Konzert: Midlake (Melanie de Biasio, Daan) at Pias Nites
Ort: La Fléche d'or, Paris
Datum: 28.10.2013
Konzerdauer: knapp 75 Minuten
Zuschauer: ausverkauft
Wäre es eigentlich vorstellbar daß die Babyshambles ohne Pete Doherty auftreten könnten? Daß sie z.B. den Bassisten Drew McConnell ans Mikro stellen und alte Hits wie Delivery oder Albion spielen? Und wie viele Leute würden dann kommen? - Wahrscheinlich kaum eine Sau!
Bei Midlake lag der Fall gestern in Paris anders. Die amerikanische Folkrockband trat ohne ihren Sänger Tim Smith an, der inzwischen die Gruppe verlassen hat, und ließ statdessen den vormaligen Gitarristen Eric Pulido singen. Und dennoch war die rund 600 Leute fassende Fléche d'or ausverkauft. Beleg dafür, daß Tim Smith trotz seines Goldkehlchens einfach kein besonders charismatischer Frontmann war und somit in keiner Weise mit Pete Doherty oder anderen Paradiesvögeln vergleichbar ist.
Dennoch: ein paar Leute äußerten hinter, daß es der Neue nicht bringe und sie das Gefühl gehabt hätten, eine Midlake Coverband gesehen zu haben.
Ich persönlich war da ganz anderer Meinung. Von der ersten Minute an überkamen mich massive Glücksgefühle, denn mit Young Bride und We Gathered In Spring wurde mit Stücken von meinem absoluten Lieblingsalbum The Trials van Occupanther angefangen. Unbeschreiblich was da in mir vorging! Ich dachte an die vielen wundervollen Stunden, die ich mit dem Album verbracht habe, als ich mit meinem Ipod und den zeitlos schönen Songs am Eiffelturm spazieren ging. Im Jahre 2006 war das, meine Begeisterung für Midlake kannte damals kaum Grenzen. Auch die Konzerte von Midlake habe ich genossen, besonders blieb mir der hervorragende Gig im Trabendo in Erinnerung. Daneben gab es aber auch Festivalauftritte, die zwar schön, aber nicht unbedingt orgasmisch toll waren. Dazu waren die Burschen einfach zu schüchtern und bescheiden und vielleicht auch noch etwas jung.
Im Jahre 2013 nun also die gleiche Band, ein paar Jahre älter (aber nicht wirklich fetter obwohl der neue Frontmann Eric das schelmisch schmunzelnd behauptete), aber ohne ihren alten Anführer. Die Texaner kompensierten diese Tatsache verblüffend gut. Zugegebenermaßen musste auch ich mich erst einmal an den leicht veränderten Gesang gewöhnen, aber spätestens nach einer halben Stunde Spielzeit und ein paar neuen Songs, hatte ich Eric als neuen Sänger adoptiert. Er hat zweifelsohne eine schöne Stimme, durchaus mit der seines Vorgängers vergleihcbar und zudem eine angenehme Ausstrahlung.
Seine Bandkollegen spielten ihrerseits psychedelischer und rockiger denn je. Absolut herausragend war hierbei Schlagzeuger McKenzie Smith, der hinten den ganzen Laden aufwirbelte und spielte wie ein ganz Großer seiner Zunft. Er hatte seine besten Momente, wenn Midlake in längere instrumentale Phasen abdrifteten, die klar machten, daß sie keine reine Folkband mit ruhigen Liedern sind, sondern eine bärenstarke Truppe mit gleich zwei E-Gitarren und einem satten Bass. Beim allerletzten Lied Head Home wurde das Ganze gar so furios präsentiert, daß ich ob der minutenlangen Dauerbefeuerung selbst in Ekstase geriet.
Vorher wurden aber auch mitunter leisere Töne angeschlagen und hochmelödiös und poetisch war es sowieso immer. Kaum eine Band hat so filigrane, feinziselierte Songs zu bieten, Songs wie den herzerwärmenden The Courage Of Others, die das Zeug zu modernen Klassikern haben.
Was die Langzeitwirkung der neuen Liedern von dem bald erscheinenden Album Antiphon zu halten ist, war nach lediglich einem Hördurchgang für mich freilich kaum zu beurteilen, wenngleich Antiphon und Provider auf Anhieb aufhorchen ließen. Klar wurde aber jetzt schon, daß Midlake als Band, in der jeder seine wichtige Rolle spielt (Pluspunkte neben dem bereits oben gelobten Drummer für den exquisiten Querflötenspieler!), gewachsen ist, was auch in der Performance und den Stücken zum Ausdruck kam. Vormals waren sie sicherlich eher auf die Person des Sängers Tim Smith und seine Liedschreibkunst fixiert, nun aber ist es eher eine Teamleistung, die sie zeigen.
Aus der Zeit von Tim stammt allerdings ein Stück namens Kingfish Pies vom ersten Album Bamnan and Silvercork, das man knapp zehn Jahre nach seinem Erscheinen noch einmal wiederentdecken sollte. Schon damals waren Midlake eine feinfühlige, melodienverliebte Band und dass es nun auch ohne Smith trotzdem weitergeht, erfeut um so mehr.
Eine Stunde Konzert mit Midlake war jedenfalls trotz der Bullenhitze in der Fléche d'or ein richtiger Genuss und da auch die vorher auftretende belgische Jazzsängerin Mélanie de Biasio Erlesenes zu bieten hatte, konnte man wirklich von einem gelungenen Abend sprechen.
01: Young Bride
02: We Gathered In Spring
03: Antiphon
04: Provider
05: Rulers, Ruling All Things
06: The Courage Of Others
07: Kingfish Pies
08: It's Going Down
09: Aurora Gone
10: The Old & The Young
11: Roscoe
12: Reprise
13: Head Home
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