Konzert: Amanda Palmer and the Grand Theft Orchestra
Ort: Abart in Zürich
Datum: 30.10.2012
Zuschauer: ausverkauft, ca. 500
Dauer: 100min
So beginnt die Platte zum Konzert und so ist das mit Frau Palmer: voll auf die zwölf, unter dem macht sie es nicht: Tanzen zum überleben, Musik als Netz, das uns im Leben hält und uns als menschliche Wesen verbindet. Dafür bewundere ich sie seit langem, bin immer neu fasziniert, angesteckt, aufgeschreckt, begeistert und befinde mich mit ihren Ansichten und ihrer Person im Dialog. Und das obwohl ich sicher nicht verdächtig bin "so eine" zu sein - also so laut, anarchistisch, theatralisch, und in dickköpfiger Punk Attitüde.
Amanda Palmer ist für mich zu einer Gefährtin geworden, die mir näher steht als sich nachvollziehbar begründen läßt. Begonnen hat alles mit der Musik der Dresden Dolls, die ich auch heute noch (nach 10 Jahren) einfach nur göttlich finde. Der Umbruch durch Web 2.0 war für mich zu großen Teilen ein Übergang zu mehr Interaktionsmöglichkeiten und Ausprobiererei um mit dieser Band in Kontakt zu sein (daneben gab und gibt es nur noch zwei andere Projekte, die ich ähnlich intensiv verfolgte). Und in dieser Zeit sind wir durch so viele Diskussionen und sozusagen durch dick und dünn gegangen, dass ich die Musik natürlich nach wie vor wichtig finde, aber inzwischen die Person dahinter eigentlich noch viel interessanter für mich ist. Ich stelle jedem Leser hier frei, das für total bescheuert oder übertrieben (oder meinethalben naiv) zu halten. Zum Glück erlaubt das Konzerttagebuch ja total subjektiv gefärbte Berichte.
Für eine derartig enge Bindung erscheint meine Liveerfahrung mit ihr merkwürdig dünn - bisher hatte ich nur im Sommer 2006 (zu Drummer Brian Vigliones Geburtstag) und im Herbst 2008 Gelegenheiten ergriffen. Aber diese beiden Konzerte waren jedes in seiner Art grandios. Mit den Dresden Dolls hatten wir sie ganz kurz entschlossen im Spiegelzelt in Hamburg gesehen (damals waren wir in Paderborn zu Haus) und es war wirklich der absolute ekstatische Wahnsinn. Im Herbst 2008 kam sie mit ihrem Soloprojekt ''Who killed Amanda Palmer?'' nach Heidelberg in den Karlstorbahnhof. Da wir zu der Zeit in Heidelberg wohnten, war das wie ein Gottesgeschenk (zumal sie in dieser ersten Testtour nur 4 Konzerte in Deutschland spielte), das man natürlich nicht ausschlagen kann. Das Konzert war auf mehreren Ebenen Augen öffnend und absolut einmalig (sie selbst nannte es hinterher magisch). In meinem inneren Kino laufen dazu immer noch mehrere emotionale Filme ab und berühren mich aufs Neue tief. Das Prinzip der Rockkonzerts wurde aufgebrochen und erweitert und geblieben ist mir davon auch noch die Musik von Zoe Keating und Jason Webley (beide auch als interessante Personen und Gefährten). Als Indiz dafür, wie eindrücklich der ganze Abend war, möchte ich hier anführen, dass mir erst beim erneuten sichten des alten Berichtes (*) wieder einfiel, dass sie das Konzert an Krücken gespielt hat. Normalerweise wäre doch so ein Detail dominant genug, um in Erinnerung zu bleiben...
Nun ist seit 2008 ganz schön vieles und interessantes passiert um Amanda Palmers Musik und ihre Person. Ich nehme mir die Freiheit, das hier auszulassen. Wichtig für den Bericht ist, dass Amanda Palmer 2012 als Rockband im Stil der 80er als ''The Grand Theft Orchestra'' auftritt unterstützt durch Michael McQuilken am Schlagzeug, Jherek Bischoff am Bass, Chad Raines an der Gitarre und weiteren Helfern im Hintergrund. Die Tour zum aktuellen Album ''Theatre is evil'' ist eingebettet in einen Rahmen von zum Album in Auftrag gegebener Kunst, die an verschiedenen Orten ausgestellt wurde, einer Reihe von Hauskonzerten und intimen Konzerten mit überraschendem und einzigartigem Linup und Ablauf. Mir blutete wirklich das Herz, als es mein Zeitplan einfach nicht zuließ, im Juni in Berlin daran teilzuhaben.
Als schließlich der Vorverkauf zu den Herbstkonzerten in Europa begann, war ich gerade in Prag. Trotzdem musste ich mich ganz fix entscheiden, wo ich sie sehen wollte (dass ich sie sehen wollte, war keine Frage). In die engere Wahl kamen Berlin, Zürich und Köln. Vielleicht auch noch Paris oder Prag. Es wurde Zürich, weil ich hoffte, dass das kleine Venue sich besonders lohnt und dass es mir Gelegenheit gibt, mal wieder in das schöne Zürich zu fahren. Außerdem hatte ich so eine vage Hoffnung, dass es in Zürich vielleicht nicht so voll wird (es war auch das einzige Konzert, wo es dann noch Karten an der Abendkasse gab). Hinterher stellte sich heraus, dass Köln vom Zeitpunkt her doch die einfachere Wahl gewesen wäre (**), denn es war total kompliziert, den Mittwoch nach dem Züricher Konzert frei zu räumen (naja, zur Not kann man auch 6:00 Uhr einen durchgehenden ICE von Zürich nach Karlsruhe nehmen und ist fast pünktlich 9:00 Uhr im Büro). Was in der Zwischenzeit leider auch klar wurde - wegen der aktuellen Musik musste ich das Konzert nicht so unbedingt sehen. Mit der neuen Platte bin ich auch nach 3 Monaten noch nicht so recht warm geworden bis auf ein oder zwei Stücke. Aber man kann ja hoffen, dass sich das live ganz anders anfühlt. Und ich denke, dass aus den einführenden Zeilen auch klar geworden ist: ich musste schon deshalb zum Konzert, weil ich mit eigenen Augen sehen musste, wie es Amanda geht.
Eine angenehme Facette daran, Fan von Amanda zu sein ist, dass es einfach ist, andere Amanda-Anhänger zu erreichen. Schon seit Urzeiten gibt es ein Forum über das alles mögliche organisierbar ist und passend zur Tour gibt es nun auch eine App, auf der sich viele Dinge erledigen lassen rund um Amandas Musik und die Konzerte. Eine eigene Community sozusagen. Darüber hatte ich eine Couch in Zürich gefunden, die mir (und meinem Schatz) ein Züricher Konzertbesucher für die Nacht anbot. Weiterer Vorteil (außer dass Gastfreundschaft einfach immer großartig ist) war, dass ich damit auch alle möglichen Infos frei Haus bekam, die ich mir sonst mühsam hätte zusammensuchen müssen. z.B. welche Straßenbahn ich nehmen kann und ob sich ein Tagesticket lohnt (und wie das heißt) und wie man dann nach dem Konzert noch heimkommt (***).
Schließlich war es soweit und ich saß nach zwei ziemlich verrückten Tagen voller Diskussionen und schwelendem Streit im Job im Zug nach Zürich. In dem Moment hatte ich doch gewisse Zweifel, ob es so eine gute Idee war. Ich war eigentlich ziemlich fertig, eine extrem kurze Nacht war vorprogrammiert, ich würde einen wildfremden behelligen und das wegen Musik, die mir nicht mal so richtig gefällt. Es war auch schon klar, dass es mir in jedem Fall viel zu laut sein würde (das finde ich nach wie vor echt belastend). Mein Schatz hatte aus diesem Grund einen Rückzieher gemacht und ließ mich allein losziehen - damit war auch der Hintergedanke passé ihm bei dieser Gelegenheit mal das schöne Zürich zu zeigen (ich war schon mehrfach dienstlich dort und im Januar zu einem nordischen Konzertabend - er noch nie). Und wie es dann so ist, wenn man einmal dabei ist, den Kopf hängen zu lassen: im Bahnhof von Emmendingen hatte unser ICE einen unplanmäßigen Halt. Schnell stellte es sich heraus, dass wir wegen Personenschadens zwischen Emmendingen und Denzlingen hier wohl wenigsten 90 min verbringen würden, evt. auch länger. Innerlich brach in hysterisches Lachen aus. Ich dumme Nudel hatte mir einen Tag Urlaub genommen und ordentlich Fahrgeld investiert, um vielleicht noch die Zugaben zu sehen... Naja, Dummheit gehört halt bestraft!
Andererseits wurde ich in dem Moment auch seltsam ruhig. Wenn es bei nicht mehr als 130 min Aufenthalt blieb, würde ich wohl Amandas Auftritt noch sehen und nur die Möglichkeit verpassen, mich weit vorn zu platzieren. Dem Set des Supportes trauerte ich nicht wirklich hinterher. Diese innere Rechnung im Kopf überließ ich mich für insgesamt etwas mehr als 2 Stunden dem wittertainment von Simon Mayo und Mark Kermode von der BBC und brachte etwas Abstand zwischen den Ärger und mich. Schließlich ging es mit 135 min Verspätung weiter und es war etwas spannend, ob ich den einen Anschluß in Basel bekommen würde, der mich wohl gerade noch rechtzeitig ins Züricher Abart bringen würde. Aber tatsächlich klappte es ab da alles wie am Schnürchen. Der Anschluss klappte auf 5 Min, in Zürich fand ich den Ticketautomaten wo ich ihn in Erinnerung hatte und die Strassenbahn fuhr nach Plan. So war ich tatsächlich 21:25 Uhr im Abart. Dort war Jherek Bischoff gerade noch in den letzten Zügen und gab eine Zugabe während ich mein Ticket einlöste.
Das war also noch einmal gut gegangen. Drin war es dann allerdings unglaublich gerammelt voll.
Leider nutzten auch nur wenige die Umbaupause dazu, draußen eine zu rauchen. Es wurde sehr sehr schwierig, so weit vorzurücken, dass ich irgendetwas auf der Bühne sehen konnte. Ich erlebte das Publikum als ziemlich ungehobelt. Keiner machte Platz, dafür wurde ich regelrecht rumgeschubst wenn ich mit meinem Rucksack zwischen den Beinen nicht sofort sprang wenn jemand sich rücksichtslos vorbeischob. Man sieht aber an den Fotos, dass ich schließlich eine annehmbare Position fand. Blöd war auch, dass schon die Pausenmusikberieselung so unglaublich laut war, dass ich die Ohrstöpsel brauchte und dass tatsächlich 30 min auf der Bühne nix geschah (nachdem der Umbau fertig war) - das Publikum wurde schon unruhig.
Aber als es gegen 22:10 Uhr endlich losging musste ich doch selig lächeln, denn während sich auf der dunklen Bühne die Band eingeschlichen hatte, war Amanda von hinten in den Saal gekommen im hellen Kimono und begann das Set mit Ukulele und einem vielstrophigen deutschen Volkslied! Das gab ordentliches Gejohle und viele Sympathiepunkte. Aber gleich im Anschluss musste ich blitzartig meinen Ohrschutz an den Start bringen, denn es gab ein rockiges Intro und Lichtshow und ab da erst einmal zwei Reißer vom neuen Album. Die Rockerattitüde wurde ordentlich zelebriert aber dann auch wieder gebrochen. Z.B. weil sich das Publikum ''Eisbär'' wünschte (was nun einmal kein Rocksong ist) oder weil das Keyboard ausstieg und man schnell improvisieren musste und das Keyboard wechseln (das ist wohl auch in Berlin passiert) und bei einem ganz alten Lied ''Missed me'' wo pro Strophe die Instrumente gewechselt wurden
(vielleicht mein persönlicher Höhepunkt an dem Abend zusammen mit der Fassung von ''Astronaut''). Amanda sagte, dass dies das kleinste Venue der Tour sei und sie ja quasi auf das Publikum schwitzen würden (bis auf Jherek Bischoff, der in seinem Smoking nie schwitzt).
Nach einer Weile schickte Amanda ihre Jungs in eine Pause an die Bar und nahm Wünsche für einen Soloteil an. Da ist die Frau in ihrem Element und lässt sozusagen das Publikum aus der Hand fressen. Und für diese Teile hat sich auf alle Fälle auch die Anfahrt gelohnt.
Nach etwa einer Stunde gab ich dann etwas entnervt auf, weil ich das geschubse leid war und suchte mir einen ruhigen Fleck in der hintersten Ecke. Das Publikum schien aber sonst mehr als zufrieden, denn es wurde Song um Song frenetisch abgefeiert und schließlich Zugaben herbeigeklatscht. Als letzte Zugabe gab es schließlich das Radiohead-cover ''Creep'' (was auch in Heidelberg der Rausschmeisser war, da hatte sie die Ukulele gerade für sich entdeckt) und alle sangen lauthals mit - was für ein gelungener Abschluss des Abends!
Amanda versprach, später noch Zeit zu haben und auch ihre Jungs würden noch an die Bar kommen. Es dauerte dann auch nur etwa 15 min bis sie das Versprechen wahr machte und mich damit beeindruckte, wie sie mit jedem, der auf sie gewartet hatte, aufrichtig und interessiert sprach, Witze machte, Leute drückte, sich an vergangene gemeinsame Treffen erinnerte und Fragen beantwortete. So fragte z.B. jemand danach, wie sie es geschafft hatte, die Show in London zu spielen nachdem sie erfahren hatte, dass eine enge (noch sehr junge) Freundin ganz überraschend im Schlaf verstorben war.
In aller Ernsthaftigkeit, die man sich wünschen kann, wurde diese Frage von ihr beantwortet. Ich saß die ganze Zeit etwa 1,5 m entfernt auf einer Bank und habe mir das in aller Ruhe und auch mit stillem Glücksgefühl angesehen und angehört. Ich denke, es geht ihr gut. Und das macht mich froh. Und in der Summe hat sich der Abend in Zürich dann doch mehr als gelohnt. Wo uns die Reise noch hinführen wird, Amanda?
Amanda Palmer ist für mich zu einer Gefährtin geworden, die mir näher steht als sich nachvollziehbar begründen läßt. Begonnen hat alles mit der Musik der Dresden Dolls, die ich auch heute noch (nach 10 Jahren) einfach nur göttlich finde. Der Umbruch durch Web 2.0 war für mich zu großen Teilen ein Übergang zu mehr Interaktionsmöglichkeiten und Ausprobiererei um mit dieser Band in Kontakt zu sein (daneben gab und gibt es nur noch zwei andere Projekte, die ich ähnlich intensiv verfolgte). Und in dieser Zeit sind wir durch so viele Diskussionen und sozusagen durch dick und dünn gegangen, dass ich die Musik natürlich nach wie vor wichtig finde, aber inzwischen die Person dahinter eigentlich noch viel interessanter für mich ist. Ich stelle jedem Leser hier frei, das für total bescheuert oder übertrieben (oder meinethalben naiv) zu halten. Zum Glück erlaubt das Konzerttagebuch ja total subjektiv gefärbte Berichte.
Für eine derartig enge Bindung erscheint meine Liveerfahrung mit ihr merkwürdig dünn - bisher hatte ich nur im Sommer 2006 (zu Drummer Brian Vigliones Geburtstag) und im Herbst 2008 Gelegenheiten ergriffen. Aber diese beiden Konzerte waren jedes in seiner Art grandios. Mit den Dresden Dolls hatten wir sie ganz kurz entschlossen im Spiegelzelt in Hamburg gesehen (damals waren wir in Paderborn zu Haus) und es war wirklich der absolute ekstatische Wahnsinn. Im Herbst 2008 kam sie mit ihrem Soloprojekt ''Who killed Amanda Palmer?'' nach Heidelberg in den Karlstorbahnhof. Da wir zu der Zeit in Heidelberg wohnten, war das wie ein Gottesgeschenk (zumal sie in dieser ersten Testtour nur 4 Konzerte in Deutschland spielte), das man natürlich nicht ausschlagen kann. Das Konzert war auf mehreren Ebenen Augen öffnend und absolut einmalig (sie selbst nannte es hinterher magisch). In meinem inneren Kino laufen dazu immer noch mehrere emotionale Filme ab und berühren mich aufs Neue tief. Das Prinzip der Rockkonzerts wurde aufgebrochen und erweitert und geblieben ist mir davon auch noch die Musik von Zoe Keating und Jason Webley (beide auch als interessante Personen und Gefährten). Als Indiz dafür, wie eindrücklich der ganze Abend war, möchte ich hier anführen, dass mir erst beim erneuten sichten des alten Berichtes (*) wieder einfiel, dass sie das Konzert an Krücken gespielt hat. Normalerweise wäre doch so ein Detail dominant genug, um in Erinnerung zu bleiben...
Nun ist seit 2008 ganz schön vieles und interessantes passiert um Amanda Palmers Musik und ihre Person. Ich nehme mir die Freiheit, das hier auszulassen. Wichtig für den Bericht ist, dass Amanda Palmer 2012 als Rockband im Stil der 80er als ''The Grand Theft Orchestra'' auftritt unterstützt durch Michael McQuilken am Schlagzeug, Jherek Bischoff am Bass, Chad Raines an der Gitarre und weiteren Helfern im Hintergrund. Die Tour zum aktuellen Album ''Theatre is evil'' ist eingebettet in einen Rahmen von zum Album in Auftrag gegebener Kunst, die an verschiedenen Orten ausgestellt wurde, einer Reihe von Hauskonzerten und intimen Konzerten mit überraschendem und einzigartigem Linup und Ablauf. Mir blutete wirklich das Herz, als es mein Zeitplan einfach nicht zuließ, im Juni in Berlin daran teilzuhaben.
Als schließlich der Vorverkauf zu den Herbstkonzerten in Europa begann, war ich gerade in Prag. Trotzdem musste ich mich ganz fix entscheiden, wo ich sie sehen wollte (dass ich sie sehen wollte, war keine Frage). In die engere Wahl kamen Berlin, Zürich und Köln. Vielleicht auch noch Paris oder Prag. Es wurde Zürich, weil ich hoffte, dass das kleine Venue sich besonders lohnt und dass es mir Gelegenheit gibt, mal wieder in das schöne Zürich zu fahren. Außerdem hatte ich so eine vage Hoffnung, dass es in Zürich vielleicht nicht so voll wird (es war auch das einzige Konzert, wo es dann noch Karten an der Abendkasse gab). Hinterher stellte sich heraus, dass Köln vom Zeitpunkt her doch die einfachere Wahl gewesen wäre (**), denn es war total kompliziert, den Mittwoch nach dem Züricher Konzert frei zu räumen (naja, zur Not kann man auch 6:00 Uhr einen durchgehenden ICE von Zürich nach Karlsruhe nehmen und ist fast pünktlich 9:00 Uhr im Büro). Was in der Zwischenzeit leider auch klar wurde - wegen der aktuellen Musik musste ich das Konzert nicht so unbedingt sehen. Mit der neuen Platte bin ich auch nach 3 Monaten noch nicht so recht warm geworden bis auf ein oder zwei Stücke. Aber man kann ja hoffen, dass sich das live ganz anders anfühlt. Und ich denke, dass aus den einführenden Zeilen auch klar geworden ist: ich musste schon deshalb zum Konzert, weil ich mit eigenen Augen sehen musste, wie es Amanda geht.
Eine angenehme Facette daran, Fan von Amanda zu sein ist, dass es einfach ist, andere Amanda-Anhänger zu erreichen. Schon seit Urzeiten gibt es ein Forum über das alles mögliche organisierbar ist und passend zur Tour gibt es nun auch eine App, auf der sich viele Dinge erledigen lassen rund um Amandas Musik und die Konzerte. Eine eigene Community sozusagen. Darüber hatte ich eine Couch in Zürich gefunden, die mir (und meinem Schatz) ein Züricher Konzertbesucher für die Nacht anbot. Weiterer Vorteil (außer dass Gastfreundschaft einfach immer großartig ist) war, dass ich damit auch alle möglichen Infos frei Haus bekam, die ich mir sonst mühsam hätte zusammensuchen müssen. z.B. welche Straßenbahn ich nehmen kann und ob sich ein Tagesticket lohnt (und wie das heißt) und wie man dann nach dem Konzert noch heimkommt (***).
Schließlich war es soweit und ich saß nach zwei ziemlich verrückten Tagen voller Diskussionen und schwelendem Streit im Job im Zug nach Zürich. In dem Moment hatte ich doch gewisse Zweifel, ob es so eine gute Idee war. Ich war eigentlich ziemlich fertig, eine extrem kurze Nacht war vorprogrammiert, ich würde einen wildfremden behelligen und das wegen Musik, die mir nicht mal so richtig gefällt. Es war auch schon klar, dass es mir in jedem Fall viel zu laut sein würde (das finde ich nach wie vor echt belastend). Mein Schatz hatte aus diesem Grund einen Rückzieher gemacht und ließ mich allein losziehen - damit war auch der Hintergedanke passé ihm bei dieser Gelegenheit mal das schöne Zürich zu zeigen (ich war schon mehrfach dienstlich dort und im Januar zu einem nordischen Konzertabend - er noch nie). Und wie es dann so ist, wenn man einmal dabei ist, den Kopf hängen zu lassen: im Bahnhof von Emmendingen hatte unser ICE einen unplanmäßigen Halt. Schnell stellte es sich heraus, dass wir wegen Personenschadens zwischen Emmendingen und Denzlingen hier wohl wenigsten 90 min verbringen würden, evt. auch länger. Innerlich brach in hysterisches Lachen aus. Ich dumme Nudel hatte mir einen Tag Urlaub genommen und ordentlich Fahrgeld investiert, um vielleicht noch die Zugaben zu sehen... Naja, Dummheit gehört halt bestraft!
Andererseits wurde ich in dem Moment auch seltsam ruhig. Wenn es bei nicht mehr als 130 min Aufenthalt blieb, würde ich wohl Amandas Auftritt noch sehen und nur die Möglichkeit verpassen, mich weit vorn zu platzieren. Dem Set des Supportes trauerte ich nicht wirklich hinterher. Diese innere Rechnung im Kopf überließ ich mich für insgesamt etwas mehr als 2 Stunden dem wittertainment von Simon Mayo und Mark Kermode von der BBC und brachte etwas Abstand zwischen den Ärger und mich. Schließlich ging es mit 135 min Verspätung weiter und es war etwas spannend, ob ich den einen Anschluß in Basel bekommen würde, der mich wohl gerade noch rechtzeitig ins Züricher Abart bringen würde. Aber tatsächlich klappte es ab da alles wie am Schnürchen. Der Anschluss klappte auf 5 Min, in Zürich fand ich den Ticketautomaten wo ich ihn in Erinnerung hatte und die Strassenbahn fuhr nach Plan. So war ich tatsächlich 21:25 Uhr im Abart. Dort war Jherek Bischoff gerade noch in den letzten Zügen und gab eine Zugabe während ich mein Ticket einlöste.
Das war also noch einmal gut gegangen. Drin war es dann allerdings unglaublich gerammelt voll.
Leider nutzten auch nur wenige die Umbaupause dazu, draußen eine zu rauchen. Es wurde sehr sehr schwierig, so weit vorzurücken, dass ich irgendetwas auf der Bühne sehen konnte. Ich erlebte das Publikum als ziemlich ungehobelt. Keiner machte Platz, dafür wurde ich regelrecht rumgeschubst wenn ich mit meinem Rucksack zwischen den Beinen nicht sofort sprang wenn jemand sich rücksichtslos vorbeischob. Man sieht aber an den Fotos, dass ich schließlich eine annehmbare Position fand. Blöd war auch, dass schon die Pausenmusikberieselung so unglaublich laut war, dass ich die Ohrstöpsel brauchte und dass tatsächlich 30 min auf der Bühne nix geschah (nachdem der Umbau fertig war) - das Publikum wurde schon unruhig.
Aber als es gegen 22:10 Uhr endlich losging musste ich doch selig lächeln, denn während sich auf der dunklen Bühne die Band eingeschlichen hatte, war Amanda von hinten in den Saal gekommen im hellen Kimono und begann das Set mit Ukulele und einem vielstrophigen deutschen Volkslied! Das gab ordentliches Gejohle und viele Sympathiepunkte. Aber gleich im Anschluss musste ich blitzartig meinen Ohrschutz an den Start bringen, denn es gab ein rockiges Intro und Lichtshow und ab da erst einmal zwei Reißer vom neuen Album. Die Rockerattitüde wurde ordentlich zelebriert aber dann auch wieder gebrochen. Z.B. weil sich das Publikum ''Eisbär'' wünschte (was nun einmal kein Rocksong ist) oder weil das Keyboard ausstieg und man schnell improvisieren musste und das Keyboard wechseln (das ist wohl auch in Berlin passiert) und bei einem ganz alten Lied ''Missed me'' wo pro Strophe die Instrumente gewechselt wurden
(vielleicht mein persönlicher Höhepunkt an dem Abend zusammen mit der Fassung von ''Astronaut''). Amanda sagte, dass dies das kleinste Venue der Tour sei und sie ja quasi auf das Publikum schwitzen würden (bis auf Jherek Bischoff, der in seinem Smoking nie schwitzt).
Nach einer Weile schickte Amanda ihre Jungs in eine Pause an die Bar und nahm Wünsche für einen Soloteil an. Da ist die Frau in ihrem Element und lässt sozusagen das Publikum aus der Hand fressen. Und für diese Teile hat sich auf alle Fälle auch die Anfahrt gelohnt.
Nach etwa einer Stunde gab ich dann etwas entnervt auf, weil ich das geschubse leid war und suchte mir einen ruhigen Fleck in der hintersten Ecke. Das Publikum schien aber sonst mehr als zufrieden, denn es wurde Song um Song frenetisch abgefeiert und schließlich Zugaben herbeigeklatscht. Als letzte Zugabe gab es schließlich das Radiohead-cover ''Creep'' (was auch in Heidelberg der Rausschmeisser war, da hatte sie die Ukulele gerade für sich entdeckt) und alle sangen lauthals mit - was für ein gelungener Abschluss des Abends!
Amanda versprach, später noch Zeit zu haben und auch ihre Jungs würden noch an die Bar kommen. Es dauerte dann auch nur etwa 15 min bis sie das Versprechen wahr machte und mich damit beeindruckte, wie sie mit jedem, der auf sie gewartet hatte, aufrichtig und interessiert sprach, Witze machte, Leute drückte, sich an vergangene gemeinsame Treffen erinnerte und Fragen beantwortete. So fragte z.B. jemand danach, wie sie es geschafft hatte, die Show in London zu spielen nachdem sie erfahren hatte, dass eine enge (noch sehr junge) Freundin ganz überraschend im Schlaf verstorben war.
In aller Ernsthaftigkeit, die man sich wünschen kann, wurde diese Frage von ihr beantwortet. Ich saß die ganze Zeit etwa 1,5 m entfernt auf einer Bank und habe mir das in aller Ruhe und auch mit stillem Glücksgefühl angesehen und angehört. Ich denke, es geht ihr gut. Und das macht mich froh. Und in der Summe hat sich der Abend in Zürich dann doch mehr als gelohnt. Wo uns die Reise noch hinführen wird, Amanda?
Bemerkungen: Das Album gibt es als freien Download (pay what you want) oder mit Bonus-Coverversionen für mindestens 1 USD (weil dann auch noch Tantiemen an die Bands zu zahlen sind, deren Lieder gecovert werden)
Weitere Bild- und Tondokumente zum Abend im Abart:
Fotos hier von Melanie Schmidt und hier von Moritz Bichler
Zwei Videos (ebenfalls von Melanie) zu Eisbär und Coin operated boy
und ein schönes Video vom Eingang mit Ukulele (zusammen mit dem Übergang zur Rockshow)
Und was habe ich in Paris bzw. Köln verpasst?
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(*) der alte Bericht zum nachlesen
(**) und ich hätte die Karte meiner besseren Hälfte, die dann doch gekniffen hat an Christoph weitergeben können...
(***) ich hatte vorher über Couchsurfing gesucht, aber dort findet man einfach keine gut sortierten Ergebnisse, die sichern, dass man im Stadtgebiet von Zürich ist und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ankommen kann und der allerallerbilligste Schlafplatz im Hostel im Schlafsaal ist auch etwa 40 CHF pro Person
1 Kommentare :
War ein super Konzert, daumen hoch, ich freue mich auf das nächste !
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