Donnerstag, 25. März 2010

Rockettothesky, Paris, 24.03.10


Konzert: Rockettothesky

Ort: La Société des Curiosités, Paris
Datum: 24.03.2010 Zuschauer: etwa 30
Konzertdauer: ungefähr 1 Stunde



Der Abend des 24. März 2010 oder die Geschichte eines planlos durch die Stadt irrenden Konzertbloggers.


Weil ich mal wieder spät dran war und noch schnell unter die Dusche gehüpft bin, bat ich meine französische Frau, mir den Weg zur Société des Curiosités über das Internet herauszufinden. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, überreichte sie mir einen kleinen Zettel, auf den sie den Plan zu der mir bis dato unbekannten Location aufgemalt hatte. Normalerweise ist sie in diesen Dingen absolut zuverlässig, aber nachdem ich aus der mir von ihr indizierten Metrostation Voltaire ausgestiegen und eine Viertelstunde lang rumgeirrt war, merkte ich, daß der Plan nicht stimmen konnte.* Ich fragte etliche Passanten nach Rat, aber die allermeisten kennen sich in ihrer Stadt, auch in ihrer Nachbarschaft, überhaupt nicht aus. Vor allem die Araber in den Dönerbuden, die ich befragt hatte, zuckten in den meisten Fällen nur mit den Schultern, obwohl mein Ziel eigentlich gar nicht so unendlich weit entfernt war. Wahrscheinlich fangen sie morgens an, das fettige Fleisch runterzusäbeln und sind dann abends so platt, daß sie nie dazu kommen, sich in ihrer Umgebung umzusehen. Sie konnten mir alle nicht weiterhelfen. Nach einer langen Odysee, deren Details ich hier aus Zeitgrunden unterschlage, kam ich irgendwann zur Alimentation Génerale im Oberkampfviertel und fragte ein jungen Herrn am Empfang, ob er denn die Cité Industrielle und speziell la Société des Curiosités kennen würde. Er verneinte, suchte aber mittels einer Applikation auf seinem Iphone den Weg heraus und konnte mir die glückliche Botschaft überbringen, daß mein Zielort gar nicht mehr weit entfernt sei. Er kannte den Laden auch nicht, vermochte mir aber zumindest sagen, wie ich dahin komme. Uff! Mit fast 50 (!) Minuten Verspätung erreichte ich die mir angegebene Straße. Es war eine kleine dunkle Gasse ohne Publikumsverkehr. Eine reine Wohnstraße, keine Bars oder dergleichen, was für Oberkampf sehr ungewöhnlich ist. Als ich schließlich vor der gesuchten Nummer 9 stand, sah ich aber nur ein Privatgebäude. Ich trat ein und befand mich auf einem Privatinnenhof. Nein, hier konnte das wirkich nicht sein! Abmarsch und wieder zurück zum Anfang! Eine offensichtlich betrunkene Frau schnorrte mich um Zigaretten an, da ich aber seit Jahren nicht mehr rauche, wies ich sie ab. Die Gute konnte ich wahrlich nicht fragen, wo denn nun diese verfluchte Société des Curiosité war. Dann sah ich plötzlich ein trendiges Indiegirl vor einer einen Spalt weit geöffneten Stahltür ohne Schild stehen. Ich sprach sie an und sie erklärte mir, daß dies der Eingang zum Konzertraum sei. Das Problem war bloß, daß drinnen schon gespielt wurde und der Eingang direkt neben der improvisierten Bühne vorbeiführte. Ganz leise und mit Samtpfötchen stießen wir die Tür auf und setzen uns sofort auf einen der Stühle. Wie ich hinterher erfuhr, hatte ich nur zwei Lieder verpasst. Der Laden war fast komplett agedunkelt und die Gäste nur schemenhaft zu erkennen. Saucool, dieses Ambiente! Fast wie in einem besetzten Künstlerschuppen. An den Seiten standen überall riesige Regale und es gab auch lederne Clubsessel und moderne Designerstühle. Die Bühne war ebenfalls nur spärlich beleuchtet. Jenny Haval aka Rockettothesky spielte mit zwei Begleitmusikern. Die blonde Norwegerin hatte einen schicken Kurzharrschnitt à la Sean Seberg und sang atemberaubend schön. Ihre Stimme schien zu schweben, sie erfüllte wie auf Flügeln getragen den mucksmäuschen stillen Raum. Gesanglich gab es gewisse Parallelen zu Mariee Sioux oder Marissa Nadler, aber das Kehlchen von Jenny war noch lieblicher, noch luftiger, ja noch schöner! Das Paradies auf Erden schien so nahe. Die zwei männlichen Musiker spielten Akustikgitarre (oft mit Geigenbogen) und so abenteuerliche "Instrumente" wie eine Zange, oder (schon deutlich normaler) Glöckchen und diverse Percussions.

Der Vortrag war so unbeschreiblich schön, daß ich dahinschmolz. Mit Grizzly Man bescherte mir Rockettothesky einen der wundervollsten Songs, den ich je in meinem Leben gehört hatte! Ich glaube er nimmt Bezug auf einen Film (den ich allerdings nicht gesehen habe). Er stammte genau wie Oh, Anna und Mothering Silence von ihrem Alum Medea (2008). Von ihrem 2006 er Werk To Sing You Apple Trees spielte sie hingegen gar nichts. Stattdessen gab es zahlreiche Neuheiten, die auf einem neuen, noch nicht veröffentlichen dritten Album enthalten sein werden. Nach den heutigen Kostproben ist davon auszugehen, daß auch dieses Opus famos werden wird!

Der Stil von Rockettothesky ist nicht so leicht zu kategorisieren, sie selbst spricht von A'Capella/Trance/Shoegaze, aber es gab auch wavige und folkige Elemente.

Ich war jedenfalls restlos begeistert und will die hochtalentierte Fru unbedingt für eine Oliver Peel Session gewinnen. Drückt mir die Daumen, daß daraus etwas wird, der erste Kontakt ist schon hergestellt!

Setlist Rockettothesky, Société des Curiosités, Paris:
01: Engines In The Sky
02: Golden Locks
03: Milk Of Marrow
04: Mothering Silence
05: Grizzly Man
06: Oh, Anna
07: How Gentle To Go Swimming
08: To Camelot
09: Blood Flight


* dies war aber nicht ihre Schuld, sondern des Internetseitenbetreibers, der einen völlig falschen Plan indiziert hatte.



1 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Oh Anna ist mein neues Lieblingslied!

 

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