Konzert: Peter Hook And The Light
Ort: Hippodrome de la plage, Hyères, Südfrankreich
Datum: 26.07.2013
Dauer: 60 min
Zuschauer: etwa 1.000
Was für ein herrlicher Geburtstag! Tagsüber weideten sich meine alten lüsternen Augen an den ganzen jungen, knackigen Mädchen, die am Strand mit String Tangas und gepiercten Bauchnabeln entlangspazierten, abends ging es gemeinsam mit meiner Süßen zum herrlichen Midi Festival In Hyères.
Unter Pinien traten hier bei bestem Sommerwetter im Hippodrom insgesamt vier Bands auf, darunter der ehemalige Bassist von Warsaw, Peter Hook, der zusammen mit seiner jungen Truppe The Light um 22 Uhr 30 angesetzt war. Auf ihn will ich (zumindest zunächst) meine Berichterstattung konzentrieren.
Hooky wie ihn die Fans liebevoll nennen, hatte mich schon im letzten Jahr bei einem Clubkonzert in Paris total weggeblasen und deshalb waren die Erwartungen an diesen Festivalauftritt in Südfrankreich auch turmhoch. Würrde er mich wieder in Euphorie versetzen? Alle Zweifler verstummen lassen, die ihm unterstellen, er tingele nur der Kohle wegen mit den alten Klassikern von Joy Division durch die Lande?
Spätestens um 23 h 30 als die letzte Note von Love Will Tear us Apart verklungen war, hatten ich, hatten alle die Antwort bekommen. Ja, er konnte mich erneut begeistern und ja, er stopfte fast allen ihr blödes Maul. Klar gab es trotz des Sensationsgigs noch ein paar Nörgler, aber man kann und muss es nunmal nicht allen recht machen. Was wollte man schließlich auch mehr? Es gab alle großen Hits (She's Lost Control, Shadowplay, Radio Transmission, Love Will Tear Us Apart), aber auch ein paar Nummern, die die oberflächlich Interessierten nicht wirklich kannten (These Days, 24 Hours, Warsaw). Für mich war die Setlist mehr als ein Geburtstagsgeschenk, es war als fielen mehrere Feiertage gleichzeitig Zumal ich das große Glück hatte, akkreditiert zu sein und vorne im Fotograben Hooky und Band aus nächster Nahe in Aktion zu sehen. Ich stand direkt vor den großen Boxen! Der Sound war aus dieser Distanz einfach obergeil, die scharfen Bässe (gespielt von Hooky, aber vor allem auch von seinem Sohnemann), die astreinen Gitarrensoli und das trockene, punktgenaue Schlagzeug, all dies nahm ich ganz bewusst und sehr intensiv wahr. Das Ganze war so ungeheuer rhythmisch und tanzbar, dass ich es nicht aushielt und tierisch abhottete. Mit wild zuckenden Bewegungen reagierte ich auf die ungemein modern klingende Musik da vorne und scherte mich einen feuchten Kehricht darum, was die anderen Fotografen oder die Zuschauer in den ersten Reihen dachten. She's Lost Control und Shadowplay hintereinander, wer kann da noch stillhalten? Ich nicht!
Hooky selbst war auch sehr agil und herrlich agressiv. Nicht nur sein Gesang klang hundsgemein und angrifslustig, sondern auch seine Gestik (das permante Armheben!) sprach Bände. Immer wieder baute er sich posend am Bühnenrand auf und hielt mit gespreizten Beinen seinen Bass demonstrativ vor seinen gut durchtrainierten Körper (kleiner Bauch, aber alles fest, man würde sich die Hand verletzen, schlüge man da rein), so als wolle er sagen: "der geilste Bassist aller Zeiten, das bin ich, alle andern sind Lutscher!"
Aber auch gesanglich bekam er den Ian Curtis Part bestens hin. Jeder, der zum ersten Male Liveaufnahmen von Joy Division gehört hat, wird erstaunt sein, wie fuchsteufelswild und laut Ian sang, ganz anders als auf den von Produzent Martin Hannett geschönten und geglätteten Studioaufnahmen. Und sehr sehr ähnlich intonierte auch Peter Hook. Es wirkte trotzdem nicht wie eine Parodie, oder eine Imitation, denn die Agressivität nahm man Hook bedingungslos ab, sie wirkte nicht gekünstelt.
Als die Fotografen nach ein paar Liedern (erstaunlicherweise durfte man 5 Songs lang vorne bleiben, üblich sind in der Regel drei) dann ihre Stellung im Graben verlassen mussten, war ich bereits vollkommen high. Hormone hatten für einen explosiven Cocktail gesorgt, in meinem Gehirn fanden sich sicherlich noch deutlich später Spuren von Adrenalin, Endorphin, Serotonin und was weiß ich noch was alles.
Musik kann wie eine Droge wirken, selten war dieser Satz so wahr wie in jener lauschigen Sommernacht.
Mein Hemd war vom Tanzen inzwischen pitschnass, aber es ging noch eine halbe Stunde mit postpunkigem Dauerfeuer weiter. Twenty Four Hours und Dead Souls weckten mit ihren harten Rhythmen (das Schlagzeug erinnerte bsiweilen an Peitschenschläge) noch die totesten aller Seelen auf und nicht sehr viel später kam mit Ceremony sogar noch der beste (und einzige) Song von New Order. Sogleich klang alles ein wenig fröhlicher, melodischer und poppiger, wenngleich dieses Lied noch ganz klar an die Vorgangerband erinnerte. Ceremony, das sind noch nicht die elektronischen New Order, wie wir sie in den späteren 1980er Jahren kennenlernen sollten.
Interessanterweise wird dieser famose Titel auch noch von Barney Sumner regelmäßig gespielt, eine der wenigen übriggebliebenen Gemeinsamkeiten zwischen dem New Order Sänger und dem ex-Bassisten dieser Band. Barney mag die frühen Sachen von New Order nicht, Hooky liebt sie.
Barney wurde ich allerdings nicht zutrauen, den Joy Divison Katalog ähnlich gelungen live zu präsentieren, da fehlt ihm einfach die Kraft, die Wut und die Schizophrenie in der Stimme. Love Will Tear Us Apart, das natürlich auch beim Midi Festival den krönenden Abschluss bildete, spielt allerdings auch Barney immer noch am Ende von New Order Konzerten und dies definitiv gleich gut.
Für mich gab es am Ende des 26. Juli allerdings trotzdem nur einen Helden: Peter Hook. Sumner und seine Kollegen waren mir an diesem tollen Tag einfach mal vollkommen egal, sollen sie über Hooky lästern wie sie wollen.
Es wurde deutlich: Peter Hook is Joy Division. In ihm lebt die Legende weiter.
Einen besseren Nachlassverwalter kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ian Curtis würde sich angesichts der Darbietungen seines Bassisten nicht im Grab rumdrehen, sondern ihm vom Himmel aus zujubeln.
Setlist Peter Hook & The Light, Midi Festival, Hyères:
01: No Love Lost
02: Digital
03: Disorder
04: She's Lost Control
05: Shadowplay
06: Isolation
07: Twenty Four Hours
08: Dead Souls
09: These Days
10: Warsaw
11: Failures
12: Ceremony (New Order)
13: Transmission
14: Love Will Tear Us Apart
* Foto Archivaufnahme. Aktuelle Bilder folgen in Kürze.
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