericht von Markus aus Berlin, Fotos Oliver Peel (vom Pariser Konzert)
Sophie Hunger gehört für mich zu den Künstlern, die ich seit Jahren aus der Distanz verfolge. Trotz ständiger Ermahnungen meines Umfeldes, dass ich sie unbedingt live erleben müsse, konnte ich dem Sog widerstehen. Vielleicht lag es auch an einem Bericht, den ich vor Jahren im Fernsehen sah, in dem sie als neues musikalisches Wunderkind gehandelt wurde, was in mir diese Gegenbewegung ausgelöst hatte.
Aber heute Abend war es so weit. Zwar habe ich den Vorverkauf verpasst, bekam aber über einen glücklichen Umstand noch zwei Karten.
Vor der Volksbühne um sieben dann das gewohnte Bild bei ausverkauften Konzerten: Ein reger Kartenbasar. Ich liebe die Volksbühne und ihre Konzerte. Ich könnte dort ständig sein. Von mir aus könnte der Theaterbetrieb eingestellt werden und stattdessen könnten dort mehrmals in der Woche tolle Musiker auftreten...aber das wird wohl nicht passieren. Vielleicht würde dann auch das Besondere verloren gehen, was ich mit der Volksbühne verbinde.
Das Publikum ist so gut durchmischt wie selten. Ich bin richtig aufgeregt, als ich mit meiner Begleitung den Theatersaal betrete. Was wird mich wohl erwarten? Werden die geschürten Erwartungen erfüllt? Unter tosendem Applaus betritt die Band die Bühne. Sophie Hunger nimmt direkt an Klavier platz und die wunderschön schlicht gehaltene Bühnenbeleuchtung in Form von mehreren großen Lichterketten haucht die Bühne in ein wunderschönes rot. Sie beginnt den Abend mit dem einem meiner Favoriten des neuen Albums Rerevolution. Eine tolle Band hat sie da mitgebracht. Für Can You See Me verlässt sie das Klavier und wechselt zur Gitarre. Wieder einmal wird mir klar, warum ich die Volksbühne so liebe: Eine tolle Akustik und Atmosphäre umschmeichelt das Publikum. Sophie Hunger schaut über alle Köpfe hinweg. Anfangs irritiert mich das und so denke ich, dass sie Blickkontakt mit dem Tontechniker sucht. Aber das scheint nicht der Fall zu sein - und es ist auch nicht notwendig, Es ist schön, wie sich das Cello so bemerkbar macht. Nach Manhattan folgt Holy Hells. Lässig bedient sie den Flügel mit der linken Hand - sucht Blickkontakt mit der Orgel neben ihr, die dem Lied ihre Würze gibt. Was für eine Spielfreude! Mit „Danke, dass ihr hier seid“ begrüßt sie dann zum ersten Mal ihr Berliner Publikum. Bei Heharun steht sie nur mit dem Mikro in der Hand - und es kommt für mich zu ergreifenden Momenten, als die gedämpfte Trompete zum Einsatz kommt. Kaum ein Instrument kann in richtigen Momenten so schöne Akzente setzen. Und wie die Trompete das tut. Und dann zergehe ich vollends, als auch noch zum Horn gewechselt wird und Sophie Hunger das Klavier tippend begleitet. Diese Momente sind es, die das Konzert so reich machen. Bei Take A Turn hat sie nur noch eine Gitarre und Mundharmonika. Je weiter das Konzert fortschreitet, umso mehr begreife ich die Tragweite ihrer Lieder, ihrer Musik, ihrer Kunst. Das was beim Anhören einer Schallplatte vielleicht verloren geht, wird an diesem Abend überdeutlich. Sophie Hunger ist kein gehyptes „Wunderkind“, sondern eine großartige Musikerin! Sie kann mit ihrer zurückhaltenden charmanten Art ohne viele Worte und große Gesten das ganze Theater verzücken!
Es folgen Protest Song und The Fallen. Das Neue wird vom Publikum direkt erkannt und mit Johlen und Applaus gedankt. Auf der Platte blieb mir das Lied doch irgendwie verschlossen. Live hat es mich umgehauen. Das Piano-Solo war toll!
Es kommt nicht oft vor, dass ein Künstler seine Band so charmant vorstellt. Mit so einer ruhigen Stimme und Dankbarkeit.
Es folgt eine schöne Anekdote über die Schwierigkeiten für sie, die Unterschiedlichkeit der Schweizer und der Deutschen zu benennen. Einer Taxifahrt in Berlin sei Dank, fiel es ihr dann wieder ein: Was für Sophie Hunger nur ein großer Rückspiegel ist, bei dem man alles sieht, war für ihre deutsche Begleitung ein Spiegel mit gekrümmter Optik. „Das ist der Unterschied! - genau für solche Sätze mögen wir euch auch so!“
1983 wirkt danach wie ein Weckruf. Und es passt! Am Ende von Personal Religion folgt auf die Feststellung „We Are Always Going To Die“ ein einfaches „Ja!“ - großartig auf den Punkt gebracht.
Ein tolles Solo am Horn am Ende von Soldier - ihren „Angeber aus Paris“ fest im Blick.
Das Mitleid mit der Freiheitsstatue beschäftigt Sophie wohl schon seit ihrer Kindheit - besser gesagt der Widerspruch, wie eine Freiheitsstatue selbst unfrei ist und nicht über sich entscheiden kann, was mit ihr geschieht: D´Freiheitsstatue. Wunderschön A capella vorgetragen. Ich bekomme dann immer so viel Wehmut, wie verpönt es immer noch ist in der deutschen Muttersprache zu singen - und das auch als Zuhörer ertragen zu können. Wie treffend brachten es einst Tocotronic auf den Punkt „Über Liebe kann man nur auf Englisch singen, denn allzu leicht könnts im Deutschen peinlich klingen“. Ein Hoffnungsschimmer sitzt nicht weit von mir im Publikum: Gisbert zu Knyphausen.Der erste Zugabenblock folgt nach tosendem Applaus: Walzer für Niemand - nur Klavier, Cello und Glockenspiel. Und wie schön klingt das Cello. Dann eine große Überraschung: Max Herre kommt auf die Bühne und singt zusammen mit Sophie Hunger Berlin - Tel Aviv. Ich würde mich jetzt nicht als ein Fan von der Musik von Max Herre outen. Aber bei diesem Auftritt hat er bei mir unheimlich an Sympathie gewonnen. Es war wirklich ein Gewinn ihn bei diesem Lied auf der Bühne zu haben. Es gab viel Applaus nur für ihn - und das zu Recht!
Richtig mittreißend wird es wieder mit Like Like Like. Diese Wechsel der Stimmungen führen nicht zu Brüchen. Sie nimmt auf ihre Reise mit - und die ist mal beschaulich, mal verwunderlich, mal aufregend, mal phantastisch, mal bombastisch, mal zurückhaltend. Und doch hängt alles symbiotisch zusammen. Die Spielfreude ihrer Kapelle ist wunderschön mitanzusehen.
Gott sei Dank kommt sie erneut auf die Bühne und mit ihr My oh My und Trainpeople.
Berlin ist für sie immer noch ein Traum - im Gegensatz zu ihrer Band, deren Berlin Paris ist. Und es ist ihr zu glauben, dass dieser Abend wirklich etwas Besonderes für sie ist. Am Ende von Trainpeople erstarrt die Band und es folgt eine Minute von völliger Stille - und damit meine ich wirklich völlige Stille - sie durchzieht das ganze Theater. Es hat etwas andächtig Berauschendes, dieser Moment.
Berlin ist für sie immer noch ein Traum - im Gegensatz zu ihrer Band, deren Berlin Paris ist. Und es ist ihr zu glauben, dass dieser Abend wirklich etwas Besonderes für sie ist. Am Ende von Trainpeople erstarrt die Band und es folgt eine Minute von völliger Stille - und damit meine ich wirklich völlige Stille - sie durchzieht das ganze Theater. Es hat etwas andächtig Berauschendes, dieser Moment.
Und nachdem sie erneut die Bühne verlassen hat und wiederkam, wurde ihr Konzert an diesem Abend mit Speech wie ein Paukenschlag beendet. Sie hinterließ mich mit der Gewissheit:
Wer an diesem Abend von ihrer Musik nicht ergriffen wurde, hat kein Herz.
Setlist Sophie Hunger, Volksbühne, Berlin:
01: Rerevolution
02: Can you See Me
03: Manhattan
04: Holy Hells
05: Heharun
06: Take a Turn
07: Protest Song
08: The Fallen
09: Das Neue
10: 1983
11: Personal Religion
12: Citylights
13: Souldier
14: D´Freiheitsstatue
15: Walzer für Niemand (Z)
16: Berlin-Tel Aviv (Z)
17: Like Like Like (Z)
18: My oh My (Z)
19: Trainpeople (Z)
20: Speech (Z)
1 Kommentare :
Oliver, super gut geschrieben. Danke!
Habe sie auf der Tour in München gesehen, werde wohl demnächst in die Muffathalle gehen und sie noch einmal anhören.
Gruß!
Sophie
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