Sonntag, 16. März 2014

American Songbirds, Karlsruhe, 13.03.14


American Songbirds Festival mit 
  Kyrie Kristmanson, Ashia Grzesik, 
  Stephanie Nilles and Rachel Garniez
Ort: Tollhaus in Karlsruhe
Datum: 13. März 2014
Dauer: Stephanie Nilles 25 min, alle anderen 40 min
Zuschauer: etwa 150


Den aufmerksamen Lesern wird kaum entgangen sein, dass ich die Entstehung dieser Tour von Anfang mit viel Vorfreude und Hoffnung begleitet habe. Die (eigentlich naheliegende) Idee war und ist es, beginnend mit den beim Label JARO beheimateten Künstlerinnen eine Festival-Tour zu organisieren für Liedermacherinnen, die in Nordamerika zu Hause sind und dabei ganz nebenbei die Vielfalt zu zeigen, die es dabei zu entdecken gibt. 
 
Hinter den Kulissen der Motor: Ulrich Balß

Etwas enttäuschend für mich war dabei, wie wenige Personen (nämlich ganze 40) sich im Rahmen der Startnext-Kampagne infizieren ließen. Schließlich ist es ja nicht so außergewöhnlich, eine Eintrittskarte schon einmal ein halbes Jahr im Voraus zu erwerben oder die entsprechende Musik auf CD zu kaufen.  Und auch die Nachfrage im Tollhaus blieb hinter dem zurück, was ich mir vorgestellt hatte. Dabei finden sich doch dort häufig 150-200 interessierte für die noch so abgefahrenen Vorschläge der Programmacher (die sich ja auch häufig genug als Knaller erweisen). 


Das Tollhaus wäre nicht das Tollhaus, wenn es nicht aus dieser Situation einen Trumpf gemacht hätte. So wurden die etwa 150 Personen im Foyer plaziert neben die Bar und eine mittelgroße Bühne dort improvisiert. Und die Athmosphäre dieses Raumes war einfach nur großartig! Intim und doch mit Platz genug für jeden und jede. Und ich habe in der Pause und nach dem Konzert nur mit Leuten gesprochen, die wirklich restlos aus den Pantoffeln gehauen waren. Ein Abend der Überraschungen und des sich baumeln lassen könnens ist hier perfekt gelungen im Zusammenspiel von Raum und Musik und einem interessierten Publikum.


Jump
To lose is to be free to be free is to jump

And the birds do it too
and the clouds just float
and the song just flies
If they can do it why can't I
I run to the ridge I jump


Als Kyrie Kristmanson auf die Bühne trat und damit nicht nur den Abend sondern die ganze Tour eröffnete, war ihr die Nervosität anzumerken. Aber das trug eigentlich nur dazu bei, sich noch schneller in ihre Musik zu verlieben. Sie stand vorn mit ihrer Pelzmütze (ein Talismann?), sich ansonsten aber sehr verletzlich und schutzlos zeigend. Das erste Stück ganz innig und a capella nur mit etwas Rhythmus ans Mikro geklopft hatte das Publikum sofort verzaubert und damit den Bann gebrochen. Ich glaube, das hatte so keiner erwartet und dieses immer neu überrascht zu werden zog sich durch den ganzen Abend hindurch.



Kyrie Kristmanson bot keine Mädchen mit Gitarre Klischee Songs. Eher war es etwas spröde, die E-Gitarre auch etwas atonal. Aber sie knüpfte an an sehr alte überlieferte Musik. Im ersten Programmteil an die Musik der Ureinwohner Kanadas und später an Musik, die in Südfrankreich aus dem sehr frühen Mittelalter auf uns gekommen ist. Und sie vermochte, mich sehr tief drinnen anzurühren auch wenn sie nicht die ausgetretenen Pfade dafür benutzte. 


Abgelöst wurde die fragile Seele aus Vancouver von zwei sehr lebensfrohen Frauen, die derzeit einerseits in Portland (OR) beheimatet sind, aber auch Wurzeln in Polen haben und zur Zeit viel in Berlin auftreten. Ashie Grzesik  am Cello mit einer Begleiterin an der Geige brachte slawische Sehnsucht und selbstironische Texte auf die Bühne. Das Set wurde begonnen mit Atemübungen gemeinsam mit dem  Publikum - Ancestor Yoga. Besungen wurde der kleine Fluß Oder, der durch ihre Heimatstadt Wroclaw fließt, die besten Piroggen der Welt (natürlich die der Großmutter) aber auch ein verrückter Wettkampf, mit dem Fahrrad schneller als ein Auto sein zu wollen. 



So, dass man beim zuhören atemlos wurde und den wilden Triumpf des Sieges innerlich teilte. Die Musik war kraftvoll und wild, filigran in den Streicherarrangements und -loops und die Stimme wandelbar, verführerisch und sirenenhaft genauso wie kraftvoll und lebensfroh.


Nach einer 20 minütigen Pause war die Bühne komplett umgeräumt. Die vielen Looptools und Leitungen waren alle verschwunden und statt dessen nahm ein E-Piano die Mitte der Bühne auf. An dem zeigte uns Stephanie Nilles (aus Chicago gebürtig, erste Schritte als Künstlerin in New York und jetzt in New Orleans zu Hause) wo der Hammer hängt. Sie erwies sich als wahrer Derwisch am Klavier mit einer dreckigen Stimme und einer fast punkerhaft respektlosen Attitüde. Dabei war die Virtuosität auf dem Instrument atemberaubend und die Bandbreite in dem kurzen Set verblüffend. Ein kunstvoller Blues Everybody loves me when I love the blues, ein Ragtime Smoking guns, dann ein fast sinfonisches Werk, ein weiterer Blues (Love me or I kill you baby put a bullet in your brain - das nimmt man ihr ab) und am Schluss noch einen Rap der uns alle mit offenem Mund zurück ließ. Was hat die gerade mit ihrem Mund angestellt?


Zum Abschluss des Abend war das Piano an die Seite gerückt worden, ein Mann mit Kontrabass und Rachel Garniez mit Akkordeon und Lebenserfahrung auf der Bühne. Because you can does not mean you should - because you should does not mean you can. Kann man das Dilemma des Lebens noch präziser fassen? Am Klavier zelebrierte sie später  einen ruhigen Blues über ihr House of peace (nobody gets away with murder in my house of peace) und ging später zurück in die goldene Kindheit mit Forward and back again.


Was sich in dem Lied über Entscheidungen schon musikalisch angedeutet hatte, wurde im letzten Song Medicine auf die Spitze getrieben und sie war Tom Waits hier mehr als ebenbürtig mit all dem quietschen und brummen und den Beschörungen einer Hexenmeisterin, die ihren Patienten vergiftet und schließlich sterben lässt. Was für ein Hörspiel!

So endete ein Abend, der wahrhaft unterhaltsam war und allen beteiligten neue Musik erschlossen hat, die sich zu entdecken lohnt. Einen herzlichen Dank dafür an die Leute hinter JARO-Medien.


Weitere Informationen zu den Künstlerinnen:
Kyrie Kristmanson
Ashia Grzesik 
Stephanie Nilles 
Rachel Garniez

Konzerttermine

13.03. Karlsruhe – Tollhaus
14.03. Salzburg – Jazzit
15.03. Wien – Sargfabrik
17.03. Mainz – Frankfurter Hof
18.03. Stuttgart – Theaterhaus
19.03. Freiburg – Jazzhaus
20.03. Friedrichshafen – Caserne
21.03. Ingolstadt – Bürgerhaus
22.03. Saarburg – Evangelische Kirche
23.03. Erlangen – E-Werk
25.03. Kiel – Kulturforum
26.03. Bremen – Schlachthof
27.03. Halle/Saale – Volkspark
28.03. Neustadt a Rübenberge – Schloß Landestrost
29.03. Nörten-Hardenberg – Hardenberg Atrium
30.03. Bochum – Christuskirche
31.03. Koblenz – Cafe Hahn
02.04. Hamburg – Nochtspeicher
03.04. Berlin – Passionskirche


Aus den Archiven:
Jaro Media und die Songbirds
Startnext-Kampagne
Fotos von Ka-news
Lie in Sound



 

Konzerttagebuch © 2010

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