Sonntag, 30. September 2007

Interview: Anna Ternheim, Köln


Interview: Anna Ternheim

Ort: Stadtgarten Köln
Datum: 26.09.2007

Zwischen den beiden Anna Ternheim Konzerten in Heidelberg und Köln trafen wir die Schwedin zu einem Interview im Kölner Stadtgarten. Weil die Sängerin in Heidelberg anfangs von einer Zuschauerin sichtbar genervt war, sprachen wir sie darauf an.

Gestern in Heidelberg war die Stimmung bei Deinem Konzert so feierlich und andächtig, bis auf diese Störerin...

Ja, diese Frau im Hintergrund, die war sehr betrunken. Sie wurde dann rausgeführt.

Witzig...

Nein, nicht witzig! (lacht) Was willst Du machen? Es ist eine merkwürdige Situation. Jeder hört dem Konzert zu und dann ist da die eine Person im Hintergrund, die Geräusche macht. Und das während eines Akustikkonzerts, das stört die Konzentration. Aber Du weißt eben nie, was Dich erwartet, das ist der aufregende Teil des Jobs.

Aber Du reist sonst schon mit Band? Deine Auftritte in Frankreich, über die wir berichtet haben, waren alle akustisch.

Doch, das mache ich, hauptsächlich in Schweden. In Frankreich ist es zu teuer, mit der Band zu touren, ganz einfach, weil ich nicht genügend CDs verkauft habe. In Deutschland konnte ich schon mit Band auf Tour gehen - zweimal sogar. Diesmal wollte ich etwas Neues machen, ich habe hier noch nie akustisch gespielt und es ist mir wichtig, beide Seiten, die ich habe, zu zeigen.

Was spielst Du lieber? Akustische Konzerte oder Konzerte mit Band?

Das kann ich nicht sagen. Ich mag beides. Mir ist es wichtig, daß ich den Leuten Abwechslung biete. Wenn Du nur alleine spielst, Konzert für Konzert, brauchst Du wirklich neuen Input von anderen Leuten. Und es ist sehr sozial und einfach ein großer Spaß, mit anderen Musikern zu spielen. Auf der anderen Seite komme ich den Zuschauern sonst nie so nah, wie wenn ich alleine spiele. Das ist unmöglich für mich, diese Frage zu beantworten.


Spielst Du dann immer mit den gleichen Musikern?


Ich spiele seit einem Jahr jetzt mit den gleichen Leuten, davor hatte ich eine andere Band.

Hast Du live schon einmal mit Fyfe Dangerfield gespielt? [Anna hat mit dem Säger der Guillemots eine fabelhafte Version von Lovers Dream aufgenommen]

Ja, das haben wir. In einer Fernsehsendung in Schweden.

Aber noch nicht bei einem Festival? In Haldern wäre letztes Jahr die Gelegenheit gewesen, das mußtest Du aber leider absagen. Oder habt Ihr es sonst schon einmal live gespielt?

Nein, leider noch nicht. Die Guillemots arbeiten gerade an ihrem zweiten Album, damit sind sie wohl bald fertig. Aber sie sind zur Zeit eben nicht auf Tour. Wir haben uns vorgenommen, das einmal gemeinsam live zu spielen. Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Du mußtest Haldern letztes Jahr absagen, weil Du an Deinem zweiten Album gearbeitet hast.

Ja, das war nicht fertig. Und dann gab es da alle möglichen Sachen wegen der Veröffentlichung in Schweden zu tun und leider mußten wir das dann absagen. Mir tat das sehr leid.

In Paris hast Du gesagt, das zweite Album hätte Dich fast umgebracht.

Ja, das war hart, das war sehr schwierig. Das erste war so einfach. Es war, als müßte man alles wieder neu lernen. Und ich habe natürlich Druck gespürt, von Leuten in Schweden, die viel von mir erwartet haben. Auch von Fans, die sich schnell ein Bild davon machen, wer Du bist. Du schreibst zehn Lieder und schon haben sie ein Bild von Dir im Kopf. Ich denke aber, daß es einige Alben dauert, bis man weiß, wie ein Künstler ist, worum es bei seiner Musik geht. Und dann habe ich das Album in zwei Jahren geschrieben, statt in zehn.

Siehst Du Dich als Folksängerin oder als Popsängerin? Du machst ja von jeder CD auch "naked versions", die eher nach Folk klingen. Und es ist schwer zu sagen, was einem besser gefällt.

Vielleicht will ich es den Leuten schwer machen (lacht). Oder ich will vielleicht einfach unterschiedliche Dinge ausprobieren. Ich suche da keine Bezeichnung für meinen Stil. Ich habe einfach immer nur Lieder geschrieben. Und am Ende arbeitest Du dann mit unterschiedlichen Leuten an diesen Lieder, und es entsteht etwas daraus. Ich mag diesen Prozess sehr gerne. Ich sehe mich selbst als Songwriter - egal welche Bezeichnungen die Leute mir geben.

Auf einem Festival hast Du mal gesagt, jeder Singer/Songwriter würde mal gerne in einer Rockband spielen. Wie meintest Du das?

Ich beneide einfach die Rockbands manchmal um ihre Energie, um ihre Wut, ihre Aggression, weil ich diese Sachen auch in mir habe. Vielleicht bin ich noch nicht an dem Punkt. Man sucht ja immer Wege, solche Gefühle rauszulassen. Ich entdecke mich da noch. Vielleicht bekomme ich irgendwann diese Gefühle in Lieder gepackt. Heute könnte ich in keiner Rockband spielen, ich würde da keinen guten Job machen. Vielleicht irgendwann mal!

Würdest Du also gerne Sängerin der Hives sein - oder bei Soundtrack of Our Lives?

(lacht) Die sind beide toll, zwar ganz unterschiedlich aber beide rockig. Ich mag das sehr!

Hast Du eine Idee, warum es so viele erfolgreiche schwedische Indiebands gibt? In Deutschland sind Bands wie die Hives oder Mando Diao, aber auch Peter, Björn and John, Loney, Dear und die Shout Out Louds erfolgreich, während es vergleichsweise wenig gute deutsche Indiebands gibt?

Das bin ich vor ein paar Tagen schon mal gefragt worden. Ich glaube, das liegt daran, daß wenn es ein paar gute Bands gibt, andere inspiriert werden. Viele der schwedischen Bands kommen aus Stockholm und man kennt sich da eben. Peter, Björn and John habe ich vor vielen Jahren schon mal in einer Kellerkneipe gesehen, in der ich dann auch irgendwann gespielt habe. Die Leute hhaben sich dann gegenseitig geholfen. Da wurden Labels gegründet. Wenn es Probleme mit der Plattenindustrie gab, wurden andere Wege gefunden. Du brauchst einfach eine Umgebung, in der so etwas passieren kann, in der Du inspiriert wirst. Wenn es in Deutschland eine solche Szene nicht gibt, ist es schwierig. Da sind dann sicher talentierte Leute aber die finden dann vielleicht keine Möglichkeit, ihre Sachen unterzubringen. Wenn sich so eine Szene um einige Bands entwickelt, kann es ganz schnell gehen und es können viele Bands auftauchen.

Wenn Du in Deutschland Radio hörst, hörst Du da meist nur Bands oder Künstler wie Shakira. Es ist schwer, einmal Indiesachen im Radio oder im Fernsehen mitzubekommen.

Das habe ich auch gemerkt. Ihr habt da ein Problem. Ihr habt sehr komerzielles Radio in Deutschland, und das ist alles irgendwie in den 80ern stehengeblieben.

Wir haben eben über Dein Duett mit Fyfe Dangerfield gesprochen. Gibt es andere Künstler, mit denen Du gerne einmal auf der Bühne stehen würdest?

Ach, das sind so viele. Ich könnte da jetzt keinen speziellen Namen nennen. Fragt mich danach noch mal!

Und gibt es besondere Orte, an denen Du gerne einmal spielen würdest?

Ich habe schon an allen möglichen speziellen Orten gespielt, mal in Kellerkneipen vor ein paar Leuten, dann mit Kent vor Tausenden Leuten. Es gibt ein paar Festivals, die ich gerne spielen würde. Glastonbury und Roskilde. Ich liebe Roskilde. Und das in Kalifornien. Wie heißt das? Coachella. Aber es war eben schon vieles dabei: Vor den betrunkenen Leuten in den kleinen Läden und dann dreizehn Konzerte in Folge mit Kent in Zelten vor jeweils 20.000 Leuten.

Hast Du schon in den USA gespielt?

Nein. Meine Platte wird jetzt in den USA veröffentlicht und Mitte Oktober spiele ich mein erstes Konzert in New York.

Kennst Du Bands aus Deutschland?

Rammstein! Und Nena. Sonst fallen mir keine ein. Nennt mal ein paar Namen.

Wir sind Helden? Tomte? Klee? Oder die Scorpions?

Yeah! Die kenne ich: la la la of tomorrow (singt "Wind of Change" an und lacht).

Was für Musik hörst Du im Tourbus?

Um ehrlich zu sein, höre ich im Moment vor allem meine Demos, um weiter daran zu arbeiten.

Was hörst Du sonst?

Ich bin meist vollkommen süchtig nach einer Sache und höre sie, bis es nicht mehr geht. In letzter Zeit habe ich oft die Quincy Jones Aufnahmen von Michael Jackson gehört. Das ist perfekt fürs Laufen. Ich weiß nicht. Ich habe in letzter Zeit nicht viel Musik gehört.

Du hast neben Deinen eigenen Lieder einige tolle Coverversionen im Programm. Gibt es andere Lieder, die Du gerne covern würdest? Vielleicht irgendwelche Lieblingslieder?

Ich habe natürlich Lieblingslieder, die sind aber am schwersten zu covern. Man muß natürlich einen Song mögen, um ihn zu covern aber man darf ihn nicht zu sehr lieben, denn dann würdest Du ja auch keine eigene Version machen wollen. Im Moment denke ich über keine Cover nach.

Würdest Du gerne von anderen gecovert werden oder wäre das ein komisches Gefühl?

Das wäre schon eine Ehre. Aber meine Musik gibt es noch nicht so lange. Ein Song braucht eine Geschichte, bevor er gecovert wird, denke ich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Links:

- Anna in: Köln (26.09.07)
- Heidelberg (25.09.07)
- Paris, im Dezember 06
- im März 07 in Köln
- in Paris im Mai 07
- mehr Fotos aus Köln und aus Heidelberg



1 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Genauso war das!

Christoph hat allerdings nicht erwähnt, daß Anna im Café des Stadtgartens an unseren Tisch kam, nachdem ich gerade meinen Espresso heruntergekippt hatte, daß sie eine niedliche schwarze Wollmütze trug und überhaupt sehr charmant und natürlich war.Sie ist halt eben nicht nur eine fabelhafte Künstlerin, sondern auch eine sehr sympathische Person!

 

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