Sonntag, 30. September 2007

Rock'n Roll Friday mit Plastiscines u.a., Paris, 28.09.07


Konzert: Les Shades, Plastiscines, Naast & BB Brunes (Rock n' Roll Friday)

Ort: Olympia, Paris

Datum: 28.09.2007

Zuschauer: 2585 (ausverkauft). Der Ansager von Rock & Folk hat die genaue Zahl verkündet!



Muß man neben einer Mülltonne in einem Arbeiterviertel von Liverpool groß geworden sein, um ein authentischer Rockstar sein zu können?

Wenn man manche Leute so reden hört, könnte man dies fast glauben. "Das sind doch allesamt verzogene Gören und Rotzbengel aus reichen Familien, diese neuen Pariser Garagenrockbands, die achten mehr auf ihr Outfit als auf die Musik. Und von guter Musik haben sie eh' keine Ahnung!" Solche und ähnliche Sätze waren mehrfach zu lesen, wenn die Rede von Plastiscines, Naast, den Shades, BB Brunes und wie sie noch alle heißen (z.B. Parisians, oder Tatianas) war.

Dabei war die französische Musikpresse absurderweise am kritischsten, die Trax hat beispielsweise von einer Totgeburt im Zusammenhang mit dem Phänomen junge Pariser Rockbands gesprochen und das Magazin Magic wunderte sich, wie denn die angelsächsischen Kollegen von Pitchfork.com dem Debütalbum von Plastiscines 7/10 Punkten geben konnten...


Lediglich das französische Fachblatt Rock & Folk hält den Baby-Rockern, die teilweise noch zur Schule gehen, seit geraumer Zeit die Treue und puscht die Szene sogar ein wenig durch sehr wohlwollende Berichterstattungen in ihrem Magazin. Was ist also dran an dieser Bewegung, ist das alles nur ein cleverer Marketing-Coup, wie Spötter behaupten, oder haben wir es hier mit echten Talenten zu tun, die es weit bringen können? Es muß doch irgendetwas dahinter stecken, wenn sogar der britische NME über die Pariser Youngsters berichtet, oder nicht?


Nun, es kommt wie so oft auf den Einzelfall an, man darf nicht alle in einen Topf stecken!

Leider habe ich gleich die Band, von der ich mir am meisten verspreche, verpasst! Ich rede von den Shades, die ich schon einmal im Nouveau Casino vor ein paar Monaten beobachtet hatte und die mir damals auf Anhieb gefielen. Als ich die Türen zum Saal des Olympia aufstieß, lief gerade noch das letzte Lied, ich glaube es handelte sich um "Le Temps Presse". Sämtliche Bandmitglieder waren ganz in weiß gekleidet, was dieses Jahr wohl Modefarbe Nummer 1 in der Musikszene ist. Ihr erinnert Euch an unseren alten Berichte? Polarkreis 18, Bright Eyes, kamen die nicht auch farblos (modetechnisch meine ich jetzt) daher? Und Johnny "Razorlight" Borrell mit seiner stets weißen Jeans? Nicht zu vergessen natürlich auch die Strokes, zumindest manchmal. Von letztgenannten sind die Shades auch eindeutig inspiriert, sie haben sogar eine Cover-Version eines Liedes der New Yorker im Repertoire! Mentor und Produzent Bertrand Burgalat freute sich dann auch nicht zu Unrecht über den gut aufgenommenen Auftritt seiner Jungs, von der Bühnenseite lukte er mit seiner riesigen Brille mal ins Publikum, mal auf die Jungspunde und lachte sich wohl heimlich ins Fäustchen...

Setlist Les Shades, Olympia, Paris ( laut dem Magazin Rock & Folk, welches ich abonniere) :

01: Orage Mécanique
02: Judie
03: L'Enfant Prodige
04: Machination
05: Le Prix A Payer
06: De Marbre
07: Les Yeux Fermés
08: Le Temps Presse

Nach der Pause, die man sich wunderbar damit vertreiben konnte, außerordentlich niedliche Schülerinnen im Foyer zu beobachten (warum gab es in meiner Klasse damals nicht solch süße Früchtchen?), ging es mit der Girlgroup Plastiscines weiter. Was den Kleidungsstil der jungen Dame auf der Bühne anbetraf, gab es eigentlich keine großen Unterschiede zu den Mädchen da draußen. Freche Kleidchen und abgeschnittene Jeans-Shorts waren Trumpf und natürlich szenige Stiefelchen an den Füßen. Da ist es nicht verwunderlich, daß die drei Mädchen von Plastiscine, nämlich die blonde Katty (Gesang, Gitarre), die brünette Louise (Bass) und die wuschelköpfige Marine (Gitarre, Gesang) schon für Hochglanzmagazine posierten, was ihnen viele neidische Kommentare einbrachte. Ich sage bewußt drei Mädchen, obwohl es natürlich auch noch eine Drummerin gab, aber diese Position wird so häufig gewechselt, daß man kaum noch mitkommt. Die allererste Schlagzeugerin, die noch auf dem Cover der "LP 1" zu sehen war, ist längst abgesprungen und die Nachfolgerin, die ich im Bataclan vor ein paar Monaten sah, ist auch schon wieder weg. Heute saß eine farbige Schönheit an den Drumms und wurde als Alix vorgestellt. Die gute Alix schien aber zumindest am Anfang reichlich nervös zu sein, denn sie schlug nur ganz behutsam und recht verkrampft auf ihr Instrument ein. Gegen Ende lief es dann flüssiger bei ihr. Die drei anderen Mädels haben sich aber deutlich verbessert in den letzten Wochen, so zumindest schien es mir. Da wurde wesentlich schneller gepielt, härter gerockt und sicherer Aufgetreten als noch vor Kurzem. Besonders Sängerin Katty wird immer selbstbewußter und weiß inzwischen , wie man mit dem Publikum spielt, aber auch Marine und Louise haben dazugelernt. A propos Louise, die Frau ist ein Traum! Wie die den Bass hält und mit ihren Endlosbeinen über die Bühne wirbelt, hach...

Was die Setlist anbelangt gab es keine großen Überraschungen, da wurde zum Großteil das Album "Lp 1" gespielt, natürlich auch der Hit "Loser" mit dem fabelhaften und einprägsamen Gitarrenriff zu Beginn. Nicht zu vergessen "(Zazie Fait De La) Bicyclette", dem einzigen Lied bei dem die rassige Gitarristin Marine singt. Ein Riesenhit dieses "Bicyclette", tausend mal besser als ein ähnlich lautender Song der scheußlichen Band The Queen. Aber auch für ein Cover-Version war Zeit und zwar "Boots Are Made For Walking" von Nancy Sinatra. "Kennt die jemand von euch?", fragte Katty interessehalber in die Runde, bekam aber kaum ein positive Antwort. Kein Wunder allerdings, wie sollen zum Teil vierzehnjährige Kinder die olle Sinatra kennen, zumal ihr damaliger Gesangespartner Lee Hazlewood auch schon die Radieschen von unten anbeißt?...

Anderes Novum, zumindest für mich, war das abschließende "Queens Of Hell" was nicht auf dem Album enthalten ist. Vielleicht wird es ja bald schon Zeit für "LP 2", wer weiß? Am heutigen Abend überwogen zumindest die Anhänger der frechen Girlgroup. Ob sie irgendwann auch noch die Kritiker überzeugen können, bleibt allerdings abzuwarten.

Setlist Plastiscines, Paris, Olympia:

01: Intro: Pop In, Pop Out
o2: Alchimie
03: Shake (Twist Around The Fire)
04: Mister Driver
05: Loser
06: Lost In Translation
07: La Règle Du Jeu
08: Boots Are Made For Walking (Nancy Sinatra Cover)
09: No Way
10: Queens Of Hell

Links: mehr Bilder von Plastiscines
ein Video zusammen mit The Blood Arm
Loser live

"Heute Abend sollten wir auch noch einmal an die ganzen anderen jungen Gitarrenbands denken, die leider hier nicht auftreten können, ich spreche von den Brats, den Parisians, Second Sex und den Prostitutes". Rock & Folk Redakteur Philippe Manoeuvre wirkt beim Verkünden dieser Namen fast ein wenig wehmütig und enttäuscht darüber, daß nicht allen Bands der Generation Babyrocker im Olympia ein Podium geboten werden konnte...

Der schon leicht ergraute Herr verschwindet von der Bühne und läßt Platz für die euphorisch empfangenen Jungspunde der Band Naast. Angeführt von Schönling und Sänger Gustave Naast, der mit Matrosenkäppi auf dem Kopf und Gitarre um den Hals erscheint und vervollständigt von Nicolas (Schlagzeug), Clod (Orgel) und Lucas "Laka" an der Gitarre, legt das Quartett gleich los wie die Feuerwehr. Das flotte "Le Point Aveugle" wird gespielt, ein Stück mit einer gut gemachten Chorpassage, die gleich von den Fans mitgesungen wird. Neben dem oft als arrogant beschriebenen Gustave (eine Einschätzung, die ich nicht beurteilen kann) fällt Orgelspieler Clod mit seiner dunklen Sonnenbrille und seinen schwarzen Locken besonders auf. In gebückter Haltung haut er wild gestikulierend in die Tasten. Die an die Doors erinnernde Kirmesorgel ist ohnehin omnipräsent bei Naast, sie fehlt auf keinem Stück. Textlich dominieren typische Teenagerthemen wie die unerwiderte Liebe zu einem Mädchen, "La Fille Que J'aime" (elle ne m'aime pas), oder ähnliche Probleme, die man in diesem jungen Alter nun mal so hat, "Complications". Alle Lieder werden übrigens ausschließlich auf französisch gesungen, allerdings mit einer die Ausnahme bestätigenden Regel: "The Lady Rachel" von Kevin Ayers wird über Minuten hin gestreckt, ohne mich zu überzeugen. Der französische Akzent von Gustave kommt im Englischen zu stark zur Geltung. Da bevorzuge ich eindeutig Stücke in der Muttersprache der Burschen, vor allem "Coeur De Glace" ist ein veritabler Hit. Ohnehin haben sich die Jungs das Beste für den Schluss aufgehoben: Gustave erklettert nämlich gegen Ende eine Box, heizt von dort aus ein und singt elegant wie er nun einmal ist "Mauvais Garçon" und das abschließende "Je Te Cherche". Der Applaus ist langanhaltend und nicht unverdient. So schlecht, wie sie von Neidern gemacht werden, sind nämlich Naast auf keinen Fall.

Setlist Naast, Olympia, Paris:

01: Le Point Aveugle
02: La Fille Que J'aime
03: Derièrre Cette Porte
04: Belle Est La Béte
05: Va-Et-Viens
06: Tu Te Trompes
07: Complications
08: Les Yeux De Dieu
09: The Lady Rachel
10: Coeur De Glace
11: Mauvais Garçon
12: Je Te Cherche

Nach dem Auftritt von Naast sind Cécile und ich schon ziemlich ausgepustet, soviel jugendliches Ungestüm sind wir Alten nicht mehr gewohnt. Für die extrem jungen Mädchen im Saal fängt der Abend mit den nachfolgenden BB Brunes aber erst so richtig an. Der Kreischpegel erreicht nämlich mit dem Erscheinen der in Leder gekleideten Typen seinen bisherigen Höhepunkt. Jede Textzeile wird lauthals mitgesungen, die Jungs da vorne angeschmachtet und mittels Handykamera abgelichtet. Das Styling stimmt also schon einmal, bezüglich der Qualität der Musik bin ich mir nicht ganz so sicher. Alles erinnert stark an die englischen Libertines, bloß die Texte sind französisch. Auch ein Hütchen im Pete Doherty- Stil darf da natürlich nicht fehlen, sonst wäre das Ganze nicht authentisch. Die Girlies stört die Ähnlichkeit der jungen Pariser Band mit den berühmten englischen Idolen nicht sonderlich, Hauptsache der Bauch ist flach und die Jeans sitzt eng am Körper. Der ziemlich schrammelige, wenig melodiöse Gitarrensound erschöft mich ziemlich schnell, nach drei Liedern ist hier für mich Schluß. Schluß ist auch für viele junge Mädchen, die von ihren Eltern mit dem Auto abgeholt werden, es ist Zeit für's Bett. Die Glücklichen, die noch länger bleiben durften, haben sich aber mit Sicherheit bis zum Schluß köstlich amüsiert!

Setlist BB Brunes, Olympia, Paris:

01: BB Baise
02: Sixty Eight
03: Perdus Cette Nuit
04: Le Gang Dynamite
05: Mr Hyde
06: Brunes BB
07: Houna
08: Blonde Comme Moi
09: Dis-Moi
10: J'ecoute Les Cramps (Z)
11: Pas Comme Ça
12: Dis Moi





3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich hatte mich natürlich gleich nachdem von Plasticines erzählt hattest by myspace informiert und dachte kurzzeitig darüber nach, mich als Batteuse zu bewerben...stellte dann aber fest, dass ich wahrscheinlich weder den Alters- noch den Hipnessansprüchen der jungen Damen genügen würde. Schlagzeug spielen kann ich übrigens auch nicht. Es hat wohl nicht sein sollen :(

Oliver Peel hat gesagt…

Die wechseln aber bestimmt nochmal diese Position aus, also es besteht noch Hoffnung für Dich, Christina :-)

Anonym hat gesagt…

Ich fang dann schonmal an zu üben...aber warum muss es nur das Schlagzeug sein? Als Bassistin hätte ich bestimmt bessere Chancen ;)

 

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