Konzert: Lidwine & Julie Peel & Helluvah
Ort: L'International, Paris
Datum: 18.10.2010
Zuschauer: etwa 100
Konzertdauer: pro Künstlerin etwa 40-45 Minuten
Die Franzosen demonstrieren und streiken mal wieder wie die Blöden. Züge fallen aus, Flugzeuge bleiben am Boden und die Metro fährt unregelmäßig. Das Beste an der Sache ist, daß auch Abiturienten gegen die Rentenform auf die Straße gehen, obwohl sie es sind, die die vielen (Früh)-rentner dann bald mitfinanzieren müssen. Ob sie sich da mal nicht ins eigene Bein schießen? Auch kurios: die Beamten und Angestellten der Bahngesellschaft SNCF und die Mitarbeiter der öffentlichen Verkehrsbetriebe RATP genießen hinsichtlich des Rentenalters eine Sonderregelung (sie dürfen schon mit 57 in Rente oder so), die noch aus Zeiten stammt, als Lockführer noch ein harter, körperlicher Job war. Warum streiken die dann? Hmm. Muss ich die Franzosen verstehen?
Wie auch immer, als Blogger und Indiemusiker gibt es kein Streikrecht, da werden Überstunden und durchgearbeitete Nächte nicht bezahlt und sowieso ackert man freiwillig oder unfreiwillig quasi ehrenamtlich. Aus Liebe zur Musik. Oder so. Auch den Videofilmer Pierre (Name von der Redaktion geändert) schien das zu wurmen, denn er beklagte sich mir gegenüber ein wenig darüber, daß Musikerfreunde ihn oft einspannen, er aber immer für lau schufte. Aber es ist ja nichts Neues, daß in der Indieszene die Kohle fehlt, die Musikkonzerne und übergeschnappte Fans einer Lady Gaga (nur ein Beispiel) in den Arsch pusten. Vielleicht sollte man mal eine Demo organisieren und die Eingänge zu Konzerten von Britney Spears, Robbie Williams oder Beyonce barrikadieren?
Aber kommen wir doch nun zu den Auftritten des heutigen Abends. Mit Julie Peel, Lidwine und Helluvah waren gleich drei junge Frauen mit allerdings höchst unterschiedlichen Musikstilen am Start.
Julie Peel begann und da muss ich sofort meine Befangenheit offenbaren. Schließlich ist Julie meine Schwester und ist für ihre erste Show in Paris extra aus Brooklyn angereist. Natürlich fand ich sie toll und bewegend und talentiert, ist doch klar oder? Was für feine, warme Folksongs mein Schwesterherz da im fernen Amerika geschrieben hat, das ist schon ganz beachtlich!
Weiter ging es mit der Pariserin Lidwine, die die Pariser Antwort auf Joanna Newsom ist und am nächsten Sonntag eine Oliver Peel Session spielen wird. Lidwine performte zunächst am Harmonium, dann auf der Harfe und schließlich auf der Autoharp (Selbstharfe? Wie übersetzt man das?). Begleitet wurde sie von Jeremie, der Querflöte spielte und auch mit Glöckchen klingelte etc.
Aber auch hinsichtlich Lidwine bin ich in gewisser Weise befangen. Sie ist die neue Sensation der Pariser Folkszene, ganz klar! Würde ich etwa Musiker ohne überragendes Talent zu einer meiner Sessions einladen? Nö. Eben! Fans von Bat For Lashes, Björk, Kate Bush und eben Joanna Newsom werden ihre helle Freude an ihr haben, dessen bin ich mir sicher. Aber Lidwine kopiert nicht nur, schließlich spielt sie meistens Harmonium und erst an zweiter Stelle Harfe, das unterscheidet sie schon einmal von Joanna, die zeitweise Klavier spielt, was Lidwine nie tut. Und die Musik von Björk ist zwar originell und eigenständig, aber für meine Ohren quasi unhörbar. Bei Lidwine ist das anders, da nervt (zumindest mich) kein einziger Song und so abgehoben und egozentrisch wie die Isländerin ist die Pariserin natürlich auch nicht. Also meine Botschaft sollte klar sein: Lidwine ist Lidwine und nicht Joanna, oder Björk oder Kate oder Natascha, auch wenn sie diese Künstlerinnen als Referenzen angibt. Die Französin feierte übrigens heute EP Release Party für ein Minialbum, das sie beim tollen Label Ocean Music (Hafdis Huld, Tamara Williamson etc.) veröffentlich hat. Logischerweise stammten die meisten Stücke auch von diesem Werk, aber nicht ausschließlich. Neben den tollen EP Tracks wie A Resonance Of Myself und In The Half Light trug Lidwine auch ein Prince Cover (The Beautiful Ones) vor, das mir viel besser als das Original gefiel. Kein Wunder, ich mag Prince nicht, mochte ihn noch nie!
Also kurzum, die Session mit Lidwine wird toll, davon bin ich nun endgültig überzeugt. Ich frage mich gerade nur, wie wir die große Harfe unbeschadet über unseren extrem engen Treppenaufgang schleppen können...
Zum Abschluß des heutigen Konzertabends dann noch Helluvah. Ein rockiges Mädel, das E-Gitarre spielte und von einem Drummer begleitet wurde. Also so eine Art französische Scout Niblett. Nicht ganz so stark wie die überragende Scout, aber auf jeden Fall fetzig und kurzweilig!
Ein guter Konzertabend, bei dem weder die Kellner noch die Tontechniker streikten. Wäre ja auch noch schöner!
2 Kommentare :
How sweet!
Spielt Julie Peel sonst noch wo in Paris?
Uschi
Den Tourkalender meiner Schwester kenne ich nicht auswendig. Mal bei MySpace checken...
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