Konzert: Rachael Dadd & Ichi & Emma Gatrill
Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 40
Datum: 24.09.11
Zuschauer: sehr viele, Schätzungen reichen von 45-60 (!)
Konzertdauer: Emma Gatrill und Ichi jeweils 25 Minuten, Rachael Dadd 1 Stunde
Update vom 28.09.2011 (erweitert um den Bericht über Ichi)
Update vom 27.09.2011 (Text erweitert um Konzertbericht Emma Gatrill)
Als es am Sonntag gegen 16 Uhr 30 an der Tür klingelt, bin ich noch nicht einmal mit dem Staubsaugen fertig. Eine sehr schöne Stimme flötet durch das Haustelefon: "Hello, this is Rachael!" Meine Güte, sie ist tatsächlich schon da! Mein Stargast der heutigen Session, Rachael Dadd aus Bristol in England! Ich laufe hektisch die Treppenstufen herunter und treffe zunächst eine sehr nette junge Dame, die sich als Emma Gatrill herausstellen wird. Sie und ein herzensguter Kerl namens Chris werden Rachael später bei ihrem Konzert begleiten, Emma sogar einige Songs auf ihrer kleinen Harfe solo vortragen. Zudem ist der Japaner Ichi dabei, seines Zeichens Ehemann von Rachael und mir seit geraumer Zeit wohlbekannt. Die vier wahnsinnig höflichen und liebenswürdigen Menschen haben tonnweise Material dabei. Koffer, Taschen und Tüten, wo man nur hinschaut, angekarrt mit dem Auto aus Karlsruhe, wo sie am Vortag gespielt hatten (wir berichteten hier). Emma war die Fahrerin und macht sich nun Sorgen, wo sie die Kiste abstellen könnte, ohne abgeschleppt zu werden. Glücklicherweise finden wir einen Parkplatz in der Nähe für sie und tragen nun den ganzen Krempel nach oben. Zwei Nachbarsdamen sehen das Ganze und grinsen mir ein wenig schelmisch hinterher. Sie kennen mich inzwischen in diesem Hause ("dieser verrückte Deutsche"), wissen, daß wir gerne und laut feiern und ständig tolle Musiker in der Bude haben. Beschwert hat sich noch niemand, was beweist, daß unser als spießig geltendes Viertel wesentlich toleranter ist, als viele meinen.
In der Wohnung angekommen, bringe ich den durstigen Musikanten erst einmal ein Glas Saft. Bio natürlich. Folksänger sind schließlich alle ökologisch wertvoll drauf und das ist auch gut so. Später verlangen sie nach Espresso mit etwas Milch, um die Müdigkeit zu bekämpfen und auch diesen Wunsch erfülle ich ihnen sehr gerne. Dann ist auch schon Soundcheck angesagt und meine herrschsüchtige Frau befielt mir unbarmherzig, die Zeit zu nutzen, um den Teppich zu saugen und noch eine verbliebene Tüte Müll runterzutragen. Mit einer Französin verheiratet zu sein ist nicht immer ein Zuckerschlecken, das kann ich euch sagen!
Aber ich bin mit meinen Vorbereitungen noch lange nicht durch, muss noch frische Blumen kaufen, das ist mir wichtig. Und genügeng Kaka Cola light ist auch nicht im Haus. Also verabschiede ich mich kurzfristig Richtung Supermarkt und komme mit Rosen und Lilien zurück.
Rachael Dadd möchte jetzt kurz mal duschen, denn die Fahrt war heiß und anstrengend. Zu dumm nur, daß wir im Moment Probleme mit der Warmwasserversorgung haben (Frankreich, ich sag nur...) und ich befürchte, daß sie weitestgehend kalt duschen muss. Aber das soll ja gesund sein...
Gegen 19 Uhr scheint alles perfekt zu sein, der Teppich ist sauber, der Müll runtergebracht, die Blumen stehen in der Vase und der Soundcheck wurde zu Jedermanns/Jederfraus Zufriedenheit absolviert. Dann stelle ich jedoch fest, daß mir Batterien für mein Aufnahmegerät fehlen und Rachael klagt über Halzschmerzen und hätte gerne Lutschbonbons mit Honig, die wir ihr nicht anbieten können, so daß wir gezwungen sind, noch einmal rauszugehen und den Kram zu besorgen.
Die Laune ist bei allen blendend und ich schieße von den drei jungen Leuten (Ichi ist in der Wohnung geblieben, um unsere Katze zu streicheln) Fotos vor dem Hintergund des Eifelturms. Die Session wird gut werden, ich fühle es.
Meine Hauptsorge ist allerdings immer, ob genug Gäste kommen. Wie so oft ist diese aber völlig unbegründet, denn schon gegen 20 Uhr platzt die Bude fast aus allen Nähten. Ich habe so ziemlich jedes hübsche Mädchen dieser Stadt eingeladen und stelle zufrieden fest, daß Frauenüberschuss herrscht. Die Situation gnadenlos ausnutzend, schieße ich wie im Rasuch Porträtfotos von den ganzen Grazien. Als Gastgeber darf ich das...
Mit dem musikalischen Teil geht es schließlich um 20 Uhr 45 los. Ich hatte mich mit den Künstlern des heutigen Abends darauf verständigt, daß Emma Gatrill beginnen sollte. Sie war ein absoluter Überraschungsgast. Ich kannte die junge Frau aus Brighton vorher nicht, wußte lediglich aus einer E-mail von Rachael Dadd, daß sie als Klarinettistin mit dabei sein wird, war mir aber nicht darüber bewußt, daß Emma Gatrill Harfespielerin ist und auch eigene Songs zum Vortrage bringen würde.
Und schon nach wenigen Sekunden wird klar, daß hier ein genialer Joker ins Spiel gebracht worden war. Die lebensfrohe Emma singt so lieblich und betörend schön, daß sie damit Steine erweichen könnte. Ihr Harfespiel schafft eine ganz spezielle, fast mittelalterlich zu bezeichnende Atmosphäre, von der eine ungemeine Ruhe und ein starker Liebreiz ausgeht. "I am waiting for the answers, I am waiting for them to come" singt sie wehklagend im Refrain und zu meiner hellen Freude wird dieser im zweiten Durchlauf von Rachael Dadd mitgezwitschert, wodurch ganz wundervolle Harmoniegesänge entstehen.
Auch das zweite Lied ist ein Kleinod, es wird erneut auf der kleinen Harfe vorgetragen. Im Gegensatz zum ersten Stück ist aber dieses mal das Harfespiel temporeich und fließend, der Gesang weniger in die Länge gezogen. Zweites Lied, zweiter Stich ins offene Herz!
Nun wechselt Emma zur Gitarre, die sie im Schneidersitz zupft. Textlich dreht es sich erneut um sentimentale Gefühle ("Please know, I miss you") aber es ist auch von Monkeys die Rede. Alles sehr poetisch und fast auf literarischem Niveau, was die junge Brightonerin da abliefert, immer wiederkehrende Themen sind die Natur ("the ocean, the wind, the sand"), aber auch Liebe und Liebeskummer, ohne das zu viel Schmalz beigemischt wird. So heißt es dann auch im fünften und letzten Lied "I'm in love with a man that doesn't love me... waht a fool I've been" und man fragt sich, wer denn dieser Typ gewesen sein soll, der ein solch süßes Wesen wie Emma Gatrill abgewiesen hat, falls denn der Text überhaupt autobiografisch gemeint war.
Dann ist aber leider auch schon Schluß, vorerst Schluß muss man genauerweise sagen, denn später drehen wir mit Emma noch im Hausflur vor der Tür der Nachbarn, die ausgegangen waren. Eine abenteuerliches und prickelndes Unterfangen, denn draußen ist es dunkel und wir müssen leise sein, um nicht im gesamten Haus gehört zu werden. Etwas Licht wird von den Bewegungsmeldern gespendet (die immer wieder ausgehen), aber ansonsten ist alles sehr gedimmt, auch der Gesang von Emma ist leiser als in unserer guten Stube und den Applaus halten wir bewußt kurz und dezent. Und für diejenigen die nicht dabei waren, gibt es eine gute Nachricht: Renaud von Le Cargo.org hat gefilmt und wird die Videos bald auf Youtube einstellen. Yeah, baby!!
Setlist Emma Gatrill, Oliver Peel Session # 40, Paris:
01: Cast Out
02: Twisted Threads
03: Squiggles And Ballons
04: Starlings
05: The Birds
06: Where The Wind Blows (während Rachael Dadds Set)
Von Ichi, der als zweiter dran ist, wird es hoffentlich auch Videodokumente geben. Seine Show ist nämlich in jeglicher Hinsicht spektakulär. Schon sein Einmarsch lässt viele unserer Gäste verdutzt gucken. Er kommt auf Stelzen reingestakst, spielt dazu Mundharmonika und findet sich schließlich hinter seiner Fußtrommel ein, die er nun mit Tempo antreibt. Gleichzeitig bläst er einen roten Luftballon in Wärmflaschenform auf, erzeugt durch den Druck kuriose Geräusche und lässt am Ende die Luft aus dem Ding raus, was auch wieder sehr krass und piepsig klingt. Die Leute johlen.
Ichi stellt sich kurz vor und setzt sich nun auf dem Boden kauernd hinter eine Schreibmaschine. Er schreibt auf dem alten Ding ein paar Zeilen und es tackert laut und unüberhörbar. Kurze Zeit später singt er wie ein Eunuch (ist das japanisch?), wiederholt den Gesang aber noch einmal in deutlich tieferer Tonlage, was zum Schreien komisch ist.
Nun ist das japanische Alphabet dran. Hierzu spielt Ichi auf seiner sebstgebastelten Harfe, bevor er am Ende mit seiner Frau Rachael Dadd in kindlicher Manier Hände abklatscht. Die beiden haben sich wirklich ihr infantiles Gemüt beibehalten und auch wir im Publikum werden noch einmal zu Kindern, die mit glänzenden Augen im Zirkus sitzen und aus dem Staunen nicht mehr rauskommen.
Nach dem japischen Alphabet ändert der Japaner stimmlich die Tonlage und klingt nun wie ein Muezzin. "Heidahoooo, mamam, heidahohoooo mama" höre ich da raus und ein wenig wirkt Ichi auch wie ein Hirte, der durch seine Gesänge eine Schafsherde zusammenhalten will. Hinterher erfahre, daß dieses Lied auf vietnamesisch vorgetragen wurde.
Neues Stück, neue Gags. Jetzt geht es um einen Seemann und eine Ente, die er fabelhaft imitiert (köstlich sein Geschnatter!) und so ein Lied entstehen lässt, das fast nach japanischem Rap klingt. Und er kann sogar jodeln, das beweist er bei der letzten Nummer, bei der er Steel Pan und Tischtennis spielt, den Ping Pong Ball plötzlich ins Becken fallen lässt und ein Glas Wasser hinzuschüttet. Die Geräusche die dadurch enstehen, sind mystisch und fast hypnotisch, sie ziehen den Zuhörer in ihrer Bann. Zur Krönung des Ganzen spielt er schließlich noch eine jazzige Trompete, bevor er sich seine Stelzen schnappt und Mundharmonika spielend aus dem Zimmer stakst. Der Applaus ist unfassbar donnernd und langanhaltend, so etwas wie das eben haben die meisten Zuschauer noch nie erlebt.
Gute Nacht!
Und schon nach wenigen Sekunden wird klar, daß hier ein genialer Joker ins Spiel gebracht worden war. Die lebensfrohe Emma singt so lieblich und betörend schön, daß sie damit Steine erweichen könnte. Ihr Harfespiel schafft eine ganz spezielle, fast mittelalterlich zu bezeichnende Atmosphäre, von der eine ungemeine Ruhe und ein starker Liebreiz ausgeht. "I am waiting for the answers, I am waiting for them to come" singt sie wehklagend im Refrain und zu meiner hellen Freude wird dieser im zweiten Durchlauf von Rachael Dadd mitgezwitschert, wodurch ganz wundervolle Harmoniegesänge entstehen.
Auch das zweite Lied ist ein Kleinod, es wird erneut auf der kleinen Harfe vorgetragen. Im Gegensatz zum ersten Stück ist aber dieses mal das Harfespiel temporeich und fließend, der Gesang weniger in die Länge gezogen. Zweites Lied, zweiter Stich ins offene Herz!
Nun wechselt Emma zur Gitarre, die sie im Schneidersitz zupft. Textlich dreht es sich erneut um sentimentale Gefühle ("Please know, I miss you") aber es ist auch von Monkeys die Rede. Alles sehr poetisch und fast auf literarischem Niveau, was die junge Brightonerin da abliefert, immer wiederkehrende Themen sind die Natur ("the ocean, the wind, the sand"), aber auch Liebe und Liebeskummer, ohne das zu viel Schmalz beigemischt wird. So heißt es dann auch im fünften und letzten Lied "I'm in love with a man that doesn't love me... waht a fool I've been" und man fragt sich, wer denn dieser Typ gewesen sein soll, der ein solch süßes Wesen wie Emma Gatrill abgewiesen hat, falls denn der Text überhaupt autobiografisch gemeint war.
Dann ist aber leider auch schon Schluß, vorerst Schluß muss man genauerweise sagen, denn später drehen wir mit Emma noch im Hausflur vor der Tür der Nachbarn, die ausgegangen waren. Eine abenteuerliches und prickelndes Unterfangen, denn draußen ist es dunkel und wir müssen leise sein, um nicht im gesamten Haus gehört zu werden. Etwas Licht wird von den Bewegungsmeldern gespendet (die immer wieder ausgehen), aber ansonsten ist alles sehr gedimmt, auch der Gesang von Emma ist leiser als in unserer guten Stube und den Applaus halten wir bewußt kurz und dezent. Und für diejenigen die nicht dabei waren, gibt es eine gute Nachricht: Renaud von Le Cargo.org hat gefilmt und wird die Videos bald auf Youtube einstellen. Yeah, baby!!
Setlist Emma Gatrill, Oliver Peel Session # 40, Paris:
01: Cast Out
02: Twisted Threads
03: Squiggles And Ballons
04: Starlings
05: The Birds
06: Where The Wind Blows (während Rachael Dadds Set)
Von Ichi, der als zweiter dran ist, wird es hoffentlich auch Videodokumente geben. Seine Show ist nämlich in jeglicher Hinsicht spektakulär. Schon sein Einmarsch lässt viele unserer Gäste verdutzt gucken. Er kommt auf Stelzen reingestakst, spielt dazu Mundharmonika und findet sich schließlich hinter seiner Fußtrommel ein, die er nun mit Tempo antreibt. Gleichzeitig bläst er einen roten Luftballon in Wärmflaschenform auf, erzeugt durch den Druck kuriose Geräusche und lässt am Ende die Luft aus dem Ding raus, was auch wieder sehr krass und piepsig klingt. Die Leute johlen.
Ichi stellt sich kurz vor und setzt sich nun auf dem Boden kauernd hinter eine Schreibmaschine. Er schreibt auf dem alten Ding ein paar Zeilen und es tackert laut und unüberhörbar. Kurze Zeit später singt er wie ein Eunuch (ist das japanisch?), wiederholt den Gesang aber noch einmal in deutlich tieferer Tonlage, was zum Schreien komisch ist.
Nun ist das japanische Alphabet dran. Hierzu spielt Ichi auf seiner sebstgebastelten Harfe, bevor er am Ende mit seiner Frau Rachael Dadd in kindlicher Manier Hände abklatscht. Die beiden haben sich wirklich ihr infantiles Gemüt beibehalten und auch wir im Publikum werden noch einmal zu Kindern, die mit glänzenden Augen im Zirkus sitzen und aus dem Staunen nicht mehr rauskommen.
Nach dem japischen Alphabet ändert der Japaner stimmlich die Tonlage und klingt nun wie ein Muezzin. "Heidahoooo, mamam, heidahohoooo mama" höre ich da raus und ein wenig wirkt Ichi auch wie ein Hirte, der durch seine Gesänge eine Schafsherde zusammenhalten will. Hinterher erfahre, daß dieses Lied auf vietnamesisch vorgetragen wurde.
Neues Stück, neue Gags. Jetzt geht es um einen Seemann und eine Ente, die er fabelhaft imitiert (köstlich sein Geschnatter!) und so ein Lied entstehen lässt, das fast nach japanischem Rap klingt. Und er kann sogar jodeln, das beweist er bei der letzten Nummer, bei der er Steel Pan und Tischtennis spielt, den Ping Pong Ball plötzlich ins Becken fallen lässt und ein Glas Wasser hinzuschüttet. Die Geräusche die dadurch enstehen, sind mystisch und fast hypnotisch, sie ziehen den Zuhörer in ihrer Bann. Zur Krönung des Ganzen spielt er schließlich noch eine jazzige Trompete, bevor er sich seine Stelzen schnappt und Mundharmonika spielend aus dem Zimmer stakst. Der Applaus ist unfassbar donnernd und langanhaltend, so etwas wie das eben haben die meisten Zuschauer noch nie erlebt.
Gute Nacht!
Obige Fotos: Archiv: erstes Bild (von links nach rechts): Kate Stables aka This Is The Kit, Little Mo (Tochter von Kate), Rachael Dadd), zweites Bild: Ichi in Aktion.
- Video: Archiv, Oliver Peel Session # 20
- Rockerparis hat schon schöne Fotos von dieser Session und einen ausführlichen Bericht, klick!
Weiterführende Links:
Aus unserem Archiv:
Ichi, Paris, 24.05.10
Ichi, Paris, 09.06.09
Rachael Dadd, Paris, 27.03.10
Rachael Dadd, Paris, 11.03.09
Rachael Dadd, Paris, 06.03.09
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