Konzert: Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-la-la Band
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 13.04.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: circa. 100 Minuten
Paris bei Regen ist so grau und häßlich wie ich mir Wanne-Eickel vorstelle.
Die Tropfen prasseln auf den schwarzen Asphalt und die schlecht verputzten Hauswände, die bei Sonnenschein charmant wirken, sind trist und abweisend. Paris, die schönste Stadt der Welt? War da was?
Die U-Bahn Station Ecole Militaire, in die ich hinabsteige, um zum Konzert von A Silver Mt. Zion zu kommen, ist ähnlich grau und deprimierend. Zu Renovationszwecken wurden sämtliche Werbeplakate entfernt und die Wände freigelegt. Teilweise schimmern noch alte Reklamefetzen von längst vergangenen Zeiten hindurch, was nicht uninteressant ist. Ansonsten erblicken meine Augen aber nur rußgeschwärztes Mauerwerk. Paris an einem verregneten Sonntag, niederschmetternd und traurig.
Genauso stelle ich mir Macclesfield, England, vor, daß Kaff in dem sich Ian "Joy Division" Curtis erhängt hat. Kein Ort, um gut zu leben. Auf meinem I-pod läuft "Atrocity Exhibition" (übersetzt: Ausstellung von Grausamkeiten), eine Aufnahme aus Manchester, The Factory, vom 13. July 1979. "This is the way, step inside!", schreit Ian wie ein Bessener und mir wird ganz anders. "Step insiiiiide!!!" Mister Curtis muß wie in Trance gewesen sein als er das gesungen hat.
Post - Punk war die Schublade, in die man Joy Division gesteckt hat. Und Post - Rock ist das Etikett, daß man Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra aufkleben will, obwohl deren langmähniger Sänger Efrim Menuck diesen Begriff nicht sonderlich mag. Wenn man Wikipedia Glauben schenken darf, identifiziert er sich eher mit dem Punk- Rock Ethos. Interessant, Post - Punk und Post - Rock scheinen also gar nicht so weit auseinander zu liegen. Was verbindet die beiden Stilrichtungen, was unterscheidet sie?, frage ich mich als ich in dem Bus 96 sitze, der mich den Berg, den die rue menilmontant darstellt, hinauffährt, damit ich den Mt. Zion sehen kann.
Ganz klar: Das depressive, ja suizide Element ist beiden Stilen eigen. Man mag es jeweils düster und traurig. Der (Post)- Punk kommt aber schneller auf den Punkt, selten ist ein Lied viel mehr als 3 Minuten lang. Die Deprikeule bekommt man also unvermittelt in die Fresse geballert. Beim Post- Rock hingegen läßt man sich ewig Zeit, über etliche Minuten wird eine Spannung aufgebaut, die sich letztendlich in einem explosiven und extatischen Ende mit viel Geschrei und Gepolter entlädt. Und die Fans sehen unterscheidlich aus, obwohl es auch hier Schnittmengen gibt, wie man bei politischen Koalitionsverhandlungen immer so schön sagt.
Der typische Post-Rocker hat eine lange Matte und trägt Vollbart, oder einen ungepflegten Dreitagebart. Auf seine Klamotten legt er nicht viel wert, der Fummel ist meist grau und unförmig. Die Frauen der Szene, die in der Minderheit sind, sind oft ein wenig feministisch drauf und zum Teil lesbisch. Insgesamt fühlt man sich unter diesen Leuten wie im Berlin- Kreuzberg der 80er und 90er Jahre. "Linke Bombenleger" hätte mein in dieser Hinsicht schrecklich konservativer Vater gesagt. Aber die Hoch - Zeiten der poltischen Ideologien scheinen mir definitiv vorbei zu sein. Links, rechts, alternativ, liberal, was heißt das eigentlich heuzutage? Für mich sind das nur noch leere Worthülsen, die von Politikern verwendet werden, um sich im Wahlkampf von den Konkurrenten abzugrenzen, mehr nicht. Auch A Silver Mt. Zion wollen mit ihren Songs nicht politisch sein, wenn das Zitat des Sängers Efrim Menuck stimmt (Quelle Wikipedia), das er nach einem Gig in Nottingham 2004 verlauten ließ: "We are not trying to be political with our songs, but write songs about the sorts of things we talk about with our friends." Dieses Zitat steht in einem gewissen Gegensatz zu anarchistischen Tendenzen, die man der Band nachsagt. Und natürlich gibt es die bei A Silver Mt. Zion. Wenn sich Sänger und Gitarrist Efrim zum Beispiel wie heute geschehen, über die "funny, little policemen with their funny little uniform" lustig macht, die es in Frankreich gäbe und die die "funniest, litlle policemen in whole Europe seien (mit Ausnahme von Belgien, die seinen dort ähnlich "funny"), dann freut er sich schon diebisch. Oder aber, wenn er eine lange Liste mit Musikern aufzählt, denen er das Lied "1.000.000 died to make this sound" widmet. Eine lange Liste bestehend aus Künstlern, die kaum jemand kennt, da sie alle arm und krank gestorben sind ( "dedicated to all the musicians who died poor"). Und schließlich, wenn er sagt, daß sie lieber in einem gruftigen Keller wie der Maroquinerie spielen, als in einem "fancy theater". Dabei könnten sie bestimmt einen größeren Raum füllen, schließlich haben sie zweimal hintereinander die Maroquinerie ausverkauft. Vielleicht sollten sie mal das spießige Olympia ("a fancy theather?") aufmischen und den Anzug-und Krawattenträgern dort einen Schreck einjagen?!
Aber Anarchos hin oder her, was mich an A Silver Mt. Zion begeistert, sind die äußerst vielschichtigen Kompositionen, der dramatische Aufbau der Lieder, die wundervoll melancholischen Geigen und der greinende, weinerliche Gesang von Efrim. Wahre Klagelieder sind das, genau richtig, um sich auszuheulen und im Chor mitzusingen, mit dem Köpfchen zu wackeln, wie das bei Post-Rock Konzerten immer üblich ist und - nachdem eines der jeweils immer 15 minütigen Lieder verklungen ist - frenetisch Beifall zu klatschen. Der tosende Applaus des Publikums gleicht dabei immer ein wenig dem Geklatsche nach einem Theaterstück. Auch da mischt sich die Begeisterung über eine dramatische Darbietung mit dem erlösenden Gefühl, daß ein langes, ja mitunter anstrengendes Stück, seinen Abschluß gefunden hat. Auch heute gab es in kanpp hindert Minuten wieder nur ganze 7 Lieder. Aber die hatten es in sich. Efrim klagte und weinte, daß ich ihm am liebsten ein Taschentuch gereicht hätte, die beiden Geigerinnen Sophie Trudeau und Jessica Moss (die mit den Greifvögel-Tatoos) fidelten wunderschön und Becky Foon und Thierry Amar griffen beherzt in die Saiten ihres Cellos bzw. Kontrabasses. Im Background singt jeder von ihnen mit und für die marschmäßigen Drums sorgt Teufelskerl Eric Craven. Zusammen bauen sie eine unfassbare Spannung und Intensität auf, die in der Musikszene ihresgleichen sucht. Verheimlichen will ich aber nicht, daß es manchmal ein klitzeklein wenig zäh und anstrengend wird, wenn man über 10 Minuten auf das orgasmische Finale warten muß. Jeweils wird man aber für die Geduld reich belohnt und die Endorphine werfen Blasen...
Welche Lieder waren besonders hervorzuheben? - Das ist nicht leicht zu sagen, alle 7 Stücke hatten ihren Reiz. Beonsders gut aufgenommen wurde das anklagende "1.000.000 Died To Make This Sound", ein Lied das ich auch schon im Cabaret Sauvage, bei meinem ersten Gig mit den Kanadiern geboten bekommen hatte. Aber auch "Black Waters Blowed", ein Lied über die eiskalten Winter in Montréal ("when all your friends disappear") oder das Titelstück des neuen Albums "13 Blues For Thirteen Moons" (man beachte die wechselnde Schreibweise der Ziffer 13), das ausdrücklich als "this is not a love song" ankündigt wurde, waren spannend.
Alles in allem bekam man für knapp 20 Euro ein faszinierendes Konzert geboten, welches auch noch durch zwei Zugaben, einem Megaphon- Einsatz, und einem abschließenden, sehr festlichen "Hang On To Each Other" gekrönt wurde.
Setlist Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-la-la Band, La Maroquinerie, Paris:
01: Metal Bird
02: Black Waters Blowed/Engine Broke Blues
03: 13 Blues For Thirteen Moons
04: 1.000.000. Died To Make This Sound
05: There's A Light*
06: Microphones In The Trees (Z)
07: Hang On To Each Other (Z)
* nein, nein, keine Coverversion von Morissey und den Smiths.
Fotos von Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-la-la Band hier
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 13.04.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: circa. 100 Minuten
Paris bei Regen ist so grau und häßlich wie ich mir Wanne-Eickel vorstelle.
Die Tropfen prasseln auf den schwarzen Asphalt und die schlecht verputzten Hauswände, die bei Sonnenschein charmant wirken, sind trist und abweisend. Paris, die schönste Stadt der Welt? War da was?
Die U-Bahn Station Ecole Militaire, in die ich hinabsteige, um zum Konzert von A Silver Mt. Zion zu kommen, ist ähnlich grau und deprimierend. Zu Renovationszwecken wurden sämtliche Werbeplakate entfernt und die Wände freigelegt. Teilweise schimmern noch alte Reklamefetzen von längst vergangenen Zeiten hindurch, was nicht uninteressant ist. Ansonsten erblicken meine Augen aber nur rußgeschwärztes Mauerwerk. Paris an einem verregneten Sonntag, niederschmetternd und traurig.
Genauso stelle ich mir Macclesfield, England, vor, daß Kaff in dem sich Ian "Joy Division" Curtis erhängt hat. Kein Ort, um gut zu leben. Auf meinem I-pod läuft "Atrocity Exhibition" (übersetzt: Ausstellung von Grausamkeiten), eine Aufnahme aus Manchester, The Factory, vom 13. July 1979. "This is the way, step inside!", schreit Ian wie ein Bessener und mir wird ganz anders. "Step insiiiiide!!!" Mister Curtis muß wie in Trance gewesen sein als er das gesungen hat.
Post - Punk war die Schublade, in die man Joy Division gesteckt hat. Und Post - Rock ist das Etikett, daß man Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra aufkleben will, obwohl deren langmähniger Sänger Efrim Menuck diesen Begriff nicht sonderlich mag. Wenn man Wikipedia Glauben schenken darf, identifiziert er sich eher mit dem Punk- Rock Ethos. Interessant, Post - Punk und Post - Rock scheinen also gar nicht so weit auseinander zu liegen. Was verbindet die beiden Stilrichtungen, was unterscheidet sie?, frage ich mich als ich in dem Bus 96 sitze, der mich den Berg, den die rue menilmontant darstellt, hinauffährt, damit ich den Mt. Zion sehen kann.
Ganz klar: Das depressive, ja suizide Element ist beiden Stilen eigen. Man mag es jeweils düster und traurig. Der (Post)- Punk kommt aber schneller auf den Punkt, selten ist ein Lied viel mehr als 3 Minuten lang. Die Deprikeule bekommt man also unvermittelt in die Fresse geballert. Beim Post- Rock hingegen läßt man sich ewig Zeit, über etliche Minuten wird eine Spannung aufgebaut, die sich letztendlich in einem explosiven und extatischen Ende mit viel Geschrei und Gepolter entlädt. Und die Fans sehen unterscheidlich aus, obwohl es auch hier Schnittmengen gibt, wie man bei politischen Koalitionsverhandlungen immer so schön sagt.
Der typische Post-Rocker hat eine lange Matte und trägt Vollbart, oder einen ungepflegten Dreitagebart. Auf seine Klamotten legt er nicht viel wert, der Fummel ist meist grau und unförmig. Die Frauen der Szene, die in der Minderheit sind, sind oft ein wenig feministisch drauf und zum Teil lesbisch. Insgesamt fühlt man sich unter diesen Leuten wie im Berlin- Kreuzberg der 80er und 90er Jahre. "Linke Bombenleger" hätte mein in dieser Hinsicht schrecklich konservativer Vater gesagt. Aber die Hoch - Zeiten der poltischen Ideologien scheinen mir definitiv vorbei zu sein. Links, rechts, alternativ, liberal, was heißt das eigentlich heuzutage? Für mich sind das nur noch leere Worthülsen, die von Politikern verwendet werden, um sich im Wahlkampf von den Konkurrenten abzugrenzen, mehr nicht. Auch A Silver Mt. Zion wollen mit ihren Songs nicht politisch sein, wenn das Zitat des Sängers Efrim Menuck stimmt (Quelle Wikipedia), das er nach einem Gig in Nottingham 2004 verlauten ließ: "We are not trying to be political with our songs, but write songs about the sorts of things we talk about with our friends." Dieses Zitat steht in einem gewissen Gegensatz zu anarchistischen Tendenzen, die man der Band nachsagt. Und natürlich gibt es die bei A Silver Mt. Zion. Wenn sich Sänger und Gitarrist Efrim zum Beispiel wie heute geschehen, über die "funny, little policemen with their funny little uniform" lustig macht, die es in Frankreich gäbe und die die "funniest, litlle policemen in whole Europe seien (mit Ausnahme von Belgien, die seinen dort ähnlich "funny"), dann freut er sich schon diebisch. Oder aber, wenn er eine lange Liste mit Musikern aufzählt, denen er das Lied "1.000.000 died to make this sound" widmet. Eine lange Liste bestehend aus Künstlern, die kaum jemand kennt, da sie alle arm und krank gestorben sind ( "dedicated to all the musicians who died poor"). Und schließlich, wenn er sagt, daß sie lieber in einem gruftigen Keller wie der Maroquinerie spielen, als in einem "fancy theater". Dabei könnten sie bestimmt einen größeren Raum füllen, schließlich haben sie zweimal hintereinander die Maroquinerie ausverkauft. Vielleicht sollten sie mal das spießige Olympia ("a fancy theather?") aufmischen und den Anzug-und Krawattenträgern dort einen Schreck einjagen?!
Aber Anarchos hin oder her, was mich an A Silver Mt. Zion begeistert, sind die äußerst vielschichtigen Kompositionen, der dramatische Aufbau der Lieder, die wundervoll melancholischen Geigen und der greinende, weinerliche Gesang von Efrim. Wahre Klagelieder sind das, genau richtig, um sich auszuheulen und im Chor mitzusingen, mit dem Köpfchen zu wackeln, wie das bei Post-Rock Konzerten immer üblich ist und - nachdem eines der jeweils immer 15 minütigen Lieder verklungen ist - frenetisch Beifall zu klatschen. Der tosende Applaus des Publikums gleicht dabei immer ein wenig dem Geklatsche nach einem Theaterstück. Auch da mischt sich die Begeisterung über eine dramatische Darbietung mit dem erlösenden Gefühl, daß ein langes, ja mitunter anstrengendes Stück, seinen Abschluß gefunden hat. Auch heute gab es in kanpp hindert Minuten wieder nur ganze 7 Lieder. Aber die hatten es in sich. Efrim klagte und weinte, daß ich ihm am liebsten ein Taschentuch gereicht hätte, die beiden Geigerinnen Sophie Trudeau und Jessica Moss (die mit den Greifvögel-Tatoos) fidelten wunderschön und Becky Foon und Thierry Amar griffen beherzt in die Saiten ihres Cellos bzw. Kontrabasses. Im Background singt jeder von ihnen mit und für die marschmäßigen Drums sorgt Teufelskerl Eric Craven. Zusammen bauen sie eine unfassbare Spannung und Intensität auf, die in der Musikszene ihresgleichen sucht. Verheimlichen will ich aber nicht, daß es manchmal ein klitzeklein wenig zäh und anstrengend wird, wenn man über 10 Minuten auf das orgasmische Finale warten muß. Jeweils wird man aber für die Geduld reich belohnt und die Endorphine werfen Blasen...
Welche Lieder waren besonders hervorzuheben? - Das ist nicht leicht zu sagen, alle 7 Stücke hatten ihren Reiz. Beonsders gut aufgenommen wurde das anklagende "1.000.000 Died To Make This Sound", ein Lied das ich auch schon im Cabaret Sauvage, bei meinem ersten Gig mit den Kanadiern geboten bekommen hatte. Aber auch "Black Waters Blowed", ein Lied über die eiskalten Winter in Montréal ("when all your friends disappear") oder das Titelstück des neuen Albums "13 Blues For Thirteen Moons" (man beachte die wechselnde Schreibweise der Ziffer 13), das ausdrücklich als "this is not a love song" ankündigt wurde, waren spannend.
Alles in allem bekam man für knapp 20 Euro ein faszinierendes Konzert geboten, welches auch noch durch zwei Zugaben, einem Megaphon- Einsatz, und einem abschließenden, sehr festlichen "Hang On To Each Other" gekrönt wurde.
Setlist Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-la-la Band, La Maroquinerie, Paris:
01: Metal Bird
02: Black Waters Blowed/Engine Broke Blues
03: 13 Blues For Thirteen Moons
04: 1.000.000. Died To Make This Sound
05: There's A Light*
06: Microphones In The Trees (Z)
07: Hang On To Each Other (Z)
* nein, nein, keine Coverversion von Morissey und den Smiths.
Fotos von Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-la-la Band hier
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