Konzert: Campbell & Lanegan, Damien Jurado, Willy Mason, Paris, 11.09.10
Ort: Le Café de la Danse, Paris
Datum: 11.09.2010
Zuschauer: ausverkauft und brechend voll
Konzertdauer: Willy Mason gut eine halbe Stunde, Damien Jurado 40-45 Minuten, Campbell & Lanegan satte 95 Minuten
Was für ein Line-Up im Café de la danse! Die Folkelite gab sich im Rahmen des Eldorado Festivals die Klinke in die Hand und sorgte für eine übervolle Hütte. Die Luft war zum Schneiden und der Schweiß tropfte mir förmlich aus allen Poren, aber all diese Nachteile nahm ich gerne in Kauf, um die feinen Künstler zu genießen. 3 Stunden herzerwärmende Musik, Folkherz was willst Du mehr? - Na, ein schickes Schwätzchen mit Isobel Campbell halten, natürlich! Und auch dieser Wunsch ging in Erfüllung, deshalb leite ich sofort über in die Aftershow ...
Aftershow:
Schweißgebate Menschen stehen gegen 23 Uhr vor der Tür des Café de la danse und plaudern und rauchen. Ich selbst bin in netter Gesellschaft von Michael und Uschi , mit denen ich schon unzählige Konzerte gesehen habe, aber auch einem jungen deutschen Reporter, der für den SWR3 arbeitet. Amüsanterweise stellt sich raus, daß er genau wie ich aus dem Westerwald stammt. Nicht das erste Mal in meinem Leben, daß ich an eher ungewöhnlichen Orten auf Westerwälder treffe, aber immer wieder verblüffend, wenn man bedenkt, wie kaffig die Gegend ist. Aber wir sind ja jetzt hier in Paris, der Weltstadt schlechthin und die Anziehungskraft der Metropole ist so groß, das immer wieder Konzerttouristen hier herkommen. Auch die Künstler zeigen sich stets von der Stadt der Liebe angetan und von Damien Jurado, der vorher ein wundervolles Konzert gegeben hatte, erfahren wir, daß er mit seiner Fau noch zum Eiffelturm fahren will. Reisende soll man nicht aufhalten und so lassen wir Damien ziehen und warten unterdessen auf Mark und Isobel. Der hünenhafte Lanegan ist der erste, der durch den Hinterausgang auf die Straße tritt. Zunächst latscht er einfach an den Fans vorbei, aber als diese ihm hinterherlaufen, um sich Poster signieren zu lassen und Erinnerungsfotos zu schießen, bleibt er ganz zahm stehen und lässt teilnahmslos wie immmer die Prozedur über sich ergehen. Etwa 10 Minuten später kommt Isobel raus und zwar aus dem Haupteingang. Nun stürzen sich alle auf die elfenhafte Blondine. Autogramm hier, Foto da, sie ist in dieser Hinsicht auch ganz Profi und lächelt immer recht nett. Als die meisten Fans aber zufrieden abziehen, ergibt sich für uns noch die Gelegenheit, ihr für ein paar Minuten ganz nahe zu sein. Sie ist unglaublich natürlich und gesprächig. Von Uschi schnorrt sie eine Zigarette und dann erzählt sie frei von der Leber weg. Dass sie sich für Mark freue, daß er wieder gesund sei, nachdem der bei der Tour zu ihrem ersten gemeinsamen Album, die sie damals ausgerechnet auch ins Café de la danse geführt hatte, nicht antreten konnte und durch Eugene Kelly von den Vaselines ersetzt worden war. Er sei in Rehab gewesen, erzählt Isobelle ganz offen. Dann will sie aufrichtig interessiert wissen, wo wir herkommen, was wir in Paris so beruflich machen und so weiter und so fort. Sie persönlich würde gerne nach Kalifornien ziehen, weil die Musiker dort so verdammt gut seien und das Wetter außerdem immer toll. In ihrem heimischen Schottland würde es immer regnen, da würde man schnell Trübsaal blasen. Ich merke an, daß ich mit meiner Frau bereits zweimal in Schotland gewesen sei und das Land und die Menschen sehr mögen würde. "Wo warst Du überall?",will sie wissen- "In den Highland u.a. und auch in Inverness."- "Oh, da in der Gegend wollte ich schon immer ein kleines Cottage kaufen." In den letzten zwei Jahren sei sie aber meistens in Tucson, Arizona gewesen, sie stehe inzwischen doch mehr auf (trockende) Hitze.
Dann kommt der spannendste Teil unseres Gespräches. Wann sie denn bei Belle & Sebastian angefangen habe ? (die Frage zielte indirekt darauf ab, ihr Alter zu erraten). - 1996 hätte sie in völlig besoffenem Zustand Stuart Murdoch in einem Badezimmer kennengelernt (ich glaube wirklich, daß sie das so geschildert hat) und dann hätten sie sich eben entschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Funny!
Irgendwann hat sie die Zigarette zu Ende geraucht, lässt sich aber von Uschi noch eine zweite zur Reserve geben, obwohl sie kleinlaut anmerkt: "Eigentlich soll ich ja nicht so viel rauchen." Inzwischen ist Mark mit den anderen Bandmitgliedern mit Dönern in der Hand zurückgekommen und schleicht noch einmal in die Venue. Wir verabschieden uns mit Küsschen von Isobel. Hach, das war schon schön!
Und so waren die Konzerte:
Willy Mason:
Schade, daß ich das Konzert des jungen Mannes aus Martha's Vineyard nicht ganz verfolgen konnte, weil Uschi, die mein Kärtchen hatte, zu spät angeschlichen kam. Von draußen hörte ich aber schon seine raue Altherrenstimme, die man einem 50 jährigen Barträger zuordnen würde. Ich hatte ihn 2006 mit seinem tollen Album Where The Humans Eat für mich entdeckt und besonders seinen Hit Oxygen sehr gemocht. Später legte er mit We Can Be So Strong einen weiteren Kracher nach, aber ich glaube heute hat er die beiden Hits gar nicht gespielt. Dementsprechend war ich ein wenig enttäuscht von Willy Mason.
Einen deutlich stärkeren Eindruck hinterließ der nach ihm startende Damien Jurado. Von dessen Sahneauftritt hatte ich aber bereits gesondert geschwärmt, gehen wir also sofort zu Campbell & Lanegan über. Die neuen Sinatra/Hazelewood wie man überall lesen kann. Vor brechend voller Hütte starteten sie recht lethargisch ins Programm. Stoiker Mark Lanegan schien Valium genommen zu haben und Isobel Campbell ließ ihre sinnliche Hauchtstimme nur während der Songs erklingen. Ansonsten herrschte Funkstille. Mindestens eine halbe Stunde lang gab es keine Ansagen an das das von der Hitze benebelte Publikum. Gebildete und kultivierte Menschen, wohin man nur schaute und obendrein sehr rücksichtsvolle Zeitgenossen, die nie laut plauderten. In musikalischer Hinsicht sahen sie ein tadelloses Set, das neben den perfekt zusammen sinngenden (dieser Kontrast zwischen Reibeisen- und Hauchstimme, herrlich!) Campbell und Lanegan auch von versierten Musikern von Giant Sand geschultert wurde. Das Problem war bloß, daß ich mich manchmal gepflegt langweilte. Die Lieder (eine bunter Mischung aller drei Platten) schienen mir zu sehr runtergespult zu werden und es entstand der Eindruck der Routine, der auch durch die Setlist- auf das I- Tüpfelchen die gleiche wie am Vortag in London-, bestärkt wurde.
Etwa zur Mitte hin wurde die Atmosphäre aber endlich lockerer und kommunikativer. Isobel fing an, Kontakt zum Publikum aufzunehmen, erzählte, sie sei erst um 5 Uhr ins Bett gegangen und brachte irgendwann sogar den bis dahin gewohnt bärbeißig guckenden Mark zum Lachen. In einer Szene hatte er sogar einen kleinen Lachkrampf, sehr zur Freude des Publikums. Von nun an flutschte es. Willy Mason sang zusammen mit Isobel drei feine Lieder im Duett, bevor Mark unter dem Jubel der Pariser wieder ans Mikro schritt und den männlichen Gesangespart erneut übernahm. Die heiße Wüstensand von Arizona schien über dem Café de la danse zu hängen. Bluesig/folkige Klänge schwebten von der Bühne, die Leute fächelten sich mit den Programmblättern Luft zu und das optisch so gegensätzliche Traumpärchen (in der Musik, nicht der Liebe, soweit ich weiß) intonierte Time Of The Season vom Neuling Hawk, der erneut ausgezeichnete Kritiken erhalten hatte. Ich schaute die beiden von der Seite an und fühlte mich an Jane Birkin und Serge Gainsbourg erinnert. Mit ein bißchen Fantasie sind Isobel und Mark deren Nachfolger, obwohl gerade Jane damals noch erotischer rumstöhnte und wimmerte als würde sie jeden Moment kommen...
Das Konzert schritt voran und verzeichnete mit dem an einen Jame Bond Streifen erinnernde Come On Over (Turn Me On) ein absolutes Highlight. Es knisterte regelrecht (auch textlich: "tell me pretty lies") und auch die Begleitband spielte ihren Part ganz ausgezeichnet. Dann wurde es sogar noch einmal richtig rockig. Closer Get Behind Me war das fetzigste Lied des Sets, das aber immer noch nicht ganz zu Ende war. Vielleicht war Isobel jetzt erst richtig warmgeworden, denn erst zu den Zugaben kam sie ohne ihre hellblaue Jeansjacke zurück. Revolver, die erste von vieren war verführerisch, anschmiegsam und höchst sinnlich, Do You Wanny Come Walk With Me? countryesk und wirklich nahe an Hazelwood Sinatra dran, Ramblin' Man düster-bluesig und Wedding Dress stonerrockig und heavy. Abwechslung pur!
Nach satten 96 Minuten hatten aber alle Beteiligten wirklich genug geschwitzt und ohne großen Gesten und Abschiedsrituale verschwanden die Musiker unter dem Jubel des Publikums in der Kabine.
Setlisten Isobel Campbell & Marl Lanegan, Café de la Danse, Paris:
01: We Die And See Beauty Reign
02: You Won't Let me Down Again
03: Come Undone
04: Snake Song
05: Who Bhulit The Road
06: Free To Walk
07: Ballad Of The Broken Seas
08: The Circus Is Leaving Town
09: No Place To Fall
10: Cool Water
11: Say Goodbye
12: To Hell And Back Again
13: Saturday's Gone
14: Back Burner
15: Time Of The Season
16: Honey Child What Can I Do?
17: Salvation
18: Come On Over (Turn Me On)
19: Get Behind Me
20: Revolver
21: Do You Wanna Come Walk With Me
22: Ramblin Man
23: Wedding Dress
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