Dienstag, 26. November 2013

Sigur Rós, Düsseldorf, 25.11.13


Konzert: Sigur Rós
Ort: Mitsubishi Electric Halle
Datum: 25.11.2013

Zuschauer: ca. 3.500

 

von Dirk aus Mönchengladbach

Ein weiterer Konzertbericht über Sigur Ros erscheint zunächst sinnlos. Anwesenden braucht man das Geschehene nicht noch mal schildern, Abwesenden ist das ganze sowieso nicht vermittelbar. Doch diesmal muss es noch einmal sein, denn Sigur Ros verbringen an diesem Abend wieder eines ihrer stetigen Wunder. Sie bescheren mir einen fantastischen Konzertabend, und dies ausgerechnet in der von mir verhassten alten Philipshalle. 

Das Konzert beginnt, die Band spielt, wie in den letzten Jahren fast immer, hinter einem halbtransparenten Riesenvorhang. Und vom ersten Ton an spürt man die Magie, die ich zwischen den Tourneen der Isländer immer wieder vergesse. Die Halle klingt so gut, wie ich es dort noch NIE erlebt habe, jedes Knarzen, jedes Atmen, Bläser, Streicher alles ist in einer Klarheit zu hören, die man von einem Konzert nicht erwarten kann. Und doch ist alles live. Während Portishead es schaffen, elektronische Musik manuell zu reproduzieren, wird bei Sigur Ros akustische Musik aus ihren Einzelteilen zu einem völlig neuen, großartigen Ganzen. 


Alles ist gewollt, notwendig und macht in seiner puren Spielfreude Sinn. Trotz der Perfektion wird hier munter von Abend zu Abend die Setlist verändert, sie als Best-Of zu bezeichnen wäre ein Witz. Gespielt wird, was die Band möchte und das spürt und hört man in jeder Sekunde. Das klassische Bandgefüge ist aufgehoben. Die drei Gründungsmitglieder stehen in einer Reihe von Bass, Gesang/Gitarre und Schlagzeug vorne am Bühnenrand. 

Der Bass ist wuchtig und wichtig in diesem Ensemble, denn er muss sich gegen den wechselweise als böser Wolf oder scheues Lamm aufspielenden Drummer stellen. Jonsi präsentiert sich diesmal wechselweise rot von unten angestrahlt als schreiender Dämon oder als Zirkusdirektor im Fantasie-Frack vor seiner vielköpfigen Band. 

Das Bühnenbild ist ein Traum, die Musik ein Rausch, es scheint für Sigur Ros auch nach über 10 Jahren nur einen Weg zu geben. Noch besser zu werden. 

Zu viele meiner Lieblingsbands scheiterten in dieser Halle, konnten den Sprung vom „kleinen“ Saal in die große Welt nicht stemmen. Die Isländer schaffen dies mit der schwersten Bürde (-getragene Songs, ohne echte Hits, gesungen in einer Phantasiesprache) in unglaublicher Leichtigkeit. 

Wie gut muss man sein, um diese Intensität auf jahrelangen Touren immer auf höchstem Niveau präsentieren zu können? 

Und so endet es wie immer, beseelt und pfeifend taucht man in die kalte Nacht ein, ohne Sorgen über gestern und morgen. 

“Kannst du vor deinen Augen 
Die Explosionen sehen? 
Ein Feuerwerk in der Nacht. 
Alles gehört dir 
Alles explodiert 
Kein Wille triumphiert” 
Tocotronic 

Setlist Sigur Rós, Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf:

01. Yfirborð 
02. Vaka 
03. Brennisteinn 
04. Glósóli 
05. Stormur 
06. Hrafntinna 
07. Sæglópur 
08. Varúð 
09. Hoppípolla 
10. Rafstraumur 
11. Kveikur 
12. Festival 
13. Popplagið 

Links:

- aus unserem Archiv:
- Sigur Rós, Esch-sur-Alzette, 23.11.13
- Sigur Rós, Rom, 28.07.13
- Sigur Rós, Best Kept Secret Festival, 23.06.13
- Sigur Rós, Wien, 04.09.12
- Sigur Rós, Paris, 15.11.08
- Sigur Rós, Köln, 11.08.08



7 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Super Dirk, dass Du das aufgeschrieben hast! Vielen Dank.

Anonym hat gesagt…

Genau so war es! Nur eine Zugabe wär schön gewesen?

Anonym hat gesagt…

Nach popplagið darf keine Zugabe mehr kommen... Man muss aufhören wenn's am Schönsten ist! Und das machen Sie jedes Mal nach diesem Lied... Aber ja: sie hätten gerne noch zwei Stunden weiter spielen können... Svefn-G-englar, Í gær, Starálfur, Samskeyti, Ekki múk... Sooo viele Songs, die ich gerne noch gehört hätte... Und tatsächlich: selten ein so gut abgemischtes Konzert gehört. Der Klang war hervorragend!

Anonym hat gesagt…

Ich muss sagen, dass ich den Sound besonders am Anfang nicht gut fand und einige Probleme bei der Gesangsabnahme vorlagen. Ich stand mittig. Gut abgemischt war das stellenweise leider auch nicht.

Die größte Katastrophe war aber das Publikum, dass schöne Moment kaputt macht, in dem es unsinnigerweise anfängt im Rythmus (immerhin) zu klatschen. Außerdem nicht abwarten kann bis ein Song wirklich ausgeklungen ist. Hab das auf noch keinem Sigur Ros Konzert so erlebt.

Ansonsten großartige Band, die immer wieder Gänsehautmomente erzeugt, aber immer noch am besten auf Festivals aufgehoben ist.

Anonym hat gesagt…

Und zu einem Sigur Ros Konzert ein Tocotronic Zitat anzubringen tut irgendwie in der Seele weh ;)

Aboyandhistree hat gesagt…

Danke für den stimmigen Bericht. Bin immer noch sprachlos und hoffe das das Kribbeln nicht weg geht. Das Klatschen fand ich auch eher sinnentleert.

So jetzt gehts zurück unter die Kopfhörer.

aboyandhistree

daniel hat gesagt…

Hallo Dirk,
vielen Dank für diesen wunderbar, stimmigen Beitrag... Ich selbst habe Sigur Ros gesehen und muss sagen.. Düsseldorf war tatsächlich sehr gut... auch ich bin kein Freund der Halle, und von daher musste ich schmunzeln, also du dieses Thema aufgeriffen hast.. wenngleich ich dir komplett zustimmen muss... Besser habe ich die Halle ebenfalls noch nie erlebt. Leider muss ich auch einem anderen Kommentar zustimmen... Das Publikum war tatsächlich "gewöhnungsbedürftig" hat mir doch etwas der Zugang zu der Magie aus dem Publikum gefehlt... welche vom ersten Moment von der Bühne kam.
Alles in allem ist meiner Meinung nach, jedes Meckern, auf einem so hohem Niveau, wo 90% von Livekonzerten nicht annähernd hinkommen.
Sigur Ros war und ist für mich eine der Besten Livebands die es gibt !

 

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