Sonntag, 31. Oktober 2010

Denis Jones, Paris, 30.10.10


Konzert: Denis Jones
Ort: Chez Justine, Paris
Datum: 30.10.2010
Zuschauer: hmm
Konzertdauer: etwa 40 Minuten


Eigentlich war ich auf eine Party bei einem sehr netten Landsmann eingeladen. Ob es einen Zusammenhang mit Halloween gab, weiß ich nicht. Ist aber auch egal, denn ich wollte auf jeden Fall da hin, gruselig geschminkt oder nicht. Seitdem ich wie so ein Junkie quasi jeden Abend auf Konzerten unterwegs bin, ist es schwierig geworden, mich zu einer Party anzulocken (es sei denn es tritt dort eine Band auf). Meine sozialen Kontakte fokussieren sich stark auf andere Musikverrückte, ebenso süchtige Konzertgänger, Indiemusiker, Konzertveranstalter, Gigfotografen, andere Blogger, Labelmenschen etc. Obwohl es natürlich auch hier ein paar Arschgeigen gibt, fühle ich mich in dem Milieu pudelwohl. Aber ich möchte trotzdem auch gerne mal sehen, wie andere Mitbürger in Paris so leben und Leute kennenlernen, die nicht direkt etwas mit Musik zu tun haben. Das Problem war bloß: am heutigen 30. Oktober gab es natürlich auch wieder einige spannende Konzerte. Logisch. Irgendwo spielt in Paris immer die Musik, jeden Tag.

Die Auswahl war wieder einmal prima und es war schwierig, sich auf einen Gig festzulegen. Crystal Castles zappelten in der ausverkauften Cigale rum (ich mag die seltsamerweise, obwohl ich eigentlich überhaupt kein Anhänger synthetischer Musik bin), Beach Fossil beehrten die Flèche d'or und Ariel Pink trat im Nouveau Casino auf.

Aber meine Wahl fiel auf eine Veranstaltung, die gleich gegenüber des Nouveau Casino, im Cafe/Restaurant Chez Justine stattfand. Hier sollte der Brite Denis Jones spielen, mit dem fast eine Oliver Peel Session zu Stande gekommen wäre. Wohlgemerkt: ich wollte trotzdem auf die Fete zu meinem netten Landsmann. Ich dachte, es sei beides möglich. Erst Denis Jones bei Justine gucken und dann ab zur Party. Ich hatte nicht nur meine Frau dabei, sondern auch eine Flasche Wein, die ich dem Gastgeber übereichen wollte. Daraus wurde aber nichts, weil das laut My Space für 20 Uhr angesetzte Konzert von Denis Jones letzlich um 22 Uhr 30 begann. Zuerst wurde hier der samstägliche Restaurantbetrieb durchgezogen. Schicke Leute (" des gens branchés" wie man in Frankreich sagt) drängelten sich im Minutentakt zur Tür herein, um überteuerte Burger (15 Euro der kleine Cheeseburger mit Pommes Frites, happig!) oder Cocktails an der Bar zu trinken. Ich hatte den Laden Chez Justine ganz anders in Erinnerung. Als ich vor etwa zwei Jahren hier gegen 18 Uhr einmal zum Aperitif einkehrte, saß man auf stimmunsvollen, abgewetzten Sesseln und schrammeligen Tischen. Das hatte Atmosphäre und den typisch Pariser Bohème Charme. Nun aber haben die (neuen?) Betreiber die alten Möbel rausgeworfen, machen verstärkt auf angesagtes Restaurant und zielen es auf eine zahlungskräftige Klientel ab. Nichts für mich, ich fühlte mich nur mittelmäßig wohl. Auch der Künster selbst, Denis Jones, äußerte sich vor dem Gig skeptisch und fragte sich, ob die mampfenden Schönlinge ihm denn überhaupt Beachtung schenken würden. Letztlich verhielt sich das Publikum aber relativ fair und es wurde nicht allzu heftig geplappert. Begünstigend kam hinzu, daß die Boxen ziemlich laut aufgedreht wurden und der Kollagensound des Klangkünstlers Denis Jones die Plaudereien an den Tischen weitestgehend überdeckte. Schade allerdings, daß es technische Probleme gab. Zunächst riss dem Briten schon nach ein paar Takten eine Gitarrenseite, die er eigenhändig reparieren musste und dann war der Rauschebartträger auch mit dem Ton nicht so recht zufrieden. Seine Loop-und Sampeltechnik ist faszinierend, allerdings auch störungsanfällig und live nicht immer leicht zu reproduzieren. "Sorry ich kann hier nur die halbe Leistung bringen", sagte er etwa in der Mitte des Auftritts schulterzuckend in Richtung des Publikums. Aber das störte mich persönlich nicht sonderlich, denn das enorme Potential und der Ideenreichtum des Engländers war dennoch einwandfrei zu erkennen. Seine Stimme ist vorzüglich und seine Elektrofrickeleien klingen so organisch, daß man das Ganze trotzdem noch als Folk bezeichnen kann. Eine moderne Interpretation des Genres freilich. Future Folk kann man bei Last fm lesen und dieser Begriff trifft die Sache schon sehr gut. Anstatt am konventionellen Singer/Songwriter-schema festzuhalten, bei dem traurige Männer traurige Lieder auf einer Akustikgitarre zum Vortrage bringen, feilt Jones an einem Stil, der zwar in den letzten Jahren auch schon von einigen anderen Künstlern angewendet wurde, aber dennoch ganz klar die Handschrift seines Autors trägt. Vor allem aber: die Lieder von Denis sind einfach wunderschön! Sie stammten heute größtenteils von seinem letzte Output Clap Hands, in Ausnahmefällen aber auch von seinem Debüt Humdrum Virtue. Eine Setlist hatte der talentierte Musiker trotzdem nicht, denn ein Teil des Sets bestand aus freien Improvisationen. Dennoch wurde es über die gesamte Länge nie zu experimentell, weil Jones unkonventionellen Liedern, auch immer mal wieder Stücke hinterherschickte, die einen eher klassischen Folkaufbau hatten. Visuell wurden die Tracks von abstrakten Videos untermalt, die die hypnotische Wirkung des Songmaterials noch unterstrich.

Nach etwa 40 Minuten hatte Jones fertig und schlich von der kleinen Bühne. Ich (und diejenigen die zugehört haben) hatte(n) ein feines Konzert erlebt, das ich mir noch durch CD Käufe versüßte. Ich lehne mich sicherlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, daß die Indiegemeinde von Denis Jones in den nächsten Jahren noch so einiges hören wird.




2 Kommentare :

E. hat gesagt…

auf den burschen bin neugierig geworden.
was macht eigentlich mariee sioux in diesem beitrag?

Oliver Peel hat gesagt…

Ich sprach doch eingangs von Halloween. Und Mariee Sioux und Matt Bauer waren halloweenlike geschminkt. Deshalb das Foto. Es stammt übrigens von 2009.

 

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