Freitag, 10. September 2010

Fever Ray & Zola Jesus, Paris, 09.09.10


Konzert: Fever Ray (Zola Jesus)

Ort: L'Olympia, Paris
Datum: 09.09.10
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: Fever Ray etwa 70 Minuten, Zola Jesus relativ kurz, aber dennoch zu lang!


Jesus Christ war Zola Jesus scheußlich!

Dabei hatten mich reißerische Berichte in den einschlägigen Musikzeitschriften und Onlinemagazinen neugierig gemacht. Von einer neuen Siouxsie & The Banshees war die Rede ("im Mittelpunkt steht wieder die beschwörende Stimme von Nika Roza Danilova, die so unglaublich an Siouxsie Sioux erinnert", so Thomas Weiland vom Musikexpress, der für ihr Album Stridulum II 4 1'2 Sterne springen lässt) , oder aber "einem Negativbild zu La Roux, Little Boots und all den anderen" (so Kevin Holtmann von Plattentets.de, der sogar behauptet: "Stridulum II hat dann doch zu wenig mit Kitsch und Schmonz am Hut, bleibt stets geschmackvoll und dezent".*

Da frage ich mich schon, ob die Herren die gleiche Künstlerin (?) meinen. Nun gut, es kann ja sehr gut sein, daß die Platte (die ich wie das Debüt The Spoils nie gehört habe) anders klingt, aber live war von einer neuen Siouxsie nichts zu hören oder zu sehen und eine geschmackvolle und dezente Musikerin ist da auch nicht aufgetreten. Stattdessen erlebten die Zuschauer eine bizarre wasserstoffblonde Frau, die ihr Antlitz verhüllte und zudem im dunklen Schummerlicht auftrat. Umgeben von zwei männlichen Keyboardspielern drehte sie auf der Bühne Runde um Runde, wie ein verhaltensgestörter Tiger im Zoo. Ihr operettenhafter Gesang war schlichtweg abscheulich. Auf Teufel komm raus wollte sie dem Publikum beweisen, daß sie eine starke, powervolle Stimme hat und schrie rum wie eine Blöde. Das fühlte sich so ähnlich an wie bei diesen unsäglichen Castingshows, wo die Mädchen um die Jury zu beindrucken, losbrüllen was das Zeug hält und meistens Songs von Mariah Carey (würg) oder Anastacia (röchel) zum Besten geben. Nicht, daß mich Zola Jesus an Mariah Carey oder Anastacia erinnert hätte, nein nein. Stattdessen aber an Amy McDonald (sorry Christoph, ich mag sie nicht), wenn sie Run singt, oder , noch schlimmer...an Shakira! Shakira mit gothischem Elektrogefrickel im Hintergund! Grauenvoll! Unerträglich auch wie ekelerregend bombastisch das Ganze war. Von wegen geschmackvoll und dezent! Ob der Herr Holtmannd und der Herr Weiland wirklich gut hingehört haben?

Kurzum: Vertaut meinem exquisiten Geschmack und nicht dem von anderen Schreiberlingen. Zola Jeus war live schauderhaft, basta!

Aber wie war Fever Ray? Ich befürchtete Schlimmstes...

Bevor man das beurteilen konnte, war aber erst einmal warten angesagt. Das Olympia füllte sich gegen 21 Uhr 15 mehr und mehr und auf der Bühne wurden überall altmodische Leselampen mit omahaften Lampenschirmen aufgebaut. Es blieb Zeit, mit meinen Freunden über das Konzert von Zola Jesus zu lästern. Das fand jeder von uns schrecklich, obwohl wir überhaupt nicht immer den gleichen Geschmack haben. Unsere Hoffnungen richteten sich also auf den Hauptact des Abends, Fever Ray. Nicht jeder von uns hatte das hochgelobte selbstbetitelte Album oft gehört, aber die Neugierde trieb wohl viele ins Konzert. Ich persönlich hatte den Beginn der Bühnenshow von Fever Ray eigentlich schon einmal gesehen und zwar beim Melt! Festival 2009. Meine Frau fand das damals aber so öde und langatmig, daß sie mich wegzerrte und ich den Rest komplett verpasste.

Heute also mein zweiter Anlauf. Wieder war das tribalische Intro nervtötend lang. Überall stieg Rauch und Nebel auf und die Musiker waren hinter den dichten Wolken nur schemenhaft zu erkennen. Wenn es so weiterginge, würde ich mich langweilen, soviel war klar. Dann setzte eine Lasershow ein. Volles Rohr 80er Jahre! Laserstrahlen hatte ich zuletzt beim Konzert von Metallica in Bercy gesehen, ansonsten ist diese Geschichte ja eher megaout. In meiner Studentenzeit in Berlin gab es im Kino 1 am Zoo immer eine Lasershow vor den Filmen und es gab nicht wenige Leute, die das dämlich fanden und immer erst danach eingetröpfelt sind. Nun gut.

Mit If I Had A Heart wurde ins gruselig anmutende Programm eingestiegen. Ein mehrarmiger Leuchter stand auf der Bühne und sorgte für eine kleine Lichtquelle., die aber später wieder erlöschen sollte. Okkulte männliche Gesänge (sadistische Priester?) setzten ein und ein atmosphärischer Grauschleier hing über dem Ganzen. Es wummte, waberte, klackerte aus jeder Ecke. Dann ließ auch Karin Dreijer Andersson ihre hohe, brüchige Stimme zum ersten Male erklingen. Wobei man sich natürlich fragen konnte, ob das überhaupt ihre Stimme war. Wie kriegt sie diese Töne hin? Benutzt sie ein spezielles Mikro, um ihren Gesang zu verzerren? Ich konnte mir keinen (Matthias) Reim drauf machen und hatte schon Probleme genug, sie überhaupt zu erkennen. Sie hielt sich eher im hinteren Bühnenteil auf und trug eine kuriose Kopfbedeckung. Eine Art Schleier in Sombreroform mit einem schwarz-weißen Muster. Nur allzugerne würde ich euch bildlich zeigen, was ich meine*, aber Fotografieren war streng verboten. Am Eingang wurde jedem die Kamera abgenommen, Ausnahmen gab es noch nicht einmal für die kleinen Kompakten. Allerdings schossen viele Leute Fotos mit ihren I-Phonen und das störte auf Dauer. Um sich total auf die Musik und die gespenstische Atmosphäre einzulassen, hätte es absoluter Stille und Andacht bedurft. Am liebsten hätte ich niemanden im Publikum gesehen, um mich komplett hypnotisieren zu lassen. Leider schaffte ich es nie so ganz, vollständig abzutauchen. Vermutlich wäre es ideal, Fever Ray in einem pechschwarzen Raum zu sehen, während man selbst auf einer Psychiatercouch liegt und mit halboffenen Augen meditiert...

Das musikalische Programm schritt voran. Triangle Walks war fast ein konventioneller Elektro-Popsong und erinnerte mich irgendwie an den 80 er Jahre Hit Comanchero von Moon Ray. Bewußt oder unbewußt dürfte dieser riesige Charterfolg Fever Ray beeinflusst haben. So ganz neu ist es also nicht, was die Schwedin kredenzt hat. Dennoch ist der Sängerin von The Knife ein Solo-Werk geglückt, was die Eighties in die Neuzeit befördert. Perfektes Beispiel hierfür: die faszinierende Coverversion von Peter Gabriels Mercy Street, die frisch und aufregend klang. Noch stärker war vorher allerdings Seven, wo sie gesanglich manchmal ein klein wenig an Kate Bush, die damalige Duettpartnerin von Peter Gabriel, erinnerte. Seven konnte später durch Wen I Grow Up , das vom Publikum euphorisch aufgenommen worden war, allerdings noch einmal getoppt werden. Der Rhytmus wummerte gewohnt elektronisch, aber hier bereicherten auch Gitarre und Bass das dichte Klangbild. Danach gab es nur noch zwei Songs, aber das wusste man als Zuschauer zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn es wurden keinerlei Ansagen gemacht, die über den Ablauf informierten. Das Obligatorische: "We have a couple of more Songs for you to play" (wir haben noch zwei Song zu spielen), kam heute also nicht und auch eine Zugabe gehörte nicht zum bizarren Spektakel. Stattdessen schloß Coconut das Set mit viel Lärm und Nebel ab und ließ die Zuschauer je nach persönlicher Empfindung: verstört/begeistert/hypnotisiert/gelangweilt/enttäuscht zurück.

Mein persönliches Fazit: phasenweise großartig, machmal aber auch etwas langatmig und anstrengend. Hinsichtlich der Bühnenshow bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob das nun Kunst oder Käse war (ich tendiere allerdings eher zur zweiten Alternative). In Punkto Voodoo-Kult völlig unbeleckt, habe ich auch nicht so richtig verstanden, was eine Szene gegen Ende bedeuten sollte. Einer der Musiker war mit einer Art Kreuz nach vorne gekommen und reckte das Teil wie eine Monstranz nach oben. Strange...


Setlist Fever Ray, Olympia, Paris (merci beaucoup à Philippe):

01: If I Had A Heart
02: Triangle Walks
03: Concrete Walls
04: Seven
05: I'm Not Done
06: Mercy Street (Peter Gabriel Cover)
07: Now's The Only Time I Know
08: Keep The Streets Empty For Me
09: Dry And Dusty
10: Stranger Than Kindness
11: When I Grow Up
12: Here Before
13: Coconut


* hier findet ihr den kompletten Artikel.
* auf der Flickr Seite von Stijn de Meyere gibt es ein paar nette Pics, klick! , ansonsten auch bei robjgrren, klick!



1 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

In Frankfurt gab es im Kino auch immer Lasershows. Grausam! Wer genau braucht diesen lästigen Mist?

Bei Sängerinnen, die wie Siouxsie klingen sollen, sollte man wohl immer vorsichtig sein, die taugten bisher alle nichts. Aber das Vorbild selbst ist heutzutage ja leider auch ein schrecklich schlechte Kopie ihres jüngeren Ichs.

 

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