Konzert: James
Ort: Haldern-Pop Festival, Rees-Haldern
Datum: 09.08.2013
Dauer: knapp 80 min
Warum das Haldern-Festival so etwas Einzigartiges ist? Da gibt es viele Gründe. Der diesjährige Headliner verdeutlicht aber ganz besonders, was das kleine Indie-Festival am Niederrhein von allen anderen unterscheidet. James haben seit Jahren kein Plattenlabel mehr in Deutschland. Und weil ohne auch keine Touren stattfinden, waren die Briten nach ihrer Wiedervereinigung 2007 auch nicht mehr in Deutschland (dafür mehrfach in Mittel- und Südamerika, zigmal in Griechenland und Portugal). Aber auch vor dem Ausstieg von Sänger Tim Booth 2001 muß man eine Ecke zurückgehen. 1999 spielte die Band aus Manchester zuletzt in Deutschland - und zwar in Haldern. Weil die Macher des Festivals offenbar große Fans der Gruppe sind, schenkten sie sie sich zum 30. Festival auch wieder. Daß dies bei den heutigen Besuchern keine große Euphorie im Vorfeld erzeugte, war den Organisatoren vermutlich egal, aber nicht aus Arroganz, sondern weil sie wussten, daß ihnen im Anschluß jeder zu dieser Verpflichtung gratulieren würde.
Für mich als riesigen James-Fan seit Ende der 80er Jahre war die Ankündigung fürs Haldern-Festival ein wundervolles Geschenk. Wollte ich James in der Vergangenheit sehen - in den 90ern hatte ich das dummerweise ausgelassen und damit auch ihre Show in Köln mit Radiohead als Support verpasst - musste ich zu ihnen kommen. Also sah ich James 2007 bei einem der ersten Konzerte nach dem Neustart in Dublin und 2010 beim Latitude Festival. Und immer, wenn eine neue Tour durch die großen Hallen Großbritanniens angekündigt wurde, kribbelte es in den Händen.
Um fünf nach zwölf sollten James am Freitag auftreten. Vor ihnen hatte Sophie Hunger schon verspätet angefangen, dann noch überzogen ("eigentlich darf ich das nicht noch spielen"). Fast fünfzig Minuten nach dem avisierten Start ging es dann endlich los. Der Ärger darüber, durch die Verspätung das eigentlich direkt im Anschluß im Zelt stattfindende Konzert des großartigen Owen Pallett (der bekennender James-Fan ist) zu verpassen, war mit dem ersten Stück weg. Getting away with it, die großartige, immer lauter werdende Hymne, gehörte zu den fünf Lieblingsliedern, die ich unbedingt hören wollte. Schlecht konnte es jetzt nicht mehr werden!
Auch wenn die Band aus ausgezeichneten Einzelmusikern besteht, fällt es schwer, den Blick von Sänger Tim Booth zu nehmen. Wenn der Madchester Sound je ein Maskottchen gebraucht hätte, er wäre es gewesen. "Was hat der einen an der Klatsche", habe ich zigmal während und nach dem Auftritt gehört - anerkennend! Tims Schüttel-Ausdruckstanz, der in seinem weiten Leinen-Anzug besonders irre aussah, ist herrlich anzusehen! Nach Sound muß dem Frontmann von seinem wildesten Gezappel eigentlich kotzübel gewesen sein, man merkte es ihm aber nicht weiter an.
Schon ganz am Anfang (bei Oh my heart oder Come home) war Tim erstmals lange im Publikum. Der Platz vor der Hauptbühne war lange nicht so voll wie bei Tom Odell oder Sophie Hunger, aber auch nicht so leer, wie ich befürchtet hatte. Aber die, die da waren, bekamen eine große Show und das musikalisch beste Konzert des Festivals geboten!
Ich hatte vorher ein wenig Angst, daß zu viele neuere Sachen gespielt würden. James - ähnlich wie Travis - haben ein phänomenales Frühwerk und einige Längen in den späteren Phasen. In der Mitte des Konzerts kündigte Tim Booth zwei neue Stücke an, von denen das eine gut (Moving on), das andere es geht so (Curse curse, es handelte von einer Nacht im Hotel mit einem Liebespaar im Nachbarzimmer) war. Diese Pause tat aber sogar ganz gut, denn vorher (Born of frustration!) und nachher (Five-O, Tomorrow, Sit down und Laid nacheinander!), war das Dauergrinsen fast zu anstrengend!
Mir fehlte nur Hymn of a village zum ganz großen Glück - es wäre das Haldern-Lied schlechthin gewesen.
Ich hatte vorher so vielen erzählt, wie sehr ich mich auf James freute und gleichzeitig Angst, zu hohe Erwartungen zu erzeugen. Die vielen neuen James T-Shirts am Tag danach und die vielen lobenden Worte beruhigten mich sehr. Keine irre Obsession ohne Rechtfertigung also sondern auch objektiv eine große Band mit großen Hymnen, die auch nach 20, 25 Jahren noch funktionieren!
Wie unbekannt vielen Zuschauern James waren, zeigte sich bei ihrem bekanntesten Lied Sit down. Weil die Band live schon lange nicht die Single-Version spielt, sondern eine mit längerem Klavier-Intro, dauerte es ewig, bis das Stück erkannt wurde, jedenfalls um mich rum. Aber natürlich funktionierte das Lied dann so, wie es das schon immer tut.
Ein großartiges Konzert, das deutlich nach zwei Uhr mit der Zugabe Sometimes (auch so eine der Hymnen!). Dazu rief Tim Booth jeden, der tanzen wollte, nach oben - und er zappelte mittendrin!
In zehn Jahren wird niemand mehr von Tom Odell reden. Born of frustration wird dann immer noch gesungen werden!
Eine solche Band - und keinen der auch hierzulande großen Namen, den jedes Festival als Headliner bucht - abends als letztes auf die große Bühne zu stellen, das macht Haldern aus.
Danke!
Setlist James, Haldern Festival, Rees-Haldern:
01: Getting away with it (all messed up)
02: Oh my heart
03: Come home
04: Sound
05: Jam J
06: Out to get you
07: Born of frustration
08: Moving on (leave a little light on) (neu)
09: Curse curse (neu)
10: Five-O
11: Tomorrow
12: Sit down
13: Laid
14: Sometimes (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- James, Latitude-Festival, 17.07.10
- James, Dublin, 17.04.07
8 Kommentare :
...ich hab's LEIDER nicht gesehen. aber dieser bericht ist so schön aus dem herzen geschrieben, dass du mich damit rückwirkend doch noch ein stückchen mitgenommen hast. danke!
gruß, heike
Ich habe sie endlich und zum ersten Mal live gesehen und ich wollte während des Konzerts vor Glück sterben. Es war unbeschreiblich! Legendär!
Das zweite neue Lied heißt Curse Curse und ist bei den letzten Festivals schon ein paar Mal gespielt worden. Videos kursieren bei youtube. Seit dem Belladrum-Festival wird es mit Dance-Unterlegung gespielt, gefällt mir super.
James waren super in Haldern!!!
Danke, Andrea!
schöner bericht, gute gelegenheit zu sagen, die UK-tour mit orchester war grandios - dafür bin ich das erste mal nach 1992 (oder so) wieder für ein james-konzert auf die insel geflogen und habe jede sekunde genossen. schade, dass ein auftritt in berlin wohl bestenfalls unwahrscheinlich ist. über haldern heisst es auf dem offiziellen james-blog:
"“What a fabulous night in the woods,” says Larry. “It felt as if the whole crowd smiled as one.” "
Hier ist u.a. auch Curse Curse dabei:
https://www.youtube.com/watch?v=KswwS0coido
War auch wirklich erwarungslos und hatte damit gerechnet, dass sie wie viele "ältere" letzte Bands der Vorjahre, z. B. Waterboys, Wilco, John Grant mit Orchester (oder alternativ irgendwelche instrumentalen Postrockbands), das Gelände leer spielen würden. Stattdessen wurde es ja voller...
Absoluter Knaller!
Nix gekannt aber ganz großer Spaß!
Fantastische Setlist und "Sometimes" zum Schluss. Ich hätte meinen Spaß gehabt!
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