Konzert: Deer Tick
Ort: Fargo Recordstore, Paris
Datum: 15.09.2010, 18 Uhr 30
Zuschauer: etwa 25
Konzertdauer: circa 40-45 Minuten
"Thanks for listening and please don't forget to buy our records to support our alcoholism".
Sicherlich der Satz des Tages, gefallen am Ende des Showcases der Band Deer Tick. Nur einen Tag nach ihrem doch eher enttäuschenden Konzert im Café de la Danse zogen die jungen amerikanischen Folkrocker in einem Pariser Plattenladen akustisch vom Leder. Wie würde es heute werden? Dies fragten sich außer mir noch gut 20 andere Musikfans, die sich im tollen Shop von Inhaber Michel Pamplune eingefunden hatten. Unter ihnen der talentierte Rod Maurice von le hiboo.com, der die Session filmte und sicherlich bald feine bewegte Bilder liefern wird...
Der Anfang verhieß allerdings nichts Gutes. Sänger John, der sich kürzlich eine üble Grippe eingefangen hatte, wankte vor dem Gig mit Bierflasche in der Hand noch einmal recht benebelt auf die Toilette ("was heißt Toilette auf französisch?", fragte er) und nahm danach ein wenig verwirrt auf einem Stühlchen Platz. Neben ihm saß der zweite Gitarrist der Band. Beide spielten sie auf den hübsch bemalten Vintage-Gitarren, die ansonsten im Shop die Wände zieren. Hinter ihnen saß der lebhafte Drummer der Band, der auch lauthals im Chor mitsingen sollte. Die anderen beiden Member spielten heute keine große Rolle, sie waren nur Betrachter.
Mit 20 Miles vom neuen Album The Black Dirt Sessions ging es los. Gestern hatten sie diesen Hit genau wie den Gassenhauer These Old Shoes ausgelassen, weil sich der Sänger stimmlich dazu nicht in der Lage fühlte. Heute aber flutschte alles schon viel besser. Der Auftakt war ermutigend, aber es sollte noch viel viel stärker werden. Mit jedem angestimmten Song spielten sich die Jungs mehr und mehr ein. Sie begannen richtig Freude an dem Akustikkonzert zu entwickeln und spätestens zur Mitte des Sets hin, hatten sie alle Blockaden abgelegt und schrien sich die Kehlen heiser. Die ohnehin schon krazige Stimme von John Joseph McCauley III wurde noch ein wenig rauer, klang aber teuflisch gut. Vielleicht ist er wirklich der neue Tom Waits (bzw. Van Morrison?) oder so. Die Musikpresse ist ohnehin schon wieder fleißig mit historischen Vergleichen zur Hand und gräbt Creedence/Clearwarter Revival als Referenz aus. Das mag zum Teil zutreffend sein, aber die jungen Kerle aus Providence/Rhode Island wirkten trotz ihres Retrosounds nicht so, als würden sie alten Helden die Füsse küssen. Als sie ein Cover von Towns Van Zandt anstimmten, zeigte Sänger John auf einen im Laden hängenden Holzschnitt des verstorbenen Barden und meinte: "Now we gonna play a cover song of this motherfucker there."...
Die Stimmung im Publikum und bei der Band steigerte sich nun minütlich. Irgendwann hatten alle ein breites Grinsen im Gesicht und als der Überhit These Old Shoes rausgehauen wurde, johlten alle vor Glück. Herrlich wie die Jungs hier miteinander kommunizierten und sich verbal die Bälle zuspielten.
Als Ausfluß der allgemeinen Heiterkeit ist sicherlich auch das Abfeuern des spanischen Klassikers La Bamba zu verstehen gewesen. Das kannte nun jeder hier, selbst die kleine Tochter des Ladenbetreibers sang im Hintergrund lauthals mit. Applaus brandete auf und die Band wollte sich schon verkrümeln, als ich vorlaut und forsch den Baltimore Blues Number 1 einforderte. Da sich die anderen Bandmitglieder schon in die Kabine verdrückt hatten, spielte der Sänger dieses Kleinod ganz allein. Ich fühlte mich schon ein wenig geehrt, als er in meine Richtung zeigend erklärte: "This song is only for this man" (ich war gemeint, cool!). Die feine Gitarrenmelodie, die sich durch dieses Stück schlängelt, ist einfach atemberaubend schön und ich war froh, daß ich ganz zum Entzücken des restlichen Publikums auf dieses Lied bestanden hatte.
Eine rundum gelungene Veranstaltung! Der Chef spricht bei Twitter von der "Best session ever". Yeahh, baby!!
Mehr Fotos von diesem tollen Showcase hier
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