Montag, 5. September 2011

Anna Calvi, Festival Rock en Seine bei Paris, 29.08.11


Konzert: Anna Calvi
Ort: Scène de la Cascade, Domaine National de Saint Cloud bei Paris

Datum: 29.08.2011

Zuschauer: viele


Festivals sind für Konzertblogger enorm fordernd. Man sieht etliche gute Konzerte, entdeckt zum Teil spannende neue Bands, schießt tausende Fotos und will das Erlebte so schnell wie möglich auf Papier bannen. Meistens kann man aber seine Pläne nicht umsetzen, weil alles zu umfangreich wird, man gar nicht weiß, wo man anfangen soll und nach einem Festival ohnehin platt wie 'ne Flunder ist. Vieles geht also unter, wird nie im Detail beschrieben. Schade!

Den sensationellen Auftritt von Anna Calvi will ich dennoch nicht unter den Tisch fallen lassen, das wäre einfach eine Sünde. Nie war nämlich die junge Engländerin besser als bei der diesjährigen Ausgabe von Rock en Seine! Zumindest ich habe sie nie so stark erlebt, obwohl sie schon beim Haldern Pop brillierte.

Vor den Toren von Paris legte die elegante Gitarristin noch einmal eine Schippe drauf. Mit schwarzer Lederjacke und feurerotem Hemd erschienen, begannen sie und ihre Band gleich ungemein feurig. Nach dem obligatorischen Gitarrenintro bei Rider To The Sea, ging es mit Suzanne and I voll zur Sache. Ein überaus wuchtiges und schweres Schlagzeug sorgte aus dem Hintergund für den richtigen Drive, um den dramatischen Song bestens zur Geltung zu bringen. Anna selbst sang von Beginn an sensationell und auch ihr Gitarrenspiel war tadellos. Immer noch mit Verband um das verletzte (Sehnenentzündung) Handgelenk agierend, schonte sie sich in keiner Phase und entlockte ihrer Elektrischen magische Klänge. Streng wie eine Domino blickend, riß sie immer mal wieder ihr Instrument in die Höhe und unterstrich so die schwül-sinnliche, gefahrverheißende Stimmung, die von ihren Songs ausging. Viel Pose, viel Inszenierung, keine Frage, aber so perfekt performt, daß einem schlichtweg der Atem stockte.

Anna legte so viel Inbrunst, Feuer, aber auch Zärtlichkeit und Erotik in ihre Lieder wie kein anderer Künstler bei Rock en Seine 2011. Das entging auch dem fachkundigen Publikum nicht, daß in seinen Beifallsbekundungen von Stück zu Stück frenetischer wurde. Calvi versuchte sich von soviel Sympathiebekundung nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, reagierte meistens nur mit einem kurzen "merci" oder "thank you" und besann sich auf den nächsten Song. Dennoch schien sie gerührt und musste teilweise auch immer mal wieder aus purer Freude über die ihr entgegengebrachte Euphorie kichern. Weil das aber nicht zu ihrer strengen Rolle passte, verkniff sie sich das Grinsen.

Das gut vierzigminütige Set glich bereits jetzt einem Best Of. Egal ob Blackout, The Devil oder Desire (wunderbar melancholisch das Harmonium bei diesem Stück), alles stach, berührte, wühlte auf.

Dennoch hatte sie ganz am Ende noch zwei Trümpfe in der Hand. Zum einen trieb sie bei Love Won't Be Leaving ihr Gitarrenspiel in schwindelerregende Höhen, zum anderen sang sie das Edith Piaf Cover Jezebel zum ersten Mal überhaupt komplett in französisch ( normalerweise tut sie das nur beim Refrain: "Jezebel c'était toi"). Eine kleine Sensation, vor allem, weil ihr Akzent dabei tadellos war und kaum einer merkte, wie viel Arbeit sie vorher investiert haben musste. Aber wer soviel Talent hat wie Anna Calvi, kann sich auch in kürzester Zeit in einer Fremdsprache ausdrücken.

Kurzum: ein Wahnsinnskonzert, das viele hinterher als schlichtweg magisch bezeichneten. Wer kann die Calvi auf dem Weg in den Pop-Olymp stoppen? Ich sehe nichts und niemanden...

Setlist Anna Calvi, Festival Rock en Seine 2011:

01: Rider To The Sea
02: Suzanne & I
03: Black Out
04: I'll Be Your Man
05: First We Kiss
06: Surrender (Elvis)
07: Moulinette
08: Desire
09: The Devil
10: Love Won't Be Leaving
11: Jezebel (E. Piaf, french version)






 

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