Konzert: Agnes Obel & An Pierlé, Pias Nite #1
Ort: La Flèche d'or Paris
Datum: 28.10.10
Zuschauer: sehr viele, etwa 450
Kürzlich hat Bloggerfreund Eike vom Klienicum ein interessantes und wichtiges Thema auf Seite eins gesetzt: die Unabhängigkeit von Musikblogs.
Wie stark ist der Einfluss der Musikindustrie auf Blogs? Wie beeinflussbar sind die Hobbyschreiberlinge, wenn sie CDs und Gratisdownloads geschenkt bekommen? Wieviel Mühe geben sich die Blogger, die mitgelieferten reißerischen Werbetexte der Plattenlabels (die sogenannten Waschzettel) kritisch zu hinterfragen und ihre eigene Meinung bei den Posts von neuen CD-Rezensionen darzustellen? Alles Fragen, die man sich stellen muss. Auf das Konzerttagebuch bezogen, kann ich ohne eine Pinocchio-Nase zu bekommen, behaupten, daß wir so gut wie nie CDs bekommen. Und Gratisdownloads werden uns zwar auch vermehrt aufgezwungen, aber da wir keine Alben besprechen, vergessen wir die Sache umgehend wieder. Bei Konzertakkreditierungen kommt es auf den Veranstalter an. Mal klappt es, mal nicht.
Auf den heutigen Abend bezogen: Für die erste Pias Nite in der Flèche d'or, war ich vom Label offiziell akkreditiert und musste den recht moderaten Eintrittspreis von 10 Euro nicht bezahlen. Dennoch muss ich zugeben, daß ich die Konzerte nur mittelmäßig prickelnd fand. Ich hoffe Pias kann mit meiner Offenheit leben und akkreditiert mich in Zukunft wieder, denn das Label hat wirklich sehr gute Musiker in seinen Reihen.* Warum also konnte die Veranstaltung nicht meinen hohen Erwartungen gerecht werden? Zunächst einmal waren die Rahmenbedingungen schwierig (um nicht zu sagen: beschissen). Die Flèche d'or war überfüllt und die vielen Mitbürger erzeugten eine unangenehme ,schwer ertägliche Wärme, die mit den ziemlich frostigen Außentemperaturen kontrastierte. Die vorderen Stehplatzreihen waren komplett von Fotografen und Videofilmern eingenommen. Man hatte das Gefühl, es würde eine DVD für das allerletzte Konzert von Leonard Cohen gedreht. Die Sicht war den meisten Mitbürgern entsprechend versperrt und egal in welche Lücke man auch stossen wollte, sie war verstopft. Ich versuchte mich zunächst links von der Bühne zu postieren, sah dort aber nix und begab mich auf die andere Seite, nur um verzweifelt zu konstatieren, daß es auch dort knallvoll war. Die hübschen Sängerinnen des heutigen Abends, An Pierlé und Agnes Obel sah ich deshalb nur durch die Linse meiner kleinen Kamera.
Dann die Konzerte. Den sehr früh angesetzten Daan hatte ich verpasst und beim Auftritt der Belgierin An Pierlé langweilte ich mich nach ein paar Liedern bereits gräßlich. Ihre Stimme klang nach Kate Bush und die Lieder hatten diesen unangenehmen Varieté Charakter, den ich (meistens) nicht ausstehen kann. Begleitet von einem alt aussehenden Männlein mit Bart, klimperte die hübsche Blondine etwa 40 Minuten lang auf ihrem Piano, ohne daß sie mich auch nur mit einem Song berührt hatte. Der Abschluß mit dem Rita Mitsouko- Cover C'est Comme Ça war ähnlich nervig wie das gesamte Konzert.
Die Headlinerin Agnes Obel aus Dänemark war ebenfalls blond und hübsch, klimperte ebenfalls auf einem Piano und hatte auch Verstärkung in der Person einer Cellistin auf der Bühe dabei. Nervig war ihr Konzert aber nicht, sondern eigentlich sehr schön. Leider zu schön. Zu nett. Zu harmlos. Zu gleichförmig. Auch hier langweilte ich mich nach ein paar Liedern. Zwar nicht gräßlich, aber doch ein wenig. Die Songs, allesamt absolut harmonisch und fehlerfrei vorgetragen, boten kaum Reibungsfläche und Abwechslung. Alles war bis in den letzten Notenschlüssel ausgetüfftelt und zu Tode arrangiert. Luft zum Atmen, Raum zur Improvisation, gab es somit fast keine. Mit schöner Stimme trug die sehr sympatisch und natürliche wirkende Künstlerin Lied nach Lied vor, bewegte mich aber kein einziges Mal emotional. Ihre Melancholie kam vakuumverpackt und keimfrei rüber, perfekt um in Zukunft ein größeres Publikum zu erreichen und viele CDs ihres Debüts Philharmonics zu verkaufen. Manchmal erinnerte sie mich gar an Katie Melua. Dabei hatten mir Musikzeitschriften vorher den Mund wässrig gemacht. Rock & Folk behauptete sogar, wenn Elliott Smith noch leben würde, hätte er sich mit Sicherheit in die zarte Dänin verliebt. Den Zusammenhang sehe ich nicht. Elliott Smith hat mich deshalb zu Tränen gerührt, weil seine Musik so schonungslos intim, oft höllisch verzweifelt und absolut autentisch klang. Man merkte, daß der Kerl leidet wie ein Hund, das kam in seinen Songs immer zum Ausdruck. Bei Agnes Obel hingegen sah und hörte ich eine strebsame und ernsthafte Musikerin, die das Studium ihrer Klavierkünste mit Sicherheit von klein auf immer mit Fleiß und Disziplin betrieben hatte. Zu wenig, um mich aus der Resere zu locken.
Abschließend sei erwähnt, daß der überwiegende Teil des Publikums (meine Mitbürger) restlos begeistert und von den Künstlerinnen angetan war. Ich selbst ziehe aber auch kein durchweg schlechtes Fazit, denn Pias hat viel Schätze zu bieten und wird mit Sicherheit noch sehr gute Konzertabende veranstalten. Zudem nutzte ich die Gelegenheit, am Merch vier neue CDs von Pias (Timber Timbre, The Black Keys, Tim Robbins, Micah P Hinson) für nur 30 Euro abzustauben. Cool, oder?
Setlist Agnes Obel, La Flèche d'or, Paris:
01: Op/New Song
02: Philharmonics
03: Just So
04: Katie Cruel (Traditional)
05: Close Watch (John Cale)
06: Louretta/Wallflower
07: Brother Sparrow
08: Sons & Daughters
09: Riverside
10: Over The Hill
11: On Powdered Ground
12: Smoke & Mirror
01: Op/New Song
02: Philharmonics
03: Just So
04: Katie Cruel (Traditional)
05: Close Watch (John Cale)
06: Louretta/Wallflower
07: Brother Sparrow
08: Sons & Daughters
09: Riverside
10: Over The Hill
11: On Powdered Ground
12: Smoke & Mirror
* und man soll nicht glauben, die verstünden kein deutsch!
Ausgewählte Konzerttermine von Anges Obel (ohne Gewähr):
29.10.2010: LKA-Longhorn, Stuttgart (supporting I Am Kloot)
30.10.2010: Flex, Wien
31.10.2010: PPC, Graz
01.11.2010: Backsatge Halle, München
03.11.2010: zakk, Düsseldorf
04.11.2010: Brotfabrik, Frankfurt
06.11.2010: Tivoli, Utrecht
20.11.2010: Komplex, Zürich
25.11.2010: Admiralspalast, Berlin
26.11.2010: Moritzhof, Magdeburg
30.11.2010: Paradiso, Amsterdam
29.10.2010: LKA-Longhorn, Stuttgart (supporting I Am Kloot)
30.10.2010: Flex, Wien
31.10.2010: PPC, Graz
01.11.2010: Backsatge Halle, München
03.11.2010: zakk, Düsseldorf
04.11.2010: Brotfabrik, Frankfurt
06.11.2010: Tivoli, Utrecht
20.11.2010: Komplex, Zürich
25.11.2010: Admiralspalast, Berlin
26.11.2010: Moritzhof, Magdeburg
30.11.2010: Paradiso, Amsterdam
2 Kommentare :
am 28.10. schrieb ich in vorbereitung eines neuen posts, dass ich dich wohl nicht mehr rechtzeitig erreichen würde, um dich auf das konzert von agnes obel aufmerksam zu machen. erwähnte zugleich aber, dass du selbst so findig sein würdest, um es in deine prioritätenliste aufzunehmen. und siehe da... mir gefällt sie auf tonträger schon sehr, es gibt ein rauschendes zusammenspiel zwischen dem leicht verhallten klavier und ihrer sensationellen stimme. das, was du harmlosigkeit nennst, kann ich schon in teilen nachvollziehen.
Ich hatte selbst schon Ende September auf die Konzerte von Agnes Obel hingewiesen:
http://meinzuhausemeinblog.blogspot.com/2010/09/konzertankundigung-agnes-obel.html
Das Problem beim Konzert in der Flèche d'or war, daß ich auf Grund des Zuschauerandrangs immer schlecht stand und nie so richtig rein kam. Dass es schön und harmonisch war, sagte ich ja. Es war bloß zu gleichförmig und emotional zu wenig packend. Aber das kann auch immer an der persönlichen Tagesform liegen. Ich schreibe Agnes jedenfalls noch nicht ab. Den Tonträger habe ich leider nicht.
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