Dienstag, 25. Mai 2010

The Hand & Ichi & Andy Skellam, Paris, 24.05.2010


Konzert: The Hand & Ichi & Andy Skellam

Ort: Le 7 ième Ciel, eine Terrasse über den Dächern von Paris mit Blick auf Sacré Coeur
Datum: 24.05.2010
Zuschauer: etwa 25 (18 Frauen und 7 Männer oder so, was für eine Quote!)
Konzertdauer: Ingesamt über 2 Stunden


Was für ein herrlicher Frühsommerabend in Paris! Perfekt, wenn man ihn wie ich und ein paar andere Glückliche auf einer spektakulären Dachterrasse verbringen kann und frei Sicht auf Sacré Coeur hat. Aber nicht nur die Aussicht war atemberaubend, sondern auch das musikalische Programm! Le 7ième Ciel, eine private Veranstaltung, die ähnlich wie die Oliver Peel Sessions funktioniert, hatte Musiker aus dem englischen Bristol und den Japaner Ichi zu Gast. Bei sensationell gutem Wetter und einer leichten Brise, die für angenehme Abkühlung sorgte, saß man bei Laternenlicht draußen und lauschte feierlich den sanften Klängen der erlesenen Musiker. Eine unglaublich heimelige Atmosphäre machte sich breit und man war in der Tat dem siebten Himmel (7ième Ciel) sehr nahe. Die Gastgeber, ein sehr nettes Pariser Pärchen mit einer riesigen und bestens bestückten CD- und Plattensammlung (besonders toll fand ich die alten Singles von Barbara und Jaques Brel), hatten sich große Mühe gegeben und Salate, Quiches und Kuchen vorbereitet.

Andy Skellam, den jeder einzelne unserer Leser schon von einer Oliver Peel Session her kennt (wie, nein??), machte den Anfang und bestach erneut durch sein feines Fingerpicking und seine sanfte Stimme, die wohlig an Nick Drake erinnerte. Gecovert hat er den früh verstorbenen Engländer allerdings nicht, sondern auf Wunsch von Kate "This Is The Kit" Stables, Bob Dylan, der heute Geburtstag hatte. Lag ihm aber nicht so ganz, er brach den Song vorzeitig ab, weil er meinte, daß die Lieder von Dylan alle zu viel Text hätten. Ansonsten performte er eigenes Material mit dem Highlight Chase Your Tales, ein Duo mit der famosen Rachael Dadd. Ich kann die Musik von Andy Skellam wirklich jedem nur empfehlen, der Kerl hat was!

Das Gleiche kann man natürlich auch von dem Japaner Ichi behaupten. Wobei es bei ihm deutlich weniger klassisch zugeht als bei Skellam. Ach ich untertreibe: Ichi ist der verbüffendste Künstler, den ich je gesehen habe! Er spielt (oft gleichzeitig) Steel Drum, Mundharmonika, Xylophon, Tischtennis (kein Scheiß!), Trompete (und dann singt er wie Satchmo), bläst Luftballons auf, blöckt wie eine Ziege zu seiner Kuhglocke, benutzt einen alten Taperecorder, eine selbstgebastelte Harfe und ein ungewöhnliches Akkordeon. Und er singt auch. Auf japanisch, mit einer krassen Stimme. Sein Schnäuzer ist nur angeklebt, zum Glück. Ansonsten ist bei ihm alles echt, oft improvisiert und so eigenständig wie bei keinem zweiten Musiker. Gab es so etwas vorher schon einmal? Hmm? Was überhaupt? Wie könnte man den Stil beschreiben? Free Jazz? Freak Folk auf japanisch? Ambientmusik? Hier passt keine vorgefertigte Schublade, also ist es besser, wenn sich jeder einmal seine Stücke bei MySpace in Ruhe anhört oder, noch besser, die Livevideos guckt. Die Zuschauer hatten jedenfalls einen Heidenspaß im 7 ième Ciel!

Dann kamen The Hand, bestehend aus der Folksängerin Rachael Dadd und dem Barden Wig Smith (eigentlich heißt er Will Smith, ohne Witz, aber mit dem will er nicht verwechselt werden, obwohl Leute spaßeshalber um ein Cover von Men In Black baten), der genau wie Toumani Diabaté auf einer afrikanischen Kora rumzupft. Die Stimmen von Rachel und Wig passen perfekt zueinander und auch ihr Banjospiel und seine Performance auf der Kora gehen eine wunderbare Symbiose ein. Ich mag die beiden unglaublich gerne, sowohl musikalisch, als auch menschlich. Selten so nette, aufgeschlossene und natürliche Menschen getroffen. Anspieltipps, die auch heute dargeboten wurden: Maroosia und On We Skip.

The Hand sind zusammen mit Ichi auf ausgedehnter Tour durch Europa* und kamen heute aus der Schweiz. Entsprechend müde waren sie (und erwähnten ganz neidisch, daß Ichi wie eine Katze sei und als Einziger überall pennen könne) und gaben trotzdem ihr Bestes.

Insgesamt eine super Veranstaltung und so Gott will bin ich schon am Freitag wieder auf der schönen Dachterrasse zu Gast.

*Ihr Weg wird sie sogar bis zum Glastonbury Festival führen!

Link:

- Oliver Peel Session mit Rachael Dadd, This Is The Kit, Andy Skellam und Whalebone Polly, klick!

Aus unserem Archiv:

The Hand, Paris, 09.06.09
The Hand, Paris, 11.03.09
Rachael Dadd, Paris, 11.03.09
Rachael Dadd, Paris, 06.03.09
Ichi, Paris, 09.06.09



 

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