Donnerstag, 18. September 2008

Erica Buettner, Paris, 17.09.08


Konzert: Erica Buettner
Ort: Le Pop In, Paris
Datum: 17.09.2008
Zuschauer: ca 35-40
Konzertdauer: gut 45 Minuten



"The best things in life are free".

So heißt es doch in diesem leicht kitschigen Lied von Janet Jackson und Luther Vandross, oder nicht?

Stimmt ja auch, zumindest manchmal. Das Konzert von Erica Buettner heute z.B., das war wirklich "free"= gratis. Und das ungemein charmante Lächeln der jungen amerikanischen Folksängerin bekam man noch umsonst dazu. Wenn das nichts ist!

Allerdings war etwas Geduld gefragt, denn um 21 Uhr, wie auf der MySpace Seite der Künstlerin vermerkt, war die Kellergruft im Pop In noch nahezu menschenleer. Die Hauptperson war allerdings schon da, die niedliche Sängerin lehnte mit verschränkten Armen an der Steinmauer und blickte auf die Bühne, wo ein Franzose, der das Vorprogramm bestreiten sollte, den Soundcheck durchführte. Er trällerte All You Need Is Love von den Beatles und ich nutzte die Gelegenheit um Erica zu fragen, wann sie denn loslege. "22 Uhr 20" war die Antwort. Au weia, ich wollte doch eigentlich heute früher ins Bett!

Aber was ist eine längere Nachtruhe schon gegen den sirenenhaften Gesang einer charmanten jungen Dame? Eben!

Ich stieg wieder nach oben und suchte ein indisches Restaurant in der Nähe auf, Deutsche müssen halt immer essen...

Gestärkt kam ich zurück und stieß zurück im Keller auf Pariser Folkprominenz. Morgane Imbeaud von dem ungemein erfolgreichen Duo Cocoon (die beiden spielen bald im Olympia, eine Sensation!) war da, aber auch der französische Sänger Alban Dereyer und Isabelle, der weibliche Teil der tollen Band Pollyanna.

Irgendwann hatte auch der französische (aber zumeist auf englisch singende) Folkbarde The Green Shape aus Lille (hübsche Stimme!), der sich noch auf der Bühne befand, kein Lied mehr zu bieten und es konnte mit Erica Buettner endlich losgehen.

Schon nach den ersten Takten war ich von der sanften Stimme hingerissen. Sie besaß eine Klarheit und Reinheit wie ein Gebirgsfluß und erinnerte an große alte Damen des Folkgenres wie Joni Mitchell, Judee Sill oder auch Vashti Bunjan. Es war wahrlich ein Genuß ihr zuzuhören.

Begleitet wurde sie von dem griechischen Multiinstrumentalisten Stefanos Kotsanis, der auf einem kleinen Stühlchen saß und im Laufe des Sets Klarinette, Mandoline und Akkordeon spielte und quasi zu jedem Lied auf eine Spielzeugtrommel klöppelte. Die Spielzeugtrommel befand sich hierbei witzigerweise in einer hölzernen Saftbox mit der Aufschrift "Orange à Jus, Mademoiselle". Normalerweise gehört auch noch der Cellist Conrad Steel zur Band, aber der fehlte heute.

Erica selbst spielte auch mehr als ein Instrument. Nachdem sie den Anfang des Konzertes auf der Gitarre bestritten hatte, wechselte sie zu When It Goes zum Banjo und benutzte dies auch noch bei einem zweiten Song.

Damit interessierte Leser sich selbst ein Bild machen können, möchte ich mich hinsichtlich der vorgetragenen Titel hauptsächlich auf die Tracks konzentrieren, die man bei MySpace anhören kann. Dort kann man z.B. die wundervolle Ballade True Love And Water genießen, die wie ein verschollener Klassiker klingt. Es geht um die tragisch schöne Liebesgeschichte zwischen Jack und Jill, deren Text man in Gänze hier nachlesen kann.

Besonders die Textzeile "He has a lovely voice, I adore to hear him sing" hatte es mir angetan und ich ersetzte in süßen Träumen versunken "he" einfach durch "she" und dachte dabei natürlich an Erica, die zu reduziertem Gitarrenspiel auf lieblichste Weise sang.

Das zart melancholische Time Travelling (Text hier) danach war etwas stärker instrumentalisiert, aber ebenso schön. Dann schnappte sich Erica das Banjo und interpretierte When It Goes, ein Lied von dem sogar ein kurzes Video existiert (einem kleinen Mädchen kullern die Tränen über das Gesicht, aber am Ende streckt es kess die Zunge raus, süß!) und dessen Text ebenfalls von der Künstlerin selbst veröffentlicht wurde. Dort erklärt sie auch kurz, daß es sich um ein "Eden-Inspired Theme" handelt, also einen Song, der sich ums Paradies dreht. Himmlisch!

Und zwei Lieder später wagte sich Fräulein Buettner sogar, französisches Liedgut zu interpretieren. C'est Julien von Marie Laforêt beschrieb die Amerikanerin als eine Chance, sich in einer fremden Sprache auf ungezwungenere Weise auszudrücken. Marie Laforêt ist eine Chanson-Sängerin, die vor allem in den 60er Jahren erfolgreich war und deren Liedgut nicht dem Folk zugeordnet werden kann. Insofern unterschied sich die Version von Erica deutlich vom Original, kam aber sehr gut an, zumal die Amerikanerin mit einer vorzüglichen und nahezu akzentfreien Aussprache aufwarten konnte.

Kurze Zeit später war mit Parisian Clouds Schluss, aber das auf dem Boden sitzende Publikum hatte noch nicht genug von dieser wundervollen Stimme bekommen. Erica überlegt kurz, was sie denn noch spielen könne, griff sich die Gitarre und wollte loslegen, doch dann...riss ihr eine Saite! Entwaffnend hob sie die Arme, so als wolle sie sagen: "Tja, das hat sich ja dann leider erledigt!", aber der Applaus war zu herzlich, um auf diese Weise aufzuhören. "Spiel doch was auf dem Banjo!", rief ein Schlaumeier herein, aber die Künstlerin winkte mit den Worten "ich beherrsche nicht so viel Stücke auf dem Banjo", ab. Dann halt eben doch auf der Gitarre, gerissene Saite hin oder her! Und zum Glück wurde uns dieser Nachschlag noch präsentiert, denn Erica intonierte Between The Bars von meinem Lieblingssänger Elliott Smith, den sie ebenfalls verehrt. Ihre Version war fast noch herzzereissender als das Original und machte schmerzlich deutlich, warum Elliott jetzt schon stark vermisst wird. Ihr Multiinstrumentalist hatte es sich hierzu auf der Kante der kleinen Bühnenrampe gemütlich gemacht und saß ganz nah an der Seite der verzückten Zuhörer.

Zum Abschluss gönnte Erica den Besuchern dann noch einmal ihr schönstes Lächeln und ich dachte noch einmal an dieses eingangs erwähnte komische Lied: "The best things in life are free"...

Setlist Erica Buettner, Le Pop In, Paris:

01: A Tale Of Norstein
02: Our Most Fragile Things
03: True Love And Water
04: Time Traveling
05: When It Goes
06: Under The Radar
07: C'est Julien (Marie Laforêt Cover)
08: Parisian Clouds


09: Between The Bars (Elliott Smith Cover)

Link:

- Mehr Fotos von Erica Buettner





1 Kommentare :

E. hat gesagt…

hätte ich fast übersehen. hast du den bericht später eingeschoben?
diese kleinen events geben doch immer eine menge her, gell? sehr schön.

 

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