Dienstag, 16. März 2010

Owen Pallett, Frankfurt, 15.03.10


Konzert: Owen Pallett
Ort: Mousonturm, Frankfurt
Datum: 15.03.2010
Zuschauer: nicht ganz ausverkauft (vielleicht 350 Zuschauer)
Dauer: gut 75 min


Wie unglaublich beruhigend, daß auch einem Künstler wie Owen Pallett nicht alles gelingt. Der verpatzte Start der Zugabe That's the dream of Win & Regine und das
Neu-Anzählen bei Lewis takes action gaben einem unglaublich guten Konzert den letzten Schliff, weil es verdeutlichte, wie überaus kompliziert Owen Palletts Musik ist, und weil ganz perfekt eben manchmal schlechter als perfekt ist.

Ganz ausverkauft war der Mousonturm vermutlich nicht. Dabei war der Auftrittsort hervorragend gewählt, weil der Konzertsaal die gute Akustik hat, die ich mir für den Kanadier gewünscht hatte. Vom Konzert in Dachau hatte ich bei laxmag.de gelesen, daß ein zweiter Musiker Owen begleiten werde. Das erklärte ein abgespecktes Schlagzeug rechts auf der Bühne. Um kurz nach neun erschien Owen Pallett aber erst noch alleine, zog seine Stiefel aus, zupfte ein wenig auf der Geige, loopte das und machte daraus Adventure.exe, ein Stück von seinem ersten Album Has a good home, das er unter seinem abgelegten Künstlernamen Final Fantasy veröffentlicht hatte.

Bei den beiden Auftritten, bei denen ich den Geiger bisher gesehen hatte, als Vorgruppe von Arcade Fire 2005 und beim letzten Haldern Festival im vergangenen
Jahr, hieß er noch wie dieses Computerspiel. Um sich von solchen Assoziationen aber zu lösen, benutzt Owen seit Ende 2009 seinen echten Namen.

Zu
Midnight directives, einem der wundervollen Stücke von Owens aktueller Platte Heartland, tauchte dann seine Begleitung Thomas Gill auf. Und der steigerte den Unterhaltungswert noch mal ein gutes Stück. Thomas spielte Gitarre und Schlagzeug, wobei er die Trommeln (und ein elektronisches Drumpad) weniger als klassisches Rhythmusinstrument nutzte sondern für weitere Soundschnipsel, wie die, aus denen sich Owen Pallatts Lieder zusammensetzen. Vermutlich macht das so beschrieben keinen rechten Sinn; ich empfand das Schlagzeug aber weniger als Schlagzeug, als als Rhythmusgerät. Wie auch immer, es klang gut!

Beim Trommeln verzog Thomas Gill nur köstlich das Gesicht, wenn er seine Gitarre umgeschnallt hatte (das Anlegen des Instruments war manchmal ein richtiggehend feierlicher Akt), ließ er sich ein wenig mehr gehen und bewegte sich wie Chuck Berry (oder wer war das noch gleich?). Köstlich jedenfalls! Aber das extrovertierte Herangehen seines Schlagzeugers
machte die Qualität der Musik keinen Deut schlechter, denn die war schlicht großartig. Außer ein, zwei Momenten, in denen Bässe einmal schpperten, klang das Konzert für meine Ohren perfekt.

A propos Bässe: dafür braucht man wirklich keine Bassgitarre, wenn man Konzertgeige spielt. Auch die
Bassläufe zupfte Owen Pallett mit seiner Geige, nahm sie auf und ließ sie in Schleifen ablaufen, als eine von vielen Schichten, die übereinandergelegt, zum Teil aus der Loop Box, zum Teil echt live die orchestral klingenden Lieder zu erzeugen. Auch wenn mir dabei der Überraschungseffekt fehlte, weil ich den Künstler eben schon gesehen hatte, fasziniert mich seine Technik, Songs live zu konstruieren, immer wieder aufs Neue. Wie kompliziert das sein muß, sich ann all die kleinen Abläufe zu erinnern, um kein Bling zu vergessen, was dann gleich den Verlust ganzer Tonspuren bedeutete. Das wäre alles schon beeindruckend genug, wenn die Musik langweilig wäre. Das ist sie aber natürlich nicht - Owens Melodien sind fabelhaft!

Die ersten Lieder von Heartland spielte das Duo ohne Pause. Wir hatten keine Chance zu applaudieren, weil gleich das nächste Stück folgte.
Midnight directives, Keep the dog quiet oder The great elsewhere waren schon einmal grandios!

Danach kam ein kleiner Bruch, nämlich ein mir unbekanntes, vermutlich neues Stück. Glücklicherweise finden sich aber auch dazu schon Lyrics im Internet.
Honour the dead or else (oder so...) heißt das Lied, das aber nur weil es unbekannt war, aus dem Rahmen fiel.

Nächste Besonderheit war ein Cover von Simon Bookish namens Interview. Ich kenne das Original nicht, vermute aber, daß Owen es schon spürbar verändert und an seinen Stil angepaßt hat, wie er das bei den vielen anderen Liedern tut, die er live covert. Auch Interview paßte also perfekt ins Programm und hätte von Owen selbst
stammen können. Simon Bookish ist - ähnlich wie Owen Pallett - übrigens auch für viele andere Künstler tätig und arbeitet an deren Alben oder als Remixer mit. Daher kam mir der Name auch bekannt vor. Der Engländer hat nämlich auch Memorize the city von (der weltbesten Band) The Organ gemixt.

So nach zwanzig Minuten (jedenfalls dachte ich das) verabschiedeten sich die beiden Musiker. Ich habe selten ein so kurzweiliges anspruchsvolles Konzert erlebt, das keinen Moment langweilig war. Natürlich war da schon eine Stunde vorbei und viele Lieder von allen drei Alben gespielt (wobei die zweite Platte He poos clouds wenig vorkam), dazu der Riesenhit The butcher von einer seiner EPs. Es fühlte sich aber an, als habe der Abend gerade erst begonnen.

Die erste Zugabe habe ich nicht erkannt, sie war aber toll wie alles! In den Applaus rein begann Owen das Loopen des nächsten Lieds. Irgendetwas an der so erzeugten Hintergrundmelodie störte ihn aber, sodaß er abbrach. "Loopen, wenn die Leute noch klatschen funktioniert nicht", also ein zweiter Versuch, der klappte, und der das wundervolle, Arcade Fire gewidmete
This is the dream of Win & Regine brachte.

Nach einer letzten Zugabe - Better than worse vom ersten Album - zog der Kanadier die Stiefel an und ging. Und ließ mich mit dem Gefühl zurück, eines der ganz großen Konzerthighlights des Jahres gesehen zu haben. Endlich einmal Owen Pallett über Konzertdauer, und es hätte ruhig doppelt so lange dauern dürfen! Die Mischung aus fantastischen Melodien, toller Akustik und faszinierender Instrumentierung machte den Abend so großartig!

Und da können ruhig immer solche kleinen Pannen passieren wie bei
Lewis takes action, als beide Musiker lachend aus dem Tritt kamen und Owen mitten drin, vor dem nächsten Refrain neu anzählte und das Lied souverän beendete.

Setlist Owen Pallett, Mousonturm, Frankfurt:

01: Adventure.exe
02: Midnight directives
03: Keep the dog quiet
04: The great elsewhere
05: Honour the dead or else
06: He poos clouds
07: The CN Tower belongs to the dead
08: Interview (Simon Bookish Cover)
09: That's when the audience died
10: Lewis takes action
11: Many lives -> 49 MP
12: Flare gun
13: The butcher
14: Lewis takes off his shirt

15: Scandal at the Parkade (Z)
16: This is the dream of Win & Regine (Z)

17: Better than worse (Z)

Links:

- Owen Pallett beim Haldern Festival 2009




4 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Schöner Bericht, Christoph!

Anonym hat gesagt…

31.05.2010 Köln-Essigfabrik
Kate Nash!!!
Nicht verpassen...

Christoph hat gesagt…

Haha! Sehr gut!

Ryka_ hat gesagt…

Ja, wirklich schöner Bericht zu einem tollen Konzert! :)
"Honour the dead or else" ist nicht wirklich ein "neues" Lied, soweit ich weiß hat er es schon lange in seinem Live-Repertoire, veröffentlicht wurde es aber noch nirgends.
Das erste Lied der Zugabe war glaub ich "Scandal at the Parkade" wenn mich meine Erinnerung jetzt nicht total im Stich lässt.

 

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