Sonntag, 11. November 2012

Daughter, Luxemburg, 10.11.12


Konzert: Daughter
Ort: Exit 07, Luxemburg
Datum: 10.11.2012
Zuschauer: 250 (ausverkauft)
Dauer: Daughter 55 min, Monophona gut 35 min 



Meinen nicht-Musikfreunden, also den Personen in meinem Umfeld, die keinen an der Klatsche habe, kann ich nicht mehr vermitteln, warum ich 150 km fahre, um eine englische Band zu sehen, die noch kein Album veröffentlicht hat. Ich versuche es dann auch gar nicht mehr und antworte extrem einsilbig auf Fragen nach meiner Abendplanung. "Konzert halt."


Ob ich mir Daughter ansehen würde, wäre eh die falsche Frage gewesen, das hatte ich nie infrage gestellt. "Wo" war es, und das wurde kompliziert, weil meine derzeitige Lieblingsband einen großen Bogen um Köln oder Frankfurt macht. Die Arbeit am Album ließe keine größere Tour zu, sagte mir Gitarrist Igor Haefeli nach dem Konzert. Der kleine Luxemburger Club Exit 07 war die nächstbeste Wahl. Ich mag den Laden und habe da schon zwei sehr gute Konzerte gesehen (Blouse und Veronica Falls).


Wenn man mit riesigen Erwartungen an einen Abend rangeht, geht der oft schief. Heute hatte ich davor keinerlei Angst. Daughter hatte ich im August in Haldern gesehen, ich wusste also schon, daß das junge Londoner Trio auch auf der Bühne den Zauber verbreitet, der auf seinen wenigen Veröffentlichungen so eindrucksvoll zur Geltung kommt. Ganz ganz selten hat mich eine Band mit ihren ersten Liedern so sehr fasziniert. Der Auftritt im Halderner Spiegelzelt war der mit Abstand beste des Festivals. Seit Sommer sind die beiden EPs der Band meine meistgehörten Platten, ohne daß die Stücke irgendetwas an Reiz eingebüßt haben. Auf den Haldern Auftritt hatte ich mich schon gefreut, auf das heutige Konzert ungleich mehr. Unterschiedliche Erwartungshaltung hin oder her, das Ergebnis ist gleich: das Konzert war vorzüglich, die Band, vor allem Frontfrau Elena Tonra (die den gleichen Frisör wie Charlatans Frontmann Tim Burgess hat) hochgradig liebenswert und alles andere vollkommen egal!


Daughter fingen erst um 23.10 Uhr an. Das Vorprogramm bestritt eine Luxemburger Band namens Monophona, die mich manchmal an die Rainbirds erinnerte. Erwähnenswert bei ihrem Auftritt war eine nette Idee: die Sängerin hockte sich bei einem der Lieder auf den Boden und tippte etwas auf einer alten Schreibmaschine, die auf der Bühne stand. Das Getippte gab sie anschließend einer Frau im Publikum. "Man versteht nie, was ich singe, also habe ich es aufgeschrieben."* 


Daughter begannen mit einer B-Seite, mit Run von der aktuellen Single Smother. Bei anderen Bands fände ich einen solchen Auftakt arrogant, hier wäre das eine vollkommen falsche Interpretation, weil Run kein Lückenbüßer aus Verlegenheit sondern ein großer Hit ist. Außerdem ist das Stück ganz typisch für die Musik der Gruppe. Elenas tiefe verträumte und extrem klare Stimme, die etwas gelangweilten Gitarren (wundervoll!) und das ruhige Schlagzeug erzeugen Lieder, die wie keine der oft zitierten Referenzen klingen. Besonders gut gefiel mir bei Run, daß Schlagzeuger Remy während des Lieds zusätzlich Gitarre spielte, mit dem Drumstick in seiner anderen Hand. Ich bin sehr sicher, daß Run auf der Debütplatte des Trios sein wird, alles andere wäre eine riesige Verschwendung, das Lied ist fabelhaft!


Blöderweise hatte ich mich aus dämlicher Rücksicht ganz an den Rand gestellt, um niemandem im Weg zu stehen. Von meinem Platz in der Bühnenecke kam ich leider nicht mehr weg und hatte da das Vergnügen, einer jungen Frau mit riesigen Handy bei den Versuchen zugucken zu dürfen, sich und den Lover auf eines ihrer überflüssigen Fotos zu bekommen, natütlich mit Blitz und ekelhafter Penetranz. Pausen machte sie nur, um an den falschen Stellen im falschen Rhythmus mitzklatschen. Normalerweise nimmt mir das jeden Spaß am Konzert, Daughter waren dafür eine Ecke zu gut, den Rest machte der aufmerksame Ordner neben mir, der sagte, ich solle mich doch auf die Bühne setzen. Spätestens von da an war alles gut!


Daughter spielten etwas länger als erwartet. Viel mehr als 35 Minuten hatte ich ihnen nicht zugetraut, auch weil der späte Start dafür sprach, daß spätestens um Mitternacht Schluß sein sollte. Es wurde eine knappe Stunde, dabei spielten die Londoner neben Stücken von den beiden EPs und der Single die (wohl) unveröffentlichten Tomorrow und In the shallows. Auch Tomorrow ist in vielerlei Hinsicht herausragend und typisch. Das Stück fängt sehr langsam und ruhig an, zum Ende hin werden die Gitarren immer lauter. Dazu der betörende Gesang und der rabenschwarze Text, was für eine tolle Musik! Das andere sehr laut endende Lied Home beendete das Set ohne Zugaben.

Es gibt nichts hervorzuheben, Daughter haben keine schlechteren oder besseren Lieder. Mein Liebling ist zur Zeit Candles, das ist aber wie bei basisdemokratischen Parteien, da ist jeder mal dran.

Das wäre alles schon einmal ausreichend für ein großartiges Konzert. Allerdings kommt zur wundervollen Musik noch die charismatische Band. Die Musiker sehen so herrlich verhutschelt aus, gerade Elena unter ihrer Lampenschirmhaaren (natürlich die beste Bandfrisur des Jahres!). Ganz besonders liebenswert sind aber die kleinen Ansagen der Sängerin. Sie hat ein herrlich altmodisches Lachen. Keine Ahnung, ob das nur an der tiefen Stimme liegt, Elena lacht jedenfalls sehr englisch (das macht die Beschreibung auch nicht besser), es ist unglaublich toll! Das war auch ihr Lachanfall während Youth, als sie sich immer wieder selbst unterbrach, das Lied aber souverän zu Ende brachte. Ach, war das alles schön!


Mein einfaches Gemüt braucht nicht viel, um richtig glücklich zu sein. Aber eine auf die Hand geschriebene Setlist begeistert mich dann doch noch einmal besonders!

Solche Bands und Konzerte rechtfertigen nicht nur tiefe Ränder unter den Augen und lange Autofahrten, sondern eben auch, daß Außenstehende nichts davon nachvollziehen können.

Setlist Daughter, Exit 07, Luxemburg:

01: Run
02: Landfill
03: Love
04: Candles
05: Youth
06: The woods
07: In the shallows
08: Smother
09: Tomorrow
10: Home

Links:

- Daughter, Haldern, 11.08.12

* sinngemäß. Sie sprach Lëtzebuergesch.


4 Kommentare :

Guido hat gesagt…

Bin auch noch im "Daughter-Fieber" und kann es kaum erwarten bis sie hoffentlich nach der Veröffentlichung ihrer CD für ein paar Konzerte mehr auch nach Deutschland gebucht. Das würde ich mir doch glatt ein paar Tage Urlaub kosten lassen.

Guido hat gesagt…

wie kommt denn das gebucht hier in meinen Kommentar? Liegt wahrscheinlich am "Fieber"!

brigitte link hat gesagt…

Toller artikel. Und einzigartige Fotos lb .christoph. Hast du eine neue Kamera???? Danke für alles

Patrick Horn hat gesagt…

Schöner Bericht, danke!

Bin auch immerhin 100 km gefahren (von Saarbrücken), obwohl ich Daughter vorher nicht kannte und nur kurz 1 Song gehört hatte (nach dem Checken des EXIT07-Newsletters...), aber das hat gleich gereicht, um zu wissen, dass ich da hin muss.

Und ich hatte nicht mal eine Karte bestellt vorher, bin aber gerade noch so reingekommen. Kurz danach hing draußen der SOLD OUT Zettel. Uff ...

Hat sich sehr gelohnt + die beiden EPs auch gleich dort gekauft. Könnte die auch ständig hören!

Ich hätte auch noch 2 Videoaufnahmen ("Tomorrow" + "Home" komplett) ... vielleicht bald auf YouTube ...

Grüße! Patrick

 

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