Konzert: Dark Dark Dark Ort: Maison de la Radio France, Black Session # 330 chez France Inter Datum: 20.06.2011 Zuschauer: viele Konzertdauer: eine Stunde
Wehmut und ein diffuser Trennungschmerz lasteten auf der heutigen Black Session # 330 in den Studios des Radiosenders France Inter.
Und dies lag nicht in erster Linie an der auftretenden Band Dark Dark Dark und ihren hochmelancholischen Bildschönsongs, sondern den aktuellen Umständen bei France Inter. Moderator Bernard Lenoir sprach von der möglicherweise allerletzten Session, die wir heute hier erleben würden. Verzweifelte Buhrufe erfüllten das Studio, aber Lenoir beschwichtigte die Gemüter sofort, erwähnte fast entschuldigend die unsicheren Zeiten, in denen wir heute leben würden und sprach die Hoffnung aus, daß es nach den Sommerferien doch wieder weiter gehe. Allerdings würden die Räumlichkeiten auf jeden Fall umgebaut und auch das Konzept werde höchstwahrscheinlich verändert.
Im Klartext: die Session # 330 war eine historische und markiert das Ende einer langen Erfolgsgeschichte, in der unzählige Bands von Rang und Namen hier musiziert haben. Nur ein paar Namen: Yo La Tengo (2 Sessions, Foto) The Cure, Cat Power, Pulp (gleich mehrfach), James, The Wedding Present, Beirut, Eels, Mercury Rev, Radiohead, Suede, Dinosaur Jr, Stereolab, The Breeders, Mazy Star, , Teenage Fanclub, The Posies, Elastica, The Jesus and Mary Chain, Lush, The Divine Comedy, Tindersticks, Gang Of Four, The Echo and The Bunnymen, The Verve, Travis, Elliott Smith, Mogwai, Nick Cave And The Bad Seeds, Belle And Sebastian (2), The Delgados, Bonnie Prince Billy, Deus, Pavement, Supergrass, Calexico, REM, Michael J. Sheehy, Interpol (2), Beth Orton, The National, The Kills, Lambchop, Franz Ferdinand, The Beta Band, Herman Düne, Anna Ternheim, Loney, Dear, Sufjan Stevens, Bloc Party, Bright Eyes, Kaiser Chiefs, Andrew Bird, Sparklehorse, Arctic Monkeys, Low, Electrelane, Rose Kemp, The XX, Field Music ...
Wahnsinn, oder? Nun gut, es gibt einen recht großen Schönheitsfehler: die beste Band Frankreichs und eine der besten Bands weltweit, Syd Matters, wurde nie eingeladen. Vielleicht ist die Absetzung der Sessions also eine Strafe Gottes, der weiß, daß es in Frankreich nie talentiertere Musiker als Syd Matters gab und daß es eine Sünde war, sie nie bei C'est Lenoir auftreten zu lassen.
Aber kommen wir zu Dark Dark Dark. Diese wurden vom Moderator als eine Band angekündigt, die Elemente des Pop, des Americana, des Jazz und der Balkanfolklore verbindet und eine Sängerin mit einer fabelhaften Stimme aufzubieten hat.
Und Bernard Lenoir hatte natürlich nicht zu viel versprochen, Nina Marie Invie sang schon wieder herzerweichend und die Band bewegte sich in der Tat im Spannungsfeld der obengenannten Stilrichtungen.
Eine sechsköpfige Truppe hatte sich auf der Bühne versammelt, darunter diesmal auch ein Cellist, den ich nie zuvor bei Konzerten von Dark Dark Dark geboten bekommen hatte. Er spielte ganz wundervoll und die harmonische und samtweiche Note des Cellos passte perfekt zur warmherzigen Musik der Amerikaner. Sehr auffällig auch der Drummer, Mark Trecka, den ich auch schon einmal solo als Singer/Songwriter erlebt hatte (Foto). Der langmähnige Rauschebartträger rührte den Schneebesen, ließ Glöckhen läuten, erzeugte diverse atmosphärische Geräusche mit seinen Sticks und spielte so abwechslungsreich, nuanciert und filigran, daß es eine helle Freude war. In seiner Nähe agierte ein schlaksiger Gitarrist eher dezent.
Die vordere Reihe wurde von drei Multiinstrumentalisten eingenommen. Die zwei Herren wechselten sich mit Nina Invie teilweise am Klavier und Akkordeon ab und spielten ansonsten Trompete und Klarinette (+ ab und an Banjo).
Das Sextett performte wie aus einem Guß, erstaunlich, wie problemlos man den Cellisten in das Line Up einbinden konnte und wie harmonisch alles klang.
Jedes einzelne Lied war der jeweils schönste Lovesong der Welt. Ich schmolz förmlich dahin, als ich Perlen wie In Your Dreams, Something For Myself, oder Celebrate hörte und ließ mich ganz tief in meinen bequemen Sessel fallen. Jeden klitzekleinen Augenblick dieser letzten Black Session genoß ich in vollen Zügen, fühlte mich durch die Anwesenheit von Dark Dark Dark reich beschenkt. Der Wohlklang aus Trompete, Akkordeon und Piano erfüllte meine Ohrmuscheln, streichelte mein Gemüt und ließ mich innerlich bitten, daß dieses Konzert nie zu Ende gehen werde.
Doch nach 50 Minuten wurde bereits der letzte Song angekündigt. Daydreaming kam zum Vortrage und ich fühlte mit jeder Faser meines Körpers die unwiderstehliche Melancholie und die irreale Schönheit dieses Kleinods. "Oh If you knew what it meant to me" greinte Nina Invie und mein Herz pochte wie verrückt. Wie von einem Opiat betäubt lag ich da und ließ mich berieseln, Mann war das himmlisch! Dann aber war Schluß mit den Tagträumen, denn die Show war zu Ende und die Band schlich in die Kabine.
Unter lautem Jubel kamen die Helden noch einmal zurück, boten noch zwei Stücke und beendeten mit der entzückenden Ballade (allein diese kleine Pianomelodie, irre!) Robert die wahrscheinlich letzte Black Session. Nach fast 20 Jahren hieß es Abschied nehmen von einer liebgewonnenen Gratisveranstaltung.
Kaum jemand hätte zum Abschluß besser gepasst als die zärtlichen, einfühlsamen und so viel Trost spendenden Dark Dark Dark. Ein würdiges Ende einer Ära!
Daß Gottschalk weg ist, ist gut so, Bernard hätte aber bleiben sollen. Mensch, mach' weiter, alter Knabe!
Merci Bernard, merci France Inter!Et à bientôt!
Setlist Dark Dark Dark, Black Session # 330, Paris:
01: Something For Myself 02: Say The Word 03: Heavy Heart 04: In Your Dreams 05: Celebrate 06: The Hand 07: All The Things 08: Nobody Knows 09: Trouble No More 10: Bright Bright Bright 11: Daydreaming
20.06.2011: Black Session # 330 chez France Inter, Paris 22.06.2011: Oerol Festival, Terschelling, Niederlande 24.06.2011: Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats, Evreux, Frankreich 25.06.2011: Démon d'or, Lyon 26.06.2011: Bad Bonn, Dudingen, Schweiz 27.06.2011: Beatpol, Dresden 28.06.2011: Café Steinbruch, Duisburg (mit François and The Atlas Mountains) 30.06.2011: Comet Club, Berlin 02.07.2011: Roskilde Festival, Dänemark 03.07.2011: Fusion Festival, Lärz, Deutschland 04.07.2011: Kulturhaus III & 70, Hamburg 05.07.2011: Café Wagner, Jena 06.07.2011: Breminale Festival, Bremen
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