Montag, 15. November 2010

Beach House, Köln, 14.11.10


Konzert: Beach House (& Jack November)
Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 14.11.2010
Zuschauer: nah an ausverkauft
Dauer: Beach House 65 min, Jack November gut 25 min


Zweimal hatte ich Beach House dieses Jahr bereits verpasst, und auch heute brauchte ich externe Motivation, um ins Gebäude 9 zu fahren. Wieso, weiß ich jetzt hinterher wirklich nicht mehr, denn die Amerikaner überzeugten restlos!

Der Abend begann allerdings mit Jack November, einer jungen Frau (Daniela Moos) aus Hessen, die lediglich mit einem indischen Harmonium (dieser cooleren Version eines Akkordeons) und ihrer leisen, sphärischen Stimme Lieder erzeugte, die wie die 2010er Version des Twin Peaks Soundtracks klangen. Die meisten Stücke bestanden nur aus zwei Harmoniumtönen und Danielas Stimme. Auf dem Papier klingt das schrecklich eintönig*, live hatte Jack November durchaus Charme. In der Mitte des kurzen Sets kam ein Mann dazu, der vor Jack November schon ein paar tief brummende Töne auf der Bühne erzeugt hatte. Wir hatten ihn für die Pre-Pre-Show gehalten, er gehörte aber offensichtlich dazu und erzeugte ein paar Hintergrundgeräusche. Daniela verließ dann auch für ein Lied ihren Stuhl am Harmonium und stellte sich hinter ein Mikro und sang da, nur vom Bassgebrumme begleitet. Neben Julee Cruise erinnerte mich Jack November auch an eine reduzierte Version von Soap And Skin. Weil ich glaube, daß solch reduzierte Musik gerade sehr hip wird (s.a. Anika), bin ich sicher, daß wir Jack November wiedersehen werden.

Das Harmonium und der Brummkram des Helfers kamen weg, die eigenen Instrumente und Deko-Objekte standen schon auf der Bühne, also konnten Beach House sehr pünktlich beginnen. Allerdings erst nach dem erneuten Hinweis, daß die Band keinen Rauch im Saal wünsche. Nachdem sich in Köln anfangs alle an das Rauchverbot hielten, wird in letzter Zeit wieder kräftig gequalmt. Vielleicht finden Beach House es auch ekelhaft, nach einem Konzert widerlich nach Fremdrauch zu stinken, das Ergebnis war jedenfalls prima und der Abend rauchfrei.

Beach House, hmm... So ganz richtig warm bin ich
mit den Amerikanern bisher nicht geworden. Ich besitze ihre Platten, mag die, bin aber bei weitem weniger euphorisch, als ich das sein sollte, glaube ich den Meinungen der Indieszene. Beim ersten Stück (Gila) trat dann auch genau das ein, was ich befürchtet hatte, mich ließ das Treiben der vier Musiker recht kalt. Aber es würde wenigstens etwas zu Gucken geben, Sängerin Victoria Legrand zum Beispiel, die mit ihrem wilden Lockenkopf und dem Zweireiher, an den Ärmeln umgekrempelt, aussah, als sei sie gerade Miami Vice entsprungen. Oder Alex Scally, der Gitarrist, der auf einem Stuhl saß und mit den schuhlosen Füßen ein Bass-Orgel-Pedal bediente. Ich hatte vorher noch nie jemanden gesehen, der gleichzeitig Bass und Gitarre spielt! Dazu lebte Alex jeden Ton wirklich mit und begleitete ihn mit Tanzbewegungen.

Die beiden zusätzlichen Musiker (Schlagzeuger und Keyboarder/Bassist) sind keine regulären Bandmitglieder, machten ihre Sache aber (für mein Laienohr)
ausgezeichnet. Da sie allerdings verhaltensunauffällig waren, trugen sie zu meiner Unterhaltung weniger bei.

Mit dem zweiten Lied hatten sie mich dann doch. Better times legte bei mir einen Schalter um, und das Konzert wurde hervorragend!

Was mich von da an am meisten faszinierte, war der
"Gesamtklang" des Spektakels. Begünstigt durch den ausgezeichneten Sound klang das gesamte Konzert irgendwie künstlich, so als könnte man das auf keinen Fall gerade live spielen. Einen Großteil dieses Effekts machte sicher Victorias Stimme aus, die präzise aber eben auch unwirklich klingt. Auch Whitney Houston Konzerte erzeugen diesen Eindruck, allerdings aus anderen Gründen. Hier und heute war es brillant-entrückt, aber auch nicht, weil die Band es bewußt darauf angelegt hätte; die Musik, Victorias perfekte Stimme, das machte den Abend zu dem Pendent eines Fantasyfilms, (auch wenn berechtigterweise niemand verstehen wird, was ich damit meine).

Eigentlich war alles toll, einige Stücke ragten aber heraus. Norway nervt mich auf Platte, weil sich das Leiern des Lieds so
anhört wie Musikkassetten, die in der Sonne lagen. Live war das Lied hervorragend, allerdings bei weitem nicht der Höhepunkt. Ich fand Used to be, Take care oder 10 mile stereo noch deutlich besser. Oder Zebra, zu dem Victoria heftig headbangte!

Und dann hatte auch der Schlagzeuger noch einen großen Moment. Zu Used to be nahm er ein Handtuch und legte es auch das Fell seiner Trommel und spielte so frotteegedämpft! Das habe ich auch noch nicht gesehen.

Unter anderen Umständen (hier, hier, hier) bestes Konzert seit langem! Aber auch so hervorragend und oft atemberaubend schön! Vermutlich weiß die gebürtige Französin Victoria um diesen Effekt, sie fragte uns nämlich irgendwann: "are you all breathing?"

Setlist Beach House, Gebäude 9, Köln:

01: Gila
02: Better times
03: Walk in the park
04: Norway
05: Silver soul
06: Master of none
07: Astronaut
08: Lover of mine
09: Used to be
10: Zebra
11: Heart of chambers
12: Take care

13: Real love (Z)
14: 10 mile stereo (Z)

* zweitönig, strenggenommen




8 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Der Drummer hat außerdem zu beginn(Beter Times)den Schellenkranz als Drumstick zwecksentfremdet - gab meiner Meinung nach einen super Effekt. Später war er(der Ring) dann auf die Hi-Hat gelegt, was dem ganzen auch nochmal eine besondere Note gab. ;) Musste das nur kurz los werden...

Christoph hat gesagt…

Danke!

Das hatte ich alles nicht mitbekommen.

Nina hat gesagt…

Schöner Bericht! Ich warte nun schon eine gefühlte Ewigkeit auf ein Wien Konzert der Band und hoffe, dass dieser Wunsch bald mal in Erfüllung geht..

Oliver Peel hat gesagt…

Jack November hat sogar 2010 schon in Paris gespielt, beim Festival des Inrocks. Ich war aber nicht dabei:

http://www.photosconcerts.com/jack-november-paris-alhambra-2010-03-24-festival-femmes-melent-4094

Oliver Peel hat gesagt…

Christoph, hast Du gesehen, daß ein Foto nicht sichtbar ist im Text? Vielleicht hast du es bei Flickr gelöscht.

Christoph hat gesagt…

Ist wieder da!

Anonym hat gesagt…

Victoria ist Amerikanerin.
Der Gitarrist Franzose (Name entfallen)

Bach House ist ein Duo.

Oliver Peel hat gesagt…

Victoria ist Nichte von Michel Legrand, seines Zeichens französischer Komponist und Regisseur. Der Bruder von Michel ist also Victorias Vater und gibt als Franzose seine Staatsangehörigkeit an die Tochter weiter. Selbst wenn Victoria bereits in Amerika geboren worden wäre (was meines Wissens nicht der Fall ist), hätte sie automatisch die französische und die amerikanische Staatasngehörigkeit. Weder Frankreich noch Amerika verbieten die doppelte Staatsangehörigkeit. Also am Besten erst einmal informieren, anstatt zu "verbessern".

Daß Beach House formal ein Duo sind hat Christoph auch geschrieben, er sprach ausdrücklich von zusätzlichen Musikern, die keine regulären Bandmitglieder sind.Der Giatrrist Alex Scally ist Amerikaner und kein Franzose.

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates