Donnerstag, 23. Juni 2011

Bright Eyes, Paris, 22.06.11


Konzert: Bright Eyes (Jenny and Johnny)
Ort: Théatre de L'Alhambra
Datum: 22.06.2011
Zuschauer: geschätzte 500, nicht ausverkauft
Konzertdauer: fast 2 Stunden


Conor Oberst und seine zahlreichen Bandmitglieder (insgesamt standen 7 Musiker auf der Bühne) boten in Paris ein fetziges und abwechlunsgreiches Set und ließen Wehmut ob des baldigen Endes von Bright Eyes aufkommen.

Ungewohnt rockig und noisig auftrumpfend, und gleich mit zwei Schlagzeugern im Rücken, gab Conor gleich von Beginn an Vollgas und nahm lediglich bei der den offiziellen Teil abschließenden Pianoballade Ladder Song den Fuß vom Pedal.

Fast zwei Stunden lang wurden Songs quer durch den Garten des opulenten Repertoires des Womanizers (die vielen süßen Mädchen im Publikum sprechen hierfür Bände!) aus Nebraska performt, wobei der Schwerpunkt auf den letzten Output The People's Key gelegt wurde (ein mieses Album wie mein Konzertnachbar Erwan meinte, der lieber das Frühwerk mag). Mit dem neuen Werk nicht vertraut, waren die Highlights für mich folglich Stücke wie das bildhübsche, äußerst komplexe No One Would Riot For Less (Album Cassadaga), bei dem Conor insbesonders die Songzeile "you know war, it has no heart" laut greinend und herzerweichend intonierte und Old Soul Song (Wide Awake...), bei dem Nate Walcott mit seiner feinen Trompete wohligste Gefühle bei mir auslöste. Klasse auch Something Vague von Fevers & Mirrors und Jejeune Stars, das mit Sicherheit packendste Lied vom aktuellen Album, zu dem richtig die Post abging. Saturierte Gitarren, zwei galoppierende Schlagzeuge und dazu ein mit teuflicher Inbrunst singender Conor Oberst, selten hatte man Bright Eeyes mit soviel Pfeffer und Schwung erlebt! In einigen Szenen drehte sich der Sänger aus Omaha sogar mehrfach im Kreis, oder aber er machte Abstecher zu den Drummern und heizte ihnen wie verrückt ein.

Auf keinen Fall unterschlagen, sollten wir aber Laura Burhenn. Schon beim countryesken Four Winds (zweites Stück des Sets) orgelte sich die hübsche Blondine ins Rampenlicht und bei einem von ihr am Akkordeon vorgetragenen Lied stand die Backgroundsängerin sogar ganz im Vordergrund. Ein sexy Weibsbild, das auch ohne üppige Oberweite (große Brüste sind völlig überschätzt, die Busengröße bei Frauen ohnehin zweitrangig) viel weiblichen Charme in die Herrenrunde brachte. Eine Herrenrunde, in der der Produzent und Gitarrist Mige Moogis fast ein wenig unterging, weil man ihn hinter Laura kaum sah, vor allem wenn er Pedal Steel im Sitzen spielte.

Alles in allem ein wirklich überzeugendes Konzert, bei dem die Kommunikation mit dem Publikum allerdings nicht im Vordergrund stand. Meistens beschränkte sich Conor auf ein kurzes knappes "merci" und nur bei der Vorstellung seiner Band im Zugabenteil wurde er deutlich gesprächiger und ausschweifender. Lange und ausgiebig wurde jeder einzelne Musiker namentlich erwähnt und auch auf die Herkunft (Los Angeles/Omaha, Portland etc.) bzw. den aktuellen Wohnort wurde hingewiesen. Laura Burhenn spielt übrigens in einer Band names Mynabirds, "check them out", wie Mister Oberst augenzwinkernd empfahl. Witzig auch, daß Conor die Gegend in Nebraska, wo er herkommt, als absolut uninteressant bezeichnete, es sei denn man wolle wissen, wo sein Freund Mike Moogis geboren sei...

Ein klein wenig rumnörgeln muss ich allerdings hinsichtlich des Zugabenteils. Statt Road To Joy ("make some noise!") und One For You One For Me (ein eher mißratenes, fast plattes Stück) hätte ich mir viel lieber Lua, First Day of My Life oder We Are Nowhere And It's Now gewünscht, das sind und bleiben meine Lieblinge im Katalog. Cool allerdings, daß Gold Mine Gutted als erste Zugabe gebracht wurde, denn Digital Ash In A Digital Urn war auch ein phänomenales Album.

Die Zuschauer waren trotz dieser Lücken in der Setlist hochzufrieden und die Leute in den ersten Reihen kamen auch noch in den Genuß, sich die Hand in Fußballer-Manier von Conor abklatschen zu lassen.

Nach der Show hatte Herr Oberst aber keinen Bock mehr auf Fankontakt. Eine halbe Stunde nach dem Konzert eilte er mit seiner Freundin im Arm und Kapuze über dem Kopf nach draußen und machte deutlich, daß er in Ruhe gelassen werde wolle, was eine Spanierin, die mit ihrer (geschätzt) 15 Jährigen Tochter gekommen war geflissentlich ignorierte und ihm wie ein Hündchen hinterherlief. Strange! Mike Moogis war da schon deutlich gesprächiger. Ohne, daß ich großartig auf Konversation machte, erzählte er mir und einer guten Freundin gutgelaunt ein wenig vom Leben auf der Tour, davon daß das Konzert am Vortag in Köln sehr wild und toll gewesen sei und er jede Menge Musik produziere. Und dann drückte er mich am Ende sogar noch ungefragt gegen seine Brust (free hugs!). Wirklich ein netter Kerl!

Achso, die Vorgruppe: Jenny und Johnny waren toll, sehr melodiös, Laune machend und ab und zu (bei den Balladen) auf die Tränendrüse drückend. Jenny Lewis ist sexy und hat eine famose Countrystimme, Johnny, Jonathan, Rice witzig, sehr cool und ebenfalls mit guter Stimme ausgestattet. Bester Track: Switchblade. Eine prima Einleitung in den Abend!



Setlist Bright Eyes, Théatre de L'Alhambra, Paris:


01: At The Bottom
02: Four Winds
03: Jejeune Stars
04: Take It Easy
05: Shell Games
06: Approximate Sunlight
07: Falling Out Of Love
08: Cartoon Blues
09: No One Would Riot For Less
10: Bowl Of Oranges
11: Something Vague
12: Lover
13: Hot Knives
14: Poison Oak
15: Old Soul Song
16: Calendar Hung Itself
17: Another Travelling Song
18: Ladder Song

19: Gold Mine Gutted
20: Road To Joy
21: One For You, One For Me

Aus unserem Archiv*:

Bright Eyes, Köln, 21.06.11
Bright Eyes, Wiesbaden, 20.06.07
Bright Eyes, Paris, 30.03.07
Conor Oberst And The Mystic Valley Band, Paris, 13.09.08
Conor Oberst And The Mystic Valley Band, Köln, 11.09.08


* insgesamt habe ich Bright Eyes letztlich vier Mal live gesehen. Vor Existenz des Konzerttagebuchs noch beim Festival in Belfort und in der Pariser Maroquinerie am 8. März 2005 (mit Rilo Kiley, einer Band, in der Jenny Lewis ebenfalls schon aktiv war).





 

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