Montag, 11. Juni 2007

Blood Red Shoes, Paris, 8. und 9.06.07


Konzert: Blood Red Shoes

Datum: 8. und 9.06.2007
Ort: Le Bataclan (als Vorgruppe von Maximo Park) und Le Baron, jeweils Paris
Zuschauer: Bataclan: nicht ausverkauft; Le Baron (ca. 50 von 100 theoretisch möglichen)


Wenn die Welt gerecht wäre, dann wären nicht solch gruselige Bands wie My Chemical Romance oder Marilyn Manson Headliner bei wichtigen Festivals, sondern die sagenhaften Blood Red Shoes. Da die Welt aber nicht gerechter ist, als sie nun einmal ist, spielen Blood Red Shoes (zumindest zur Zeit noch) im Vorprogramm, auf kleinen Bühnen, oder in teilweise winzigen Räumen (Le Baron). Ob sich das mit dem Erscheinen ihres ersten Albums (geplanter Release erst Januar 2008) ändern wird, bleibt abzuwarten, spielt aber für mich überhaupt keine Rolle, da es sich definitiv um eine der besten, neuen britischen Bands handelt. Und wenn sie nie Headliner in Glastonburry oder in Leeds/Reading werden sollten, liegt es möglicherweise daran, daß sie überhaupt keine künstlerischen Kompromisse eingehen. Und das ist sehr gut so, denn Laura-Mary Carter und Steven Ansell, die sich hinter dem Namen verbergen, denken gar nicht daran, sich zu verbiegen, um mehr CDs zu verkaufen, sondern spielen gnadenlos die Musik, die ihnen selbst gefällt. Und die ist laut, schnell, hart und 100 % independent. So etwas sieht man in der heutigen Indie-Szene (die manchmal sehr mainstreamig ist) viel zu selten!

Pünktlich um 19 Uhr hatte ich mich am Freitag auf den Weg Richtung Bataclan gemacht, um auch ja nichts von dem teuflischen Duo zu verpassen. Die Blood Red Shoes hatten die Ehre, für Maximo Park zu eröffnen und verdienten sich ihre Einladung redlich. Als ich in dem nicht sonderlich vollen Laden eintraf, spielten die Beiden bereits den Indie-Hit "You Bring Me Down". Mich brachte das aber gar nicht down, sondern es machte mich eher high. Steven trommelte nämlich wie ein Bessener auf sein Schlagzeug ein und Laura-Mary schrie und rockte auf ihrer Gitarre was das Zeug hielt. Selten habe ich eine Frau gesehen, die so sexy eine Gitarre hält und sich so cool bewegt! Im kleinen Finger hat sie mehr Punk-Spirit als Kate Jackson und ihre Long Blondes zusammen. Und dann erst der Augenaufschlag...

Der Lärm im Bataclan war höllisch, der Sound aber trotzdem klar und präzise. Wie Peitschenschläge hörte es sich an, wenn Steven seine Drums malträtierte. Ich amüsierte mich prächtig, der Rest des nicht sehr dicht gedrängten Publikums war aber ausschließlich für Maximo Park gekommen. Nicht viele Köpfe wirbelten also durch die Luft, obwohl das zu dem Mörder-Sound gepasst hätte. Mit "It's Getting Boring By The Sea" brachte die junge Band dann ihre demnächst erscheinende Single. Anscheinend hatten sie den Titel bisher nie zuvor live gespielt. Ich kam also in den Genuß einer Premiere und was für einer, das Lied ist ein Hammer! Ich kann es kaum erwarten, es demnächst legal bei iTunes downzuloaden!

Wie ich im Übrigen ohnehin kaum erwarten kann, das Album in den Händen zu halten, aber in dem Punkt ist Geduld gefragt...

Auch der Rest des Sets wußte zu überzeugen, alles kam unfassbar schnell, zackig und auf den Punkt gespielt. Ein Genuß für Fans härterer Musik, die aber trotzdem nicht nur üblen Krach hören wollen. Kurzum, ich war begeistert!

Danach gehörte die Bühne aber Maximo Park. Darüber hatte ich bereits berichtet, allerdings noch nicht über die Geschehnisse nach dem Konzert...

Ziemlich müde kam ich gegen 24 Uhr bei mir zu Hause an, checkte aber noch kurz meine Mails bei MySpace. Da entdeckte ich ein Bulletin: Blood Red Shoes free gig in Paris, tomorrow! Wie bitte? Die spielen noch mal und das auch noch umsonst? Da mußte ich hin, vergass aber in der Aufregung fast, das Bulletin wirklich zu lesen. Da stand nämlich drin, daß man eine e-mail an das Management schicken solle, damit man auf die Gästeliste komme. Dies Pflichtübung erfüllte ich erst gegen 17 Uhr am Samstag, in der Hoffnung, daß dies noch rechtzeitig sei. Das Problem war nämlich, daß das "Le Baron" nur 100 Leute aufnehmen kann. Es ist ein winzig kleiner, privater Club, in der Nähe der Champs-Elysée gelegen, im noblen 8. Pariser Arrondissement. Nobel heißt aber zugleich auch wahnsinnig protzig und neureich. Pariser aus der Kulturszene hassen dieses Viertel wie die Pest! Mir war das egal, ich wollte die Blood Red Shoes sehen, fertig!

Naiv wie ich war, stiefelte ich schon gegen 22 Uhr an und klingelte an der unscheinbaren silbernen Türe. Ein waldschratiger Typ mit Vollbart öffnete und fragte mich zu meiner Verblüffung, ob ich der Manager des Ladens sei. Völlig verdutzt verneinte ich. Eigentlich schade, vielleicht hätte ich probieren sollen, mich als der Big Boss auszugeben, mal sehen, was passiert wäre... Stattdessen sagte mir das Männchen, ich solle um 23 Uhr wiederkommen, ich sei noch viel zu früh. Das tat ich dann auch, nachdem ich noch einen Abstecher in einen CD-Laden an den Champs-Elysees gemacht hatte. Vor der Tür standen inzwischen einige picklige und recht füllige Mädchen. Man hätte sie für Engländerinnen halten können, es waren aber in der Tat Französinnen. Ich fragte mich, ob sie den Eintritt für das Konzert bei einem Radiosender gewonnen hatten, irgendwie wirkten sie alle nicht sehr konzerterfahren. Man ließ uns warten... Irgendwann ging die Türe wieder auf und ein bulliger schwarzer Türsteher trat nach vorne. Er hielt eine Liste in der Hand. Die Mädchen ließ er ohne Probleme durch, dann war ich an der Reihe. Sein runder, aber hart wirkender Bauch verperrte mir den Durchgang. "Stehe auf der Liste, Oliver heiße ich", stammelte ich, versuchte dabei aber so cool wie möglich zu wirken. Der Gorilla schmunzelte nur, ohne auch nur einen Blick auf seine Liste zu werfen. Ist schon gut, schien er mit seiner Handbewegung anzudeuten, geh durch! Wollte ich auch, wäre aber fast dem nächsten Türsteher an die Brust gelaufen (höher kam ich nicht, er war mindestens zwei Meter groß und breit!). Ich mußte mich an dem schmalen Spalt, den er an der Seite ließ, vorbeischlängeln. Drin war ich! Ich ging durch einen rotschimmernden Flur und ließ meinen Blick auf einen fürchterlich spießigen Teppichboden schweifen, der aber stilvoll war, im Vergleich zu den roten Lämpchen mit Fransen dran, die an den Wänden hingen und den puffartigen Raum schummrig beleucheteten. Irgendwann war ich durch den Flur hindurch und im eigentlichen Raume angekommen. Das Erste, was ich sah, waren die fülligen Mädchen von vorhin, sie saßen an einem der runden Tischchen.

Aber mit wem denn...? Nee, oder? Laura - Mary Carter und Steven Ansell kauerten gleich neben ihnen und standen ihnen Rede und Antwort! Hatten die das Interview etwa auch gewonnen? Wahrscheinlich...

Jetzt waren diese Gören aber plötzlich viel cooler als ich! Mist! Ich verdrückte mich auf einen der roten Samtsessel in der Nähe der winzigen Bühne, nicht ohne die teuerste Cola meines Lebens geordert zu haben. Ansonsten trinken die Gäste hier normalerweise Champagner und zwar in Magnumflaschen! Die ganze Bar war damit zugestellt, es war grotesk, aber auch saukomisch!

Das Interview muß ewig gedauert haben, ich wartete deutlich über eine Stunde darauf, daß die Blood Red Shoes auf die Mini-Bühne treten und loslegen würden. Stattdessen lief Musik vom Band allerdings keine schlechte. Die Highlights: "A New England" von Billy Brag, "The Boy With The Arab Strap" von Belle and Sebastian und "Where's My Mind" von den Pixies. Wahrscheinlich hatten die Blood Red Shoes persönlich das Tape ausgesucht, an anderen Tagen läuft in dem Laden mit Sicherheit fieser Hip-Hop oder ähnliche Scheußlichkeiten. Plötzlich ging Laura-Mary gleich an mir vorbei auf die Toilette und dann kam auch Steven angeschlurft und die beiden bezogen Position. Mit einem unfassbar lauten Paukenschlag ging es los, denn Steven prügelte direkt vor meinen Augen und Ohren auf sein Schlagzeug ein. Sofort bekam ich ein Ohrensausen, das mich auch für den Rest des Abends nicht mehr verließ...

Der Lautstärkepegel war unbeschreiblich, aber so sollte es ja eigentlich auch sein, wenn Punk-Rock gespielt wird. Nach dem zweiten Lied wurde das Publikum aufgefordert, sich locker zu machen und sich von den Sesseln zu erheben, dies sei "Much More Fun". In der Tat, die Stimmung wurde gelöster...

Gebracht wurde letzlich das Set vom Vorabend, frei nach dem Motto: "Never change a winning setlist". Es war wieder ganz vorzüglich und ein besonderes Erlebnis auf Tuchfühlung zu einer der besten jungen Bands zu sein. Man bekam quasi ein Konzert im Wohnzimmer geboten! Nachdem das letzte Lied unter lautem Applaus verhallt war, setzten sich die beiden Musiker wie ein Pärchen (sind sie das auch in Wirklichkeit, ich weiß es nicht?) zusammen an einen der kleinen Tische und ruhten sich erst einmal verdientermaßen aus. Irgendwann trauten sich die Ersten zu ihnen herüber und plauderten ungezwungen mit ihnen. Auch ich nutzte die Gelegenheit, sprach Steven an, gratulierte zum tollen Konzert und bekam von ihm persönlich die Setlist in mein privates Büchlein geschrieben. Wow!!

Hier ist die Setlist der Blood Red Shoes von Paris:

01: I Wish I Was Someone Better
02: You Bring Me Down
03: How To Pass The Time
04: Try Harder
05: It's Getting Boring By The Sea
06: Take The Weight
07: Say Something, Say Anything
08: ADMD

von Oliver


 

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