Konzert: Die Sterne
Ort: Zoom, Frankfurt
Datum: 08.11.2012
Zuschauer: ziemlich voll
Dauer: Die Sterne 95 min, Zucker?
Ort: Zoom, Frankfurt
Datum: 08.11.2012
Zuschauer: ziemlich voll
Dauer: Die Sterne 95 min, Zucker?
Es ist so schade, daß es kein anständiges Indie-Klatsch Magazin gibt! In den USA und Großbritannien sind solche Websites weit verbreitet, deutsche Musikjournalisten dagegen sind die Verteidiger der Sachlichkeit und gehen grundsätzlich mit dem nötigen Ernst ans Aufarbeiten von Musik.
Wie langweilig!
Hat man in einer unserer Fachzeitungen schon mal gelesen, daß die Juli Sängerin backstage eine Perücke trägt (vielleicht um von Künstlerkollegen nicht erkannt zu werden?)? Oder wer gerade mit wem zusammen ist? Wieso der Schlagzeuger einer englischen Band nach dem ersten gemeinsamen Konzert gleich wieder gefeuert wurde? Vielleicht mal am Rande. Aber viel wichtiger ist doch immer, warum jetzt das aktuelle Album in einer Berghütte im Allgäu aufgenommen wurde, mit welchen Schuhen man die Effekte am besten trifft oder ob nun die dritte oder vierte Can-Platte den größeren Einfluß auf die strahlende Karriere der neuen Hype-Band aus Detmold hat. Langweilig eben!
Es braucht dringend eine Indie-Bunte, oder? Hat jemand Lust? Mail an mich bitte! Ich suche schon mal den Schlüssel vom Giftschrank.
Wenn es die Indie-Bunte nämlich schon gäbe, wüsste ich auch, ob Dyan Valdés immer noch mit Eddie Argos liiert ist. Die Blood Arm Frau spielte heute bei den Sternen Keyboard, gemeinsam mit dem in Berlin lebenden Art Brut Sänger bildet sie außerdem die Band mit dem besten Namen der Szene (Everybody Was In The French Resistance... Now). Weil sich Eddie Argos bekanntlich als Vertreter der Hamburger Schule versteht, wäre diese Geschichte ganz charmant und ein toller Übergang zu den Sternen, aber mit fehlt der Hintergrund-Klatsch. Mist, elender!
Wenn nicht... naja, zumindest glich Sterne Sänger Frank Spilker manchmal verblüffenderweise dem Briten! Aber da hat mir vielleicht auch meine Phantasie einfach einen Streich gespielt.
Obwohl die Sterne eine der wichtigsten deutschen Bands der letzten 20 Jahre sind, habe ich sie noch nie live gesehen. Das war das typische "kann ich ja irgendwann mal machen". Gestern hatte ich aber plötzlich Lust - auch weil das Zoom in Frankfurt sich immer mehr zu einem Club entwickelt, in den ich sehr gerne gehe (und damit quasi das Gebäude 9 Frankfurts ist).
Ich war spät dran, die Vorgruppe war mir vorher nicht wichtiger als die zusätzliche halbe Stunde zu Hause. Dabei hatten mir die letzten Supports-Bands im Zoom alle gefallen. Dummerweise war das auch bei Zucker so, ich hatte wohl etwas verpasst. Höchstens die Hälfte des Sets der zwei jungen Frauen bekam ich noch mit. Zucker sind Christin Elmar Schalko und Pola Lia Schulten und kommen aus Hamburg. Sie hätten bisher zwanzig Konzerte gespielt, das im Zoom sei jedoch das größte. Die Spex beschreibt Zucker mit "Ungelenk ist wieder schick." Und wirklich erinnerte mich das Gehörte an Bands wie die Heiterkeit oder (früher) die Lassie Singers. Wenn das ein Trend ist, daß zur Zeit (Frauen)Bands entstehen, die etwas schief klingen aber tolle Lieder schreiben - ich bin dabei! Zucker sahen nach Rockstars aus und hörten sich toll an! Leider haben sie noch nichts veröffentlicht außer einer Split-Kassette (die es hier gibt).
Um zehn nach zehn ging das Hauptprogramm los.*
Das letzte Sterne Album stammt von 2010, ist also nicht mehr ganz frisch. Weil es also nicht mehr die Tour zum Vermarkten der Platte ist, war das Programm deutlich mehr über alle Phasen der Band verteilt, als dies bei Konzerten kurz nach der Veröffentlichung üblich ist. So waren neben dem neunten Album 24/7 (2010) mit fünf Liedern die beiden frühen Platten Posen (1996) und Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die Interessanten (1997) mit je vier Titeln fast gleich stark vertreten. Natürlich sind Konzerte grundsätzlich besser, wenn sie keinen Marketingvorgaben zu folgen haben, Abende ohne aktuelle Platte sind also immer zu begrüßen.
Die Sterne sind aktuell ein Trio, bestehend aus den drei Gründungsmitgliedern Frank Spilker (Gesang & Gitarre), Thomas Wenzel (Bass) und Christoph Leich (Schlagzeug). Den 2009 ausgestiegenen Keyboarder Richard von der Schulenburg ersetzte Dyan Valdés (Los Angeles) - und sie hatte offenbar sehr viel Spaß an ihrem Job, sie strahlte nämlich immer wieder quer durchs Gesicht!
Irgendwann mußte Frank Spilker erklären, daß die Sterne ja eigentlich eine Gitarrenband seien; in der ersten Hälfte des Sets spielte der Sänger bei höchstens jedem zweiten Stück auf seinem Instrument. Die Lieder ohne Gitarre waren tanzlastiger (Convenience Shop zum Beispiel). Das animierte so sehr zum Tanzen, daß bei Deine Pläne plötzlich jemand aus dem Publikum zwischen Schlagzeuger und Sänger stand und da zappelte. Nach dem Lied ging der Tänzer vor den verwunderten Augen des Sängers kommentarlos von der Bühne.
Neben den vielen guten Liedern hinterließen bei mir vor allem die vielen netten Szenen nebenher einen so guten Eindruck. Schon Frank Spilkers Begrüßung "Und sonst so?" nach Widerschein war großartig! Bei Life in Quiz vergaß er den Text. "Die Zeile war übrigens 'denn bist du fertig, leckst deine Wunden, du bist ein Nichts, ganz ohne Kunden,'" erklärte er hinterher. Toll! Auch der Text von Inseln klappte nicht flüssig, was ihn während des Singens lachen ließ. "Ist auch egal!"
Nach Depressionen aus der Hölle war ich sicher, daß bald Schluß wäre. Der Frontmann drohte: "Ich kann nicht mehr! Aber was soll's, muß ja." Es sollten noch elf Lieder folgen. Muß ja.
Das war wirklich ein hervorragendes Konzert. Auch wenn diese ganze Fraktus Sache sehr komisch und offenbar toll inszeniert ist, machen mir echte Bands viel mehr Spaß. Die Sterne machen ihren Job scheinbar immer noch sehr gerne, und ihre Lieder (ich hatte vergessen, wie viele Hits sie haben) machen immer Sinn (Frank Spilker: "wir haben ganz gute Lieder"). Die besten von denen waren Risikobiographie, Wahr ist was wahr ist, In diesem Sinn, Das bisschen besser und natürlich Was hat dich bloß so ruiniert, Fickt das System und Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt.
"Wenn ihr Spaß habt, haben wir auch Spaß, dann spielen wir viele Zugaben." Es wurden je zweimal zwei, darunter Fickt das System und St. Pauli und eins aus dem Hamburg Englands. Transmission von Joy Division war an den ersten Takten zu erkennen. Frank Spilkers Stimme passt nicht zu dem Stück, trotzdem war die Sterne-Version von "dance, dance, dance to the radio" kein Sakrileg, das Cover war gut. Ich hatte aber auch nicht das Gefühl, daß die Sterne an diesem Abend überhaupt irgendetwas falsch machen konnten. Ich hatte das auch nicht, als ich mich eine Stunde vorher entschieden hatte, den Abend in Frankfurt zu verbringen!
01: Widerschein
02: Big in Berlin
03: Abstrakt
04: Convenience Shop
05: Life in Quiz
06: Deine Pläne
07: Inseln
08: Das bisschen besser
09: Trrrmmer
10: Depressionen aus der Hölle
11: Gib mir die Kraft
12: In diesem Sinn
13: Wahr ist was wahr ist
14: Aber andererseits
15: Risikobiographie
16: Die Interessanten
17: Was hat dich bloß so ruiniert?
18: Ganz normaler Tag (Z)
19: Fickt das System (Z)
20: Transmission (Joy Division Cover) (Z)
21: Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt (Z)
* keine Sterne-Wortwitze, versprochen!
2 Kommentare :
Wie könnten denn Juli in ein Indie-Klatsch Magazin gelangen? Dazu müssten sie ja doch erst mal "indie" sein, oder etwa nicht?
nachträglich: das konzert war der hammer. seit november höre ich nur noch sterne...
gelangt bin ich hierher aber auf der suche nach lieder von zucker, denn die sind genial, und da sie nichts veröffentlicht haben, außer eine ausverkaufte kasette sitze ich hier etwas auf dem trockenen.
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