Sonntag, 14. März 2010

Nancy Elizabeth (Cunliffe), Paris, 13.03.10


Konzert: Nancy Elizabeth (Cunliffe)

Ort: Le Truskel, Paris
Datum: 13.03.2010
Zuschauer: zwischen 15 und 30 schwankend
Konzertdauer: etwa 45 Minuten


Die englische Folksängerin Nancy Elizabeth (auf dem Foto lächelnd) ist ein gutes Beispiel dafür, wie ungerecht das Musikgeschäft ist. Die 26 jährige Musikerin aus Manchester hat zwei vorzügliche und zu recht von der Fachpresse hochgelobte Alben und eine EP auf den Markt gebracht, steht bei dem glänzenden Leaf Label ( Wildbirds & Peacedrums, Efterklang, Essie Jain und viele andere) unter Vertrag und spielt dennoch vor beschämend wenigen Zuschauern. Stattdessen laufen selbst bei Studenten Deppenformate wie "Unser Star für Oslo" (in Deutschland) oder "La Nouvelle Star" (in Frankreich) hervorragend und erzielen riesige Quoten. Schlimm!

Aber es nutzt ja nichts, sich darüber aufzuregen, nur wundern darf man sich schon. In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Verblöden wir immer mehr? Hat uns diese komische Lady da schon ganz Gaga gemacht? Es scheint fast so. Vielleicht sollte man zumindest an Gymnasien das Schulfach Musikkultur unterrichten und den Schülern schon jung den Zugang zu qualitativ hochwertiger Musik ermöglichen. Ach, ich träume! Wegschnarchen würden die Eleven! Wenn es nicht gewaltig bumm bumm macht und den jungen Leuten kein eingängiger Refrain um die Ohren geschleudert wird, sinkt das Interesse schnell gegen null.

Weder eingängige Refrains noch bumm oder tchak gibt es in der Musik von Nancy Elizabeth zu hören und deshalb fanden sich wohl auch im Truskel zu Beginn gerade einmal ein Dutzend Leute ein. Vorher lief noch ein Fußballspiel, amüsanterweise mit dem französischen Club Nancy, worüber Nancy Elizabeth im Hinblick auf ihren Namen Scherze machte. Als es sich abzeichnete, daß es vorläufig nicht voller werden würde, fing Nancy vor quasi leeren Rängen an, Gitarre zu spielen und zu singen. Letztlich stellte sich aber heraus, daß es ihr auch nichts gebracht hätte, wenn mehr junge Leute dagewesen wären, denn ein Grüppchen, das sich gegen Ende eingefunden hatte, latschte während (!) eines ruhigen Liedes am Klavier der musizierenden Engländerin vorbei, um sich auf Stühle zu setzen, die hinten rechts von der Bühne platziert waren. Eine Respektlosigkeit! Erstaunlich wie ruhig und humorvoll die Künstlerin das Ganze nahm. Ich glaube ich persönlich hätte nicht die Geduld und würde Schnöseln, die während meines Konzertes vor mir vorbeilatschen, eins mit der Gitarre über die Rübe ziehen! Aber nun zum Konzert:

Nancy begann mit Canopy von ihrem aktuellen Werk Wrought Iron. Schon nach ein paar Takten wurde deutlich, wie famos ihre Stimme ist. Wenn sie singt, hat sie keinerlei Akzent, wenn sie allerdings zwischen den Songs Ansagen machte, kam eine deutliche hörbare Mundart zu Tage. Ihre kleine Harfe, die sie noch bei ihrer letzten Tour vor zwei Jahren dabei hatte, fehlte dieses mal. Stattdessen spielte die Britin bei einigen Liedern Piano und auch dies war wunderschön. Ihre Stücke sind allesamt sehr ruhig und unaufgeregt und bewegen sich wie ein langsamer Fluß vorwärts. Die erzeugte Atmosphäre erinnerte mich an Nick Drake, stimmlich war sie nicht allzuweit von klassischen Folksängerinnen entfernt. Ihr Stil ist aber keineswegs altmodisch, man merkt, daß sie erst 26 Jahre alt ist und mit Bands wie Radiohead oder Portishead groß geworden ist. Ich mochte jedes einzelne ihrer insgesamt 9 Lieder, würde aber eine kleine Präferenz für Lay Low aussprechen. Ihre pure und reine Stimme kam hier besonders gut zur Geltung und das Stück umgarnte mich mit seiner sanften Melancholie. Mehrere andere Tracks vom aktuellen Album kamen zu ihrem Recht, bevor Nancy mit Hey Son von Battle & Victory wunderbar abschloß. Selbstredend, daß ich mir den Konzertbesuch noch mit dem Kauf einer CD versüßte. Sie kostete nur 10 Euro und das Konzert war zudem gratis. Umso unverständlicher, warum sich so wenige Zuschauer eingefunden hatten. Obwohl..., 10 Minuten nach Ende des Auftritts strömten auf einmal die Leute in Massen ins Truskel! Das kapiere wer will. Oder wie es ein englischer Journalist vom Sunday Telegraph formulierte: "It amazes me that such a great talent isn't more wiedely known and adored"...

Setlist Nancy Elizabeth, Le Truskel, Paris:

01: Canopy
02: The Act
03: Tow The Line
04: Lay Low
05: Divining
06: Bring On The Hurricane
07: Battle And Victory
08: Winter, Baby
09: Hey Son

Aus unserem Archiv:

Nancy Elisabeth, Paris, 09.05.08


Links:

- mehr Fotos von Nancy Elizabeth hier
- Plattentests.de zum Album Wrought Iron, klick!
- Plattentests.de zum Album Battle And Victory, klick!



1 Kommentare :

E. hat gesagt…

"battle and victory" ist tatsächlich ein gutes album. dass es ein nachfolgewerk gibt, wusste ich nicht. schön, hier davon zu erfahren. tolle beschreibung ihres auftritt. nur schade, dass er nicht mit mehr zuschauern bedacht war

 

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