Dienstag, 30. Oktober 2007

Amy Winehouse, Paris, 29.10.07


Konzert: Amy Winehouse
Datum: 29.10.2007
Ort: Le Zénith, Paris (ursprünglich im Olympia vorgesehen)
Zuschauer: wahrscheinlich ausverkauft


Neulich habe ich eine exzellente alte Folge von Sopranos auf DVD gesehen. Tony Soprano hatte sich mit seinem Nachbarn, einem Arzt und dessen stocksteifen Freuden zum Golfspielen getroffen. Tony folgte hierbei einer Einladung seines Nachbarn und fühlte sich sehr geehrt mit diesen "ehrenswerten" Leuten zu verkehren. Auf dem Golfplatz stellte sich jedoch heraus, daß die drei anderen Spießer lediglich darauf aus waren, Sensationsgeschichten über die Mafia zu erfahren und Herrn Soprano nur zu ihrer persönlichen Belustigung eingeladen hatten. Tony fühlte sich hinterher wie ein Tanzbär und erzählte dies auch sichtlich geknickt seiner Psychaterin.

An geschilderte Episode mußte ich auch oft während des Konzerts von Amy Winehouse im Pariser Zénith denken.
Viele sensationsgeile Menschen gafften während der Show auf die Bühne, nur um zu sehen, ob die zierliche Sängerin mit der sensationellen Stimme irgendetwas Seltsames anstellt, ob sie zu viel trinkt, sich verspricht, oder hinter der Bühne verschwindet. Ihr Gaffen begleiteten diese Typen oft mit einem hämischen Grinsen und gingen mir damit unsäglich auf die Nerven. Ähnlich nervig war zuvor nur die lange Wartezeit auf den Beginn des Konzerts, die Dauerbeschallung mit dem totgenudelten Marvin Gaye Klassiker "I Heard It Through The Grapevine" (wurde gleich zweimal gespielt, war allerdings immer noch besser als "My Cherie Amour" von Stevie Wonder) und vor allem die Tatsache, daß das Konzert recht kurzfristig vom charmanten mittelgroßen Saal Olympia in den riesigen uncharmanten Zénith verlegt worden war. Amy Winehouse im Zénith, das passte natürlich überhaupt nicht zu der souligen,intimen Musik. Das Olympia mit seinen roten Teppichen und den Logen wäre hingegen perfekt gewesen...

Aber das war nicht der einzige bedauerliche Moment des Abends. Jammerschade fand ich nämlich vor allem, daß eine Frau, die mit einem Jahrhunderttalent gesegnet ist, oft so zerstreut, so neben sich wirkte.
Natürlich wirkte es sich auf die Stimmung aus, wenn sie manchmal während der Lieder unvermittelt von der Bühne nach hinten stakste, um mit ihrem Keyboarder, den sie mehrfach überschwenglich lobte, zu sprechen, oder ganz das Parkett verließ. Und auch nicht zu ignorieren war, daß sie sich offensichtlich nicht wohl fühlte. Das merkte man vor allem, als sie in einer Szene eine ganze Weile kauernd und nachdenklich auf einer Stufe saß, oder als sie circa. in der Mitte des Sets für ziemlich lange Zeit verschwunden war, während ihre Band sich minutenlang vorstellte, obwohl Amy die Vorstellung vorher bereits selbst mehrfach vorgenommen hatte. Während der zitierten Abwesenheit machten die durchtrainierten Boys auf der Bühne Grinsemann und Söhne und taten so, als sei alles Bestens. Das erinnerte mich an Stewardessen, die selbst bei größten Turbulenzen ihr Blendamed-Lächeln nicht ablegen.

Trotz allem: Amy kam immer wieder zurück und wenn sie sang, war ich im siebten Himmel!
Ihre unglaubliche Stimme trotzte allen Widrigkeiten und war so sensationell präzise und fest, daß mich manchmal ein Schauer erfasste. Wo holt dieses zarte Persönchen das her? Ich weiß es nicht, das muß in die Wiege gelegt worden sein! Am besten zur Geltung kam ihr Goldkehlchen in der Anfangsphase bei dem famosen "Tears Dry On Their Own" und dem nicht minder guten "Back to Black". Dazwischen gab es immer wieder Passagen, die ein wenig vor sich hinplätscherten, aber durch den tänzerischen Einsatz der männlichen Begleitband wettgemacht wurden. Frau Winehouse selbst bewegt sich vor allem zu Beginn nicht sonderlich viel, was aber auch mit ihren hohen Stöckelschuhen und dem ausgemergelten Körper (der nichtdestotrotz unglaublich sexy war!) zusammenhing. Am Ende zeigte sie etwas mehr Einsatz, indem sie ihr Becken ein wenig nach vorne und hinten greisen ließ, ohne daß man jedoch wirklich von tanzen reden konnte. Das störte mich allerdings wenig, turnerische Einlagen im Stile von Madonna brauche ich nicht, um unterhalten zu werden. Stimmungshemmender war aber das ständige Nachhintenlaufen und recht ungelenke Abstreifen der Gitarre (nun, gut, das Ding mußte über die hohe Frisur drüber), während der Lieder. Auch bückte sie sich mehrfach während ihrer Songs nach ihrem Glas (anfangs ein Becher mit einem Softdrink, später dann ein Weinglas, mit milchig rotem Inhalt) und störte so den flüssigen Ablauf des Sets. Und dennoch: selten war ich hinterher so berührt , so aufgewühlt von einem Konzert! Wenn man bedenkt, daß Amy heute wohl nur maximal 60% ihres Potentials ausgeschöpft hat und trotzdem stimmlich und musikalisch (sehr gut gegen Ende "I'm no God" und natürlich "Rehab") überdurchschnittlich war, kann man sich ausrechnen, daß die Frau in der Lage wäre, mir das Konzert des Jahres zu bescheren.

Amy, ich liebe Dich und Deine Stimme, pass gut auf Dich auf !



Setlist Amy Winehouse, Zénith, Paris

01: Addicted
02: Just Friends
03: Tears Dry On Their Own
04: He Can Only Hold Her
05: I Heard Love Is Blind
06: Cupid
07: Back To Black
08: Some Unholy War
09: ?
10: You Send Me Flying (Cherry)
11: Wake Up Alone
12: Love Is A Loosing Game

13: Hey Little Rich Girl (The Specials Cover)
14: You're Wondering Now
15: Monkey Man
16: You Know I'm No Good
17: Me And Mr. Jones
18: Rehab

19: Valerie (The Zutons Cover) (Z)



2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich vermisse die Worte "schnucklig" und "fesch"!!

Oliver Peel hat gesagt…

Schnucklig und fesch passten diesmal nicht!

 

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