Dienstag, 22. August 2017

25. Lowlands Festival, Biddinghuizen, Niederlande 18.08.-20.08.2017


Konzert: Lowlands Festival
Ort: Biddinghuizen
Datum: 18.08.-20.08.2017
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: 55.000 ausverkauft


25 Jahre Lowlands 

Kein anderes Festival hat mich je so begeistert und meinen musikalischen Horizont immer wieder gefordert. Bei meinem ersten Besuch 1997 spielten mit Blur, The Chemical Brothers, Eels, Pavement, Deus und Mogwai schon mehr interessante Bands, als es ein Wochenende hätte fassen können. 

Bei der Heimfahrt jedoch rieben wir uns die Augen. Es war das Ganze, perfekt arrangierte und auf zufriedene Besucher ausgerichtete Festival selbst, und nicht nur die Bands auf die wir uns so lange gefreut hatten, das uns schlaftrunken zurückließ. 

Seitdem habe ich (außer durch Sommergrippe) keine Ausgabe mehr verpasst. 

Die Niederländer und Veranstalter MOJO zeigten von Jahr zu Jahr, mit welchem Aufwand die bereit sind, drei Tage Festival zu etwas wirklich besonderen werden zu lassen. Als geborene Optimierer verändern sie das Gelände und die Lage der Eingänge und Zirkuszelte jährlich. Nie gibt es Stillstand, alles ist wichtig. 


Und so verwundert es nicht, dass gerade in diesem Jahr der großen Sicherheitsoffensive gerade das Lowlands wieder einen komplett anderen Weg sucht. Erstmalig gab es zwischen Campingplätzen und Festivalgelände faktisch keinerlei Kontrollen mehr. Lediglich Glasflaschen und große Taschen wurden verweigert. Diese kleine, aber feine Veränderung sorgte für ein noch unbeschwerteres Flanieren ohne jegliche Wartezeit vom Zelt zum Lieblingskünstler. 

Die nächste große Veränderung zum Jubiläum waren die komplett neuen beiden größten Bühnen "Alpha" und "Bravo". Beide exclusiv fürs Lowlands neu erdacht und erbaut, steht man nun unter fast 25 Meter hohen Kuppelbauten, wovon eine eher an einen offenen Hangar, die andere an ein riesiges Kirchenschiff erinnert. Mit diesen beiden, fantastisch klingenden und auch für riesige Leinwände und Lichtshows ausgerüsteten Mega-Bühnen ist das Festival wieder anderen großen Playern in der Festivallandschaft um Jahre voraus. 



55.000 Zuschauer, auf der Ticketseite "Ticketswap" suchten alleine noch mindestens 13.000 Menschen eine Karte, klingt erstmal gewaltig. Auf dem unfassbar großen Gelände, incl. Saunainsel und diversen Kunstaktionen, fällt der Gigantismus allerdings wenig auf. Da das Programm grundsätzlich früh beginnt und nachts/morgens nicht vor 5.00 Uhr endet, verteilen sich die Steher und Schläfer über die kompletten 24 Stunden eines Tages. 

Berichten will ich wieder nur vom Musikprogramm. Für alle anderen Aktivitäten war sowieso wieder keine Zeit. 



Der Freitag startet mit Feist noch gemütlich. Der Auftritt vor 5 Jahren hier an gleicher Stelle gefiel mir wesentlich besser. Heute wirkt die Band noch etwas steif und unrund. Feist selber ist neben einem absoluten Fotoverbot auch sonst etwas schlecht gelaunt oder einfach übermüdet. Richtige Stimmung will da nicht aufkommen. Zumal die neuen Songs doch etwas spröde daher kommen. 

Gewartet wird vom Publikum daher auf die Hits, von denen 1234 natürlich wieder nicht gespielt wird. Weiter geht es zu der, in diesem Jahr bereits für ihre Konzerte hoch gelobten Solange. Auch hier waren keine Fotos erlaubt.

Hier stimmt im neuen "Bravo" erst einmal alles. Eine beeindruckende Bühnendekoration im Japanstil: weißer Vorhang und roter Kreis glüht schon vor, da betreten die ersten Tänzer auch schon die Bühne, Zwei Trompeter kommen dazu und am Ende gleitet Solange nach vorne. So sollte man es wirklich nennen, denn die Künstlerin wird während des kompletten Auftritts nur fließende Bewegungen vollziehen, was auch zum tänzerischen Konzept der Begleitmusiker und Sängerinnen am Besten passt. Ein wirklich toll choreografiertes Stück Konzert, leider ist die Musik dazu doch arg fade. 

Tempowechsel sind kaum vorhanden, selbst die Trompeter fungieren eher als Tänzer, denn als treibende Kraft. Vielleicht einfach nicht meine Musik, das Zelt leerte sich allerdings zur Mitte des Sets spürbar, evtl. ging es ja doch einigen genau so wie mir. Bestimmt hätte das ganze in einem kleinen Theatersaal fantastisch gewirkt, hier verpuffte die ruhige Show von Beyonces Schwester unter dem großen Kuppeldach leider etwas.

 Die beiden weiteren, großartigen Freitagskonzerte von Iggy Pop und The XX folgen als Einzelberichte in den nächsten Tagen. 

Der Samstag startet nach den üblichen Yoga/Politik und Kulturprogrammen am frühen Mittag mit Hauschka. Der kann aber trotz des Oscar-Vorschusses für den Film "Lion" hier nur wenige begeistern. Anders als zum Beispiel Nils Frahm ist das Set leider nicht besonders abwechslungsreich. Dazu ist das Zelt nicht bestuhlt, so dass die volle Stunde doch leider etwas arg lang wirkt. 

Also schnell weiter zu Ben Howards neuen Band A Blaze of Feather die in Haldern ja einem Sturzregen zum Opfer gefallen war. Sehr schade eigentlich, denn live war das hier ganz hervorragend. Howard selbst kauert dabei die ganze Zeit nur am hinteren Bühnenrand sitzend vor seinem Verstärker und spielt versunken Gitarre. Was aber vor ihm passiert ist wirklich toll. Wirkte hier die CD noch etwas sehr getragen, entfaltet sich die Band live wie kaum eine andere. Überall gibt es etwas zu sehen, die drei! Gitarren sind herrlich klar abgemischt und ergänzen sich perfekt, statt im Soundbrei zu versinken. 

Hier gelingt es einer Band, die Spannung 60 Minuten ohne echten Hit hoch zu halten. Grandios. Am Ende Zugabenrufe, aber die fertigen Songs waren alle gespielt. 

Der junge Sampha hat es danach schwer, gemessen an seinem super Song "Like the Piano" wirkt das restliche Set und die Show in Ballonseideanzügen wie eine Kopie aus dem aktuellen US-R&B Trap Baukasten. 





Der danach folgende Auftritt von Alt-J erhält ebenfalls bald einen eigenen Bericht. Daher direkt zu Elbow, die hier das Ü30-Publikum begeistern.

Da wird gesungen und geklatscht, Paare verschmelzen in Partnerjacken zu Nacktschnecken und Guy Garvey nimmt die Aufforderung zum Zeremonienmeister gerne an und veranstaltet ein großes Manchester-Singalong.



Das mag jetzt sehr abwertend klingen, ist es aber nicht. Diese Rahmenbedingungen sind einfach bei einem Elbow Konzert zu ertragen. Sobald aber Songs wie "Lippy Kids" oder "One Day like this" erklingen , schließt man einfach die Augen und lauscht den meist leisen Arrangements dieser, mittlerweile seit 20 Jahren bestehenden Band, und genießt im Stillen. 



Danach ein böser Platzregen, der aber fast wie gerufen kam. Die Editors spielten zum großen Tanz auf aber irgendwie will das ja, außer in den Niederlanden, kaum noch einer sehen. Hier werden wie so oft Konfettikanonen mit echten Gefühlen verwechselt, also lieber den Abend bei einem Gehaktballen und netten Gesprächen gemütlich ausklingen lassen.



Der Sonntag wurde wegen fehlender Urlaubstage dann etwas beschnitten. Zur Frühstückszeit spielte Hurray for the Riff Raff ein fulminantes Set. Auch hier wird es einen Bericht mit mehr Details geben. Für mich, die Band und das Album des Jahres. 

Tash Sultana zog kurz darauf die Massen an, zurecht. Wie bereits beim Down the Rabbit Hole Festival zeigt sie ihre ganze Klasse und mit "Jungle" hat sie bereits einen Riesenhit in den Niederlanden. 

Der Geheimauftritt von Triggerfinger ist nicht mein Ding, also weiter zu At the drive in. Dazu nur soviel: Wer seinen alten Lieblingen dabei zusehen wollte, wie sich Sänger Cedric Bixler-Zavala hinter seinen hohlen Fake-Verstärkern (zum umwerfen und draufspringen) abwechselnd am Luftbefeuchter oder der Teemaschine versuchte (kein Witz), war hier richtig. 

Auch wenn die Band fantastisch aufspielt, bietet sich hier ein Trauerspiel früherer, selbst entworfener Ansprüche und Ansichten. Verurteilen will ich es nicht, schade ist es trotzdem.

Danach noch First Aid Kit als Belohnung für ein tolles Wochenende, Die Schwedinnen werden immer besser, covern hier sogar Kenny Rogers "The Gambler" und spielen ihr umwerfendes "Emmylou". 



Besser konnte es nicht werden (mussten wir uns auch wegen der Rückfahrt einreden), daher fielen Cashmere Cat, Nicolas Jaar und Mumford & Sons leider für uns aus. 


Es bleibt ein irres Wochenende voller Reizüberflutung, wobei der Schwerpunkt auf Grund des Jubiläums diesmal auf den etablierten Acts lag. Normalerweise ist das Programm auch im unbekannteren Bereich viel interessanter besetzt. Aber das wird sich sicherlich nächstes Jahr wieder ändern.

Fotos: Michael Graef 


 

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