Konzert: Roxy Music
Ort: Scène de la Cascade, Festival Rock en Seine bei Paris
Datum: 29.08.2010
Zuschauer: zigtausende
Konzertdauer: 1 Stunde
Von Bryan Ferry habe ich zum ersten mal in den frühen 1980 er Jahren Notiz genommen. Mein Vater war stolz mit einer Vinylsingle von Jealous Guy nach Hause gekommen und ließ die zartschmelzende Ballade in der Folge rauf und runter laufen. Damals wusste ich nicht, daß es sich um ein Cover von John Lennon handelte und auch von Roxy Music, Bryans früherer Band hatte ich noch nie gehört. Später sah ich dann Videos in Manfred Sexauers Sendung Musikladen* und war geschockt, wie die Typen von Roxy Music rumliefen. Grell geschminkt, fiese Haare, Plateauschuhe, unglaublich kitschiger Fummel. Ich fand das krass. So also sahen Glamrocker aus. 1987 kam ich erneut mit einem Star aus der Glamszene in Kontakt. Es handelte sich um David Bowie, den ich zusammen mit meinem Vater beim Festival Rock am Ring während seiner Spider Tour erlebte. Ein prägendes Erlebnis. Spätestens jetzt wusste ich, daß sich mein Leben stark um die Musik drehen würde.
Ende August 2010 stehe ich zusammen mit meiner französischen Frau vor der Bühne de la Cascade in Paris und warte auf den Festivalauftritt von Bryan Ferry und seinen wieder vereinten Roxy Music. Um uns rum tummeln sich etliche Oldies mit zerknautschten Gesichtern. Ich mit meinen 39 Lenzen bin noch einer der Jüngeren, aber natürlich mischen sich zwischen die alten Säcke auch noch ein par Youngsters , die Roxy Music sehen wollen, obwohl sie mit ihnen keine nostalgischen Gefühle verbinden. Um viertel vor neun geht es los. Die Bühne ist gut ausgefüllt. Es gibt nicht weniger als vier soulige Backgroundsängerinnen (so etwas mag ich eigentlich weniger, naja), eine junge Geigerin in güldnem Overall und neben Ferry auch noch zwei andere Originalmitglieder von Roxy Music: Andy Mackay am obligatorischen Saxofon und Phil Manzanera an der Gitarre. Der Sound ist von Beginn an gut, sehr harmonisch und ausgewogen. Man merkt sofort: Hier sind Könner am Werk! Zwar würde man heutzutage einige Arrangements nicht mehr so machen, aber schlecht gealtert wirkt die Musik von Roxy Music nicht. Sie waren damals ja schon Vorreiter und ihrer Zeit voraus. Ohne Frage haben sie bewußt oder unbewußt wichtige Bands und Künstler wie Joy Division, The Psychedelic Furs, Siouxsie and The Banshees, Nick Cave, The Talking Heads und aus heutiger Zeit auch die Tindersticks und Arcade Fire beeinflusst. Nicht auszuschließen, daß die Veranstalter ganz bewusst Roxy Music neben Aracde Fire verpflichtet haben. Ungefähr nach dem Motto: so klang Rock Musik damals und so klingt sie heute. Das Set wird eingeleitet von den Klassikern Re-Make/Re-Model und Out Of The Blue, der erste Song, der mich so richtig packt ist aber While My Heart Is Still Beating. Was für eine unglaublich schöne Ballade das ist! Selbst das mir so verpönte Saxofon stört nicht die Bohne. Die Stimme von Bryan Ferry ist immer noch so sensationell wie eh und je. Der elegante Herr ist immerhin 65 Jahre alt, aber das merkt man ihm in keiner Weise an. Seine Figur ist nach wie vor gut im Schuß, da kann man wirklich nicht meckern. Mit Avalon kommt gleich noch ein andere Hochkaräter vom gleichnamigen 2. Album. Dann Ladytron. Ob sich die Girlgroup nach diesem Song benannt hat? Klingt wie Bowie, wen wundert's? Cool hier die Tempowechsel, das energische Saxofon, die wilden Giatrrensoli. Für 1972 unglaublich modern, aus heutiger Sicht etwas verwirrend, aber nicht lächerlich. Das Konzert schreitet voran, Ferry begeistert die Franzosen mit dem Song For Europe, bei dem einige Textpassagen in französisch gesungen werden.
Das Finale gestaltet sich fetzig. Love Is The Drug (später von Grace Jones gecovert) und Do The Strand sind nach wie vor zugkräftige Tanznummern und das Publikum freut's. Das wiederum freut Bryan Ferry und zwar ungemein: "What a great audience you are" ruft er begeistert der Menge zu und man merkt, daß er das aufrichtig meint. Die Band probt den Abgang, wird aber für Zugaben zurückgeklatscht. Let's Stick Together ist ein bißchen fies, aber dann kommt zu meiner Überraschung auch der Yealous Guy. "I'm sorry that I made you cry" singt Ferry und der Text passt irgendwie. Ich werde plötzlich schmerzlich an meinen Vater erinnert und bedauere, daß ich dieses Konzert nicht mehr mit ihm zusammen sehen konnte. Schön war's nämlich.
Setlist Roxy Music, Festival Rock en Seine 2010, Paris:
01: Re-Make/Re-Model
02: Out Of The Blue
03: While My Heart Is Still Beating
04: Avalon
05: Ladytron
06: Song For Europe (en partie en français)
07: In Every Dream Home A Heartache
08: Love Is The Drug
09: Editions Of You
10: Do The Strand
11: Let's Stick Together
12: Jealous Guy
* hier gibt es zum Beispiel eins.
0 Kommentare :
Kommentar veröffentlichen