Donnerstag, 30. Dezember 2010

My year in lists: Konzerte des Jahres (Christina)

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“Christoph, ich habe 5 Din A4 Seiten über meine Konzerte des Jahres geschrieben, aber es geht hauptsächlich um Babysitter-Probleme und anderen Babyquatsch. Ich weiß nicht, ob ihr das veröffentlichen wollt....”


Da mir versichert wurde, dass es trotzdem so was von veröffentlicht wird, hier also meine 10 Konzerte des Jahres 2010.

So sieht es aus: Ich habe dieses Jahr drei Monate damit verbracht, hochschwanger zu sein, und 9 Monate damit, mich um einen kleinen, zum Glück mehr lachenden als schreienden Jungen zu kümmern. Der durchschnittliche, hippe Konzerttagebuchleser (Christoph? Oliver? Ist euer Durchschnittspublikum jung und hip?) wird jetzt vermutlich gleich aufhören, weiterzulesen (Kinder? Wie kann man bloß? Ich geh lieber weiter feiern und Drogen nehmen, oder sowas in der Art).

Auch wenn mir der Verzicht auf Konzerte leichter gefallen ist als zunächst befürchtet, war ich doch etwas schockiert festzustellen, dass ich statt der üblichen 40-60 Konzerte dieses Mal nur 16 Abende zur Auswahl hatte, um eine Top 10 zu bilden.

10. Entweder Wild Nothing (07.08.2010) oder Beach Fossils (08.11.2010), beide im King Georg in Köln

Das Gute am King Georg ist, dass es gleich bei mir um die Ecke ist. Sollte sich also besagter kleiner Junge dazu entschließen, in meiner Abwesenheit wach zu werden und ohne mein Beisein nicht mehr einschlafen zu wollen, wäre ich innerhalb von Minuten daheim. Sowas beruhigt das Müttergewissen, und daher sind die Voraussetzungen gut, hier mal einen Abend ohne Familie zu verbringen. Außerdem gut ist, dass hier wirklich häufig Bands spielen, die mich interessieren. Die Nachteile überwiegen aber leider: wenn man nicht pünktlich zu Einlass da ist, sieht man auf Grund der Räumlichkeiten nichts (aber auch wirklich gar nichts) von der Band. Das Kind muss also pünktlich schlafen, sonst kann man auch gleich zu Hause bleiben. Das Publikum ist so dermaßen hip, dass ich mir neuerdings einbilde, sie sehen mir mein Hausfrau und Mutter sein an und tuscheln hinter meinem Rücken (solche Komplexe habe ich im Gebäude 9 nie). Ach ja: es darf geraucht werden. Hätte ich früher höchstens nervig gefunden, neuerdings mache ich mir aber Gedanken darüber, ob ich mir vor dem Schlafen gehen nochmal die Haare waschen soll, bevor ich mich neben den Kleinen lege, da Zigarettenqualm für schlafende Babies ja nun mal lebensgefährlich ist. Was hat das alles jetzt mit meinen Jahrescharts zu tun? Ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich mangels Alternativen jetzt Wild Nothing (bessere Musik, einer der Lieblingsplatten dieses Jahr, aber ich habe nichts von ihnen gesehen) oder Beach Fossils (etwas schwächer, aber perfekte Sicht) auf Platz 10 setzen soll. Egal. Wenn man nicht genau hinsieht/hört, könnte man die Bands ja eh für die gleiche halten.

9. Menomena im Gebäude 9 (25.11.2010)

Ich glaube, wenn man eine Band einmal im Brüsseler Botanique, genauer gesagt im Rotonde, gesehen hat, ist man wirklich verwöhnt. Mein erstes Menomena-Konzert[1] fand genau dort statt, und natürlich kann da nichts mehr rankommen. Wahrscheinlich bin ich überkritisch, aber an diesem Abend in Gebäude 9 ist der Sound irgendwie wummrig, die Band irgendwie schlechter drauf, und auf der Setlist stehen viel zu viele Stücke vom neuen Album, das ich zwar oft genug gehört habe, um alle Lieder gut zu kennen, aber zu selten, um sie zu lieben[2]. Ist halt nicht so die Musik, die man zu Hause mit einem Neugeborenen hört. Vom Publikum bin ich überrascht, für mich haben Menomena irgendwie Boyband-Status, aber um mich herum stehen eher ältere Herren statt kreischender Mädchen. Na gut, dann bin ich das wohl nur. Schlecht ist das Konzert aber trotzdem nicht, und Menomena immer noch eine meiner liebsten Bands, deswegen Platz 9[3].

8. The Smittens / Allo‘ Darling, Asta-Café, Uni, Köln (28.07.2010)

Als ich gelesen habe, dass die Smittens UND Allo‘ Darling zusammen auf Tour kommen und auch noch in Köln, das nicht gerade als Indiepophauptstadt bekannt ist, spielen, konnte ich mein Glück kaum fassen. Leider entpuppt sich das Asta-Café als der hässlichste und ungemütlichste Ort, an dem ich jemals eine Band gesehen habe (und ich kenne jede Menge Jugendzentren in der Provinz aus der Zeit, als ich einer gewissen Deutschpopband, die sich dieses Jahr aufgelöst hat, ähem, hinterher gereist bin). Außerdem wird der Kleine diesen Abend zum ersten Mal nicht von seinem Vater gebabysittet (weil wir uns mal wieder gemeinsam ein Konzert angucken wollen). Das geht gründlich schief, ich verpasse die Smittens und habe den Rest des Abends schlechte Laune. Allo Darlin‘ sind trotzdem bezaubernd.

7. Warpaint / Surfer Blood / Wolf Parade, Botanique in Brüssel (16.05.2010)

Diese ganzen doofen Mütterratgeber kann man eh in die Tonne kloppen. Jaaahaaa, ich habe sie alle gewälzt, und kein einziger konnte mir eine Antwort auf die einzige Frage geben, die mich während der Schwangerschaft interessierte: darf man sein Neugeborenes kurz nach der Geburt alleine lassen um sich in zwei Stunden entfernten Städten seine Lieblingsband anzuschauen, die mal wieder nicht in der Nähe spielt? Von vereinzelten Kinobesuchen nach einigen Monaten ist da die Rede, und die Wochen nach der Geburt hat man gefälligst Flitterwochen (urgh, alleine der Begriff) mit seinem Baby zu machen. Verdammt, wenn Wolf Parade auf Tour sind habe ich wirklich besseres zu tun! Aber der Fall ist in Mütterratgebern nun mal nicht vorgesehen. Egal. Sieben Wochen nach der Entbindung (offiziell liege ich noch im Wochenbett) sitze ich jedenfalls in Christophs Auto und wir fahren Richtung Brüssel.

Dass wir Warpaint, die ich unbedingt sehen wollte, bis auf zweieinhalb Lieder[4] verpassen, hat ausnahmsweise mal nichts mit Babysitting-Problemen zu tun, sondern mit einem Stau auf der A3. Großer Mist. Wären wir früher dagewesen, wäre dieser Auftritt alleine sicherlich unter meinen Top 3 gelandet.

Das Surfer Blood Album hatte ich im Vorfeld wirklich oft gehört und es gefällt mir auch immer noch sehr gut. Aber live…ich weiß nicht. Irgendwie enttäuschend. An die Details erinnere ich mich nicht mehr.

Wahrscheinlich ist zweimonatige Konzertabstinenz, zwischendurch ein Kind bekommen zu haben, und nun gleich am ersten Ausgehabend die Lieblingslieblingslieblingsband zu sehen, doch etwas viel. Auf jeden Fall brauche ich 5 Lieder oder so, um mich wieder an Wolf Parade zu gewöhnen (oder an die Frisuren?). Danach wird es aber gut. Sehr sehr gut. Ich bin nur etwas irritiert, dass sie mehrfach betonen, dass dieses Konzert so viel besser sei als ihr letztes in Brüssel, was ich so ziemlich als das Überkonzert meines Lebens in Erinnerung habe. Mmmh. Man muss ja nicht immer einer Meinung sein….

6. Pavement, Doornroosje in Nijmegen (06.07.2010)

Eigentlich hatten wir ja Karten für das Pavement Konzert im AB in Brüssel (2000 Leute), aber das wäre 2 Tage nach Platz 7 dieser Liste gewesen und doch etwas zuviel der Nachbrüsselfahrerei. Pavement im Doornroosje ist aber sicherlich die bessere Wahl gewesen, hier passen nämlich nur wenige 100 Leute rein. Eigentlich sind Konzerte aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht so wichtig, es ist nämlich Fussball-WM und ausgerechnet an diesem Abend bestreiten die Niederlande ihr Halbfinalspiel. Wir fragen uns, ob wir (und eventuell andere zugereiste Deutsche) an diesem Abend die einzigen im Club sein werden, dann erfahren wir, dass Pavement erst nach Abpfiff des Spiels anfangen sollen. Die erste Halbzeit gucken wir noch in einer nahegelegenen Kneipe, die zweite sehen wir uns im Doornroosje an, wo ebenfalls auf einer Leinwand übertragen wird, und es kommt zum zweitlustigsten Public Viewing Erlebnis meines Lebens.[5] Diverse Pavementmitglieder gucken zeitweise von der Bühne aus mit, dann ist das Spiel vorbei, Bier wird auf der Bühne verteilt, die Niederlande sind im Endspiel, oh, doch nicht aus, das Bier wird wieder eingesammelt, nach einigen Zitterminuten der Abpfiff, kurzer Jubel und Pavement beginnen zu spielen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, das für die meisten der Anwesenden der Höhepunkt des Abends bereits gelaufen ist. Für mich ist es aber toll, meine Jugendhelden endlich einmal live zu sehen, und dann noch in der fast ersten Reihe in einem vergleichsweise winzigen Club.

5. Cloud Nothings+Sky Larkin+Les Savy Fav, Gebäude 9 in Köln (17.11.2010)

Cloud Nothings sind ja überhaupt die einzige von den ganzen neuen Bands, die mich dieses Jahr umgehauen haben. Cloud Nothings Cloud Nothings Cloud Nothings. Leute, hört diese Band! Lasst euch nicht von der doofen Visions-Kritik abschrecken, die haben eh keine Ahnung. Hört auch die Singles. Die Kassetten! Ladet jedes Lied das ihr finden könnt im Internet runter![6] Cloud Nothings! Mannnnnn.

Tatsächlich spielen sie dann auch noch in Köln, und da das Konzert nicht angesagt wurde (wie 83% aller anderen Konzerte in Köln, die mich interessiert hätten), habe ich an dem Tag irgendwie Angst, dass es aus irgendeinem anderen Grund scheiße werden könnte. Wird es aber nicht. Wow. Ich meine, es ist jetzt nicht das Überkonzert meines Lebens, aber zumindest mag ich die Band auch live. Das sind gute Nachrichten.

Danach spielen noch Sky Larkin, die sowieso zu meinen liebsten Livebands gehören, und Les Savy Fav, mit denen ich mich vorher nie beschäftigt hatte, die aber auf ganz andere Weise beeindruckend sind. Ich bleibe zwar nicht bis zum Ende (was andere Gründe hat), aber ich bin mir sicher, dass ich noch Jahre später darüber reden werde.

4. Los Campesinos!, Gebäude 9 in Köln (13.03.2010)

Als ich lese, dass Los Campesinos! genau zwei Wochen vor meinem ET (für Nicht-Mütter und Nicht-Gynäkologen: das ist der Termin, an dem der kleine Schreihals mit großer Wahrscheinlichkeit genau nicht auf die Welt kommt) vorhaben, in Köln zu
spielen, schminke ich mir es gleich ab, zu diesem Konzert gehen zu können. Irgendwie habe ich nach vier Wochen Mutterschutz aber gehörig die Nase voll davon, nur zu Hause rumzusitzen, und deswegen gehe ich dann noch ins Gebäude 9. Es ist mein viertes Konzert in diesem Jahr, und bis jetzt hat keines so richtig Spaß gemacht. Bei Olli Schulz, Fanfarlo und den Japandroids habe ich noch ein schlechtes Gewissen, dass ich mich überhaupt so hochschwanger in Clubs rumtreibe, bin vernünftig und bleibe gaaaanz hinten stehen. Wie langweilig. Irgendwo da vorne spielt zwar eine Band, aber ein richtiges Konzerterlebnis bleibt aus. Los Campesinos! sind mir aber zu wichtig, und ich beschließe, dass mit dem Kind jetzt eh nichts mehr schief gehen kann, und ich deswegen unvernünftigerweise auf meinem Stammplatz (vorne links gleich vor der Box) stehen kann. Und siehe da: plötzlich machen Konzerte wieder Spaß! Das denkt sich wohl auch der Kleine in meinem Bauch, zumindest werde ich trotz Lärm kein einziges Mal getreten. Langfristig war es scheinbar ein sehr prägender Abend für ihn, bis heute lehnt er zwar den Schnuller ab, nuckelt aber mit großem Enthusiasmus an Glockenspielschläger herum.

3. Beach House, Gebäude 9 in Köln (14.11.2010)

Scheinbar sind Beach-Bands gerade hip, und wie ein paar Tage zuvor bei Beach Fossils nerven mich auch heute Abend die ganzen Hipster-Menschen...alleine wie die jungen Dinger an ihren Zigaretten saugen und so aussehen, als wären sie weniger wegen der Musik da, und mehr um gesehen zu werden. Schlimm. Da bleibt nur eines: ab in die erste Reihe und sich auf die Band konzentrieren. Das ist eine gute Entscheidung, denn dort gibt es eine Menge Kleinigkeiten zu beobachten, die von weiter hinten wahrscheinlich unentdeckt geblieben wären. Ich stelle fest, dass ich Fußorgel-Bässe ziemlich sexy finde. Ansonsten macht die Band ungefähr den Eindruck, den Grizzly Bear im Jahr zuvor auf mich gemacht haben, vielleicht liegt es an der beeindruckenden Licht-Show und der Vor-Vorweihnachtsstimmung, aber ich bin ganz schwelgerisch, als ich den Saal wieder verlasse.

2. The Album Leaf, Gebäude 9 (11.03.2010)

Weil das hochschwanger in Clubs abhängen so gut geklappt hat am Abend zuvor (vergleiche Platz 4) beschließe ich sehr spontan, dass das Los Campesinos! doch nicht die letzte Band sein sollen, die ich ohne Babysitterprobleme sehen kann. Mit The Album Leaf habe ich mich erst am Vorabend des Konzerts genauer beschäftigt, aber als ich die neue Platte diesem Morgen noch mal höre und tatsächlich Lieder wieder erkenne (dabei ist das ja jetzt nicht gerade hit-orientierte Musik), habe ich doch auf einmal Lust, mir The Album Leaf auch live anzugucken. Musikalisch gesehen eine der besten Entscheidungen dieses Jahr. Ich bin auf ziemlich viele Art und Weisen beeindruckt vom Auftritt der Band, die Musiker, die Instrumente, das Zusammenspiel mit den Filmen, die im Hintergrund laufen. Perfekt!

1. Wolf Parade, Point Ephémère, Paris (18.09.2010)

Es hätte alles so einfach sein können. Als die Tourdaten für die Herbst-Europatour von Wolf Parade bekannt gegeben werden, befindet sich darunter auch ein Konzert in meiner Heimatstadt Köln. Na endlich! Meine Mutter wohnt gleich um die Ecke vom Club und könnte babysitten, wir kaufen uns gleich Karten und freuen uns auf einen gemeinsamen Abend ohne Kind. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass das eigentlich ganz schön langweilig ist. Ich meine...wo bleibt der Spaß, wenn man keine Reisen durch Europa planen kann?[7]

Immer nach dem Motto „Be careful what you wish for because it might come true“ wird das Köln-Konzert einige Tage später grundlos[8] wieder abgesagt. Was in diesem Fall besonders tragisch ist, da es kein Brüssel- oder grenznahes Niederlande-Konzert als Backup-Plan gibt. Die Konzerte in Hamburg und Berlin sind zwar an einem Wochenende, aber jeweils im Rahmen von komischen Festivals, die ich eigentlich nicht besuchen will/kann. Die Lage scheint ziemlich hoffnungslos zu sein. Ich bin von der Absage so dermaßen enttäuscht, dass ich beschließe, mich nicht mehr für Musik zu interessieren und meine überschüssige Energie in irgendwas Sinnvolles zu investieren. Ehrenamtliche Arbeit vielleicht, oder das Bestreben eine gute Hausfrau zu werden. Haha! Das ist gerade eh ein guter Zeitpunkt endlich erwachsen zu werden und damit aufzuhören, irgendwelchen Bandmenschen quer durch Europa hinterherzurennen.

Zum Glück kommt es nicht dazu.

In meiner verzweifelten Lage erkundige ich mich dann doch mal bei Oliver, ob sich ein Besuch im Point Ephémère, wo Wolf Parade an einem Samstagabend spielen sollen, lohnt, und ob er nicht zufällig jemanden kennt, der bereit wäre, sich für ein paar Stunden um ein sechs Monate altes Baby zu kümmern. Als er zurückschreibt, dass das Point Ephémère zu seinen Lieblingsclubs zählt, seine Frau babysitten
könnte (vielen, vielen Dank dafür an dieser Stelle noch einmal!) und ich dann auch noch feststelle, dass Thalys-Tickets nur die Hälfte kosten, wenn man mit Kind reist, steht der Plan: die ganze Familie fährt nach Paris.

In den nächsten Wochen ist viel zu tun: die Einschlafzeit vom Kleinen muss sukzessiv von neun Uhr auf halb acht vorverlegt werden (oh, warum muss es in Pariser Clubs immer so früh losgehen?), außerdem braucht er einen Kinderreisepass mit möglichst biometrischem Passfoto (auch eine Herausforderung) und ich muss mein schlechtes Gewissen bekämpfen, dass ich mein Kind
irgendwelchen Strapazen aussetze, nur weil ich egoistischerweise meine Lieblingsband sehen will.

Natürlich ist dann alles viel unkomplizierter als ich mir das vorher ausgemalt habe: der Kleine hat viel Spaß im Thalys und seine ersten Zähne werden auf vier verschiedenen Sprachen bewundert. Er lernt die aus diesem Blog berühmte Katze kennen und lieben, nuckelt an seinem ersten Baguette, bekommt französische Barbapapa-Gutenachtgeschichten vorgelesen, und als wir vom Konzert zurückkommen machen weder Kind noch Babysitterin einen traumatisierten Eindruck (das geht auch anders, vgl. Platz 8 dieser Liste).

Zum Konzert: Da in französischen Clubs offensichtlich kein Wasser verkauft wird, muss ich auf Bier ausweichen, welches ich schon sehr lange nicht mehr getrunken habe. Ich bin also ziemlich schnell betrunken, was beste Grundvoraussetzungen sind. Nach einer ewig langen, aber qualitativ sehr hochwertigen Umbaupause (nur dass dabei noch Musik vom Band läuft nervt...) beginnt das überragende (naja, eigentlich bin ich von dieser Band auch nichts anderes gewohnt) Konzert, während dem ich eigentlich pausenlos fassungslos bin, wie gute eine Band eigentlich sein kann. Als sie bei den Zugaben ankündigen, dass sie noch je ein Lied von jedem Album spielen werden, und es genau die drei Lieder sind, auf die ich gehofft habe (Modern World, Kissing The Beehive, Cloud Shadow On The Mountain) ist es endgültig um mich geschehen...


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[1] Genau genommen mein zweites, aber beim ersten war ich nur physisch anwesend
[2] Beim Vorgängeralbum hat das auch ewig gedauert.
[3] Mir ist so Ohren gekommen, dass es doch mein Konzert des Jahres hätte sein können, wenn ich noch etwas länger geblieben wäre, weil die Band später noch ewig im Vorraum vom G9 rumjammte und dabei sehr nett und liebenswürdig war...schade.
[4] Zum Glück sind die zwei Lieder die beiden, die ich unbedingt hören wollte, Billie Holiday und Elephants
[5] Unerreicht immer noch das Spiel England – Schweden vier Jahre zuvor mit mehreren Zehntausend Engländern und wenigen Schweden auf einer Kölner Wiese.
[6] Legal natürlich, wenn es geht.
[7] wie ich es sonst von anderen Wolf Parade und Sunset Rubdown-Touren gewohnt bin
[8] "scheduling problems" sind keine zufrieden stellende Begründung!!!


The Vaselines, Bowlie 2, 12.12.10

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Konzert: The Vaselines
Ort: Butlins Minehead, Bowlie 2
Datum: 12.12.2010
Dauer: 75 min


"Die Vaselines sind live unglaublich langweilig", war die immer gleiche Antwort, die ich bisher vernommen habe, wenn jemand von meinen Lieblingen aus Glasgow sprach. Langweilig? Nicht die Spur!

Die spektakuläre Geschichte der von Fran McKee und Eugene Kelly gegründen Band ist bekannt; die schnelle Auflösung, die Beziehung zu Nirvana. Daß das zweite Studioalbum (Sex with an x) gut zwanzig Jahre nach dem ersten erschien, passt sehr schön dazu.

Nachdem Sängerin Frances morgens im Rahmenprogramm bereits eine Yogastunde gegeben hatte (zum phänomenal tollen Programm neben den Konzerten später noch mehr), spielten die Vaselines abends auf der Hauptbühne.

Ihr Auftritt war musikalisch toll, das ist aber nur die halbe Geschichte. Der Brüller waren nämlich die weit unter der Gürtellinie angesiedelten Sprüche von Fran zwischen den Liedern. Sie jagte einen Schenkelklopfer (ob das jetzt das richtige Bild ist...) nach dem anderen raus und übertrumpfte sich immer noch. Die Zuschauer lachten sich erst schlapp, um dann beim derben Nachschlag von Fran verschüchtert zu kichern. "Das hat sie jetzt nicht gesagt, oder?" Wahrscheinlich waren die Vaselines nicht nur wegen ihres Status' so spät angesetzt.

Im September 2010 erschien mit Sex with an x also das zweite Album der Vaselines als Nachfolger von Dum dum, das 1989 veröffentlicht wurde. In meinen Ohren hört man die zwei Jahrzehnte zwischen den Alben nicht, das schottische Duo klingt wie früher - einfache Rhythmen, schleifende Gitarren und der Gesang von Fran und Eugene, der so herrlich gut zueinander passt (und immer an der Grenze dazu ist, schief zu klingen).

Auffällig neben Frans Matrosensprache waren die Outfits der beiden. Eugene trug einen dreiteiligen Anzug ohne Jacke und dazu kapitale Reitstiefel über der Hose. Fran dagegen hatte ein Kleidchen ausgesucht und anfangs noch eine Pelzjacke getragen. Die flog aber irgendwann weg, weil es nur im gesamten Pavilion eisekalt war, war das Kleid alleine zu kalt. Sons and Daughters Sängerin Adele kam irgendwann und brachte warme Sachen, Fran lehnte aber dankend ab; bei Adeles Geschmack gut nachvollziehbar. Außerdem war Fran vermutlich der Meinung sich selbst mit ein paar derben Sprüchen besser aufwärmen zu können.

Die Sons and Daughters Sängerin kam noch einmal mit einem Bandkollegen auf die Bühne, um bei Molly's lips (von der EP Dying for it; von Nirvana gecovert) zu tröten. Über die alte Autohupe freue ich mich jedes Mal, wenn ich das Lied höre, daß sie live auch eingesetzt wurde, war herrlich!

Die Vaselines waren auch über 75 Minuten absolut nicht langweilig, also auch musikalisch... Ein Comeback, falls man es so nennen kann (dafür müsste ja eigentlich damals mehr Erfolg da gewesen sein), das unglaublich viel Sinn macht. Und auf meiner Liste der Bands, die ich unbedingt mal live sehen möchte, nicht nur ein Haken sondern ein Haken mit Smiley!

Setlist The Vaselines, Bowlie 2, Butlins Minehead:

01: The day I was a horse
02: Monster pussy
03: I hate the 80’s
04: Oliver twisted
05: Slushy
06: Sex with an x
07: The devil inside
08: Molly’s lips
09: Ruined
10: Rory rides me raw
11: Poison pen
12: Jesus wants me for a sunbeam
13: Such a fool
14: No hope
15: Son of a gun
16: Sex sux
17: Whitechapel
18: Bitch
19: Mouth to mouth
20: Dum dum
21: Dying for it
22: Think you’re a man

Links:

- andere Bowlie-Konzerte:
- Belle & Sebastian
- Saint Etienne
- Edwyn Collins
- Zoey Van Goey
- The Amphetameanies
- Dean Wareham plays Galaxie 500




Mittwoch, 29. Dezember 2010

Belle & Sebastian, Bowlie 2, 11.12.10

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Konzert: Belle & Sebastian
Ort: Butlins Minehead, Bowlie 2
Datum: 11.12.2010
Dauer: ca. 105 min


Als ich am Morgen mit irgendeinem Kaffee-Milch-Zeugs auf der Terrasse der Bar Rosso saß und versuchte, online zu gehen, begann im Hintergrund der Soundcheck von Belle & Sebastian. Drei- oder viermal hörte ich so am späten Vormittag schon Judy and the dream of horses, sicher nicht die schlechteste Art, einen Festivaltag zu beginnen.

Butlins Minehead ist eine Ferienanlage in der Grafschaft Somerset im Süden Englands. Der Komplex liegt direkt am Meer, mit Blick auf Wales. Der Ort selbst machte einen sehr netten Eindruck, Zeit, mehr als den großen Supermarkt und die Hauptstraße anzusehen, blieb aber wegen des hervorragenden Programms des Festivals nicht. Der Ferienkomplex besteht aus vielerlei verschiedenen Unterkünften, Holzhütten, zweistöckigen Häusern und einer Menge langer, flacher Häuser, die von Arbeitersiedlungen in Nordengland von vor 100 Jahren inspiriert zu sein schienen. Diese Häuser hatten Straßennamen, die ihnen einen Hauch zusätzlicher Exotik verschafften wie Flamingo Drive etc.

Zwischen den Unterkünften liegen die Attraktionen; ein Wasserpark, Kletterkrams, Minigolf, Fußballplätze, ein Bob der Baumeister Bereich... Für uns war allerdings nur der zentral gelegene Pavilion interessant, dessen Zeltdachkonstruktion man schon von weitem sah. Dieser Pavillon ist ein kreuzförmiges Gebäude, das an eine dieser kleinen innerstädtischen Einkaufspassagen erinnert. An den Seiten liegen einige Restaurants, Kneipen und Läden, vor allem aber Spielhöllen, Billard- und Kegelanlagen. An einem Ende des Kreuzes geht es im ersten Stock zur Center Stage, der mittelgroßen Raum, die wirkliche Hauptbühne befindet sich aber im Foyer des Pavilion.

Natürlich war jeder zu diesem Konzert gekommen (bis auf die Los Campesinos! Mitglieder, die regelmäßig twitterten, was sie gerade im Fernsehen anguckten). Trotzdem war das Foyer so groß, daß es nicht eklig überlaufen war.

Es war mein drittes Belle & Sebastian Konzert 2010, es fehlte also ein wenig der Reiz des Neuen, es war mehr, als esse man ein Lieblingsessen anstatt etwas Unbekanntes und Köstliches zu entdecken.

In der Setlist steckten nicht viele Überraschungen, eine davon hatte ich schon beim Soundcheck gehört, A century of fakers. Später folgten mit
Dirty dream # 2 und Lazy line painter Jane zwei weitere, über die ich mich extrem freute. Ansonsten war es die gewohnte Mischung aus den Hits der neuen Platte und einem Querschnitt aus den früheren Platten. Am Mittag hatte Stuart Murdoch aus seinem ersten Buch gelesen und dabei in der anschließenden Fragerunde auf eine Frage danach, was dahinter steckte, daß bei einem der letzten Konzerte I fought in a war das erste und Me and the major das letzte Lied war, geantwortet, daß wir uns eines merken sollten: Bands machten nie irgendetwas bewußt. Alles, was irgendwie nach versteckten Botschaften aussehe, sei Zufall. So komplex denke keine Band. Auf die Nachfrage, wie denn die Setlisten entsänden, antwortete der Sänger, er entscheide das spontan ausschließlich nach Lust und Laune. Bei manchen Stücken wisse die Band zwar, daß sie besonders gut klappten, daher seien sie immer dabei, den Rest entscheide er aber spontan. Die Fragestunde nach seiner Lesung war übrigens einer der vielen großen Höhepunkte des Wochenendes. Geleitet wurde sie von Dougie Anderson, der schon die Belle & Sebastian TV Show moderiert hatte. Hier hatte der Filmer zwar eigentlich nichts außer "nächste Frage bitte" zu sagen, machte daraus aber eine große und urkomische Show. "Die erste Frage stammt von dem Gentleman in der ersten Reihe. Für die, die ihn nicht sehen können: er trägt eine dunkle, elegante Hose und einen... was ist das? Ein Cardigan oder ein V-Ausschnitt-Pullover? Ah, ok, ein Pullover. Sehr schön! Ihre Frage bitte?!"

Aber zurück zum Konzert: das war natürlich großartig, wie soll es auch anders gewesen sein?! Mir fehlten zwar ausnahmslos alle Lieblingslieder, ich bekam keine Medaille fürs Tanzen auf der Bühne (was ich selbstverständlich auch gelassen habe!), aber ich war genauso glücklich wie alle anderen. Das waren schließlich Belle & Sebastian!

Aber eines war dann doch besonders besonders. Als die Gruppe zu Lazy Line Painter Jane, der ersten Zugabe, zurückkam, begann das Lied ganz normal. Zur zweiten Strophe tanzte aber Linnea Jönsson, die Those Dancing Days Sängerin, auf die Bühne und legte ein herzerweichendes Duett mit Stuart Murdoch hin, ganz und gar wundervoll! Ob Belle & Sebastian meine Lieblingslieder spielen oder nicht, macht keinen Unterschied, ihre Konzerte sind immer großartig!

Setlist Belle & Sebastian:

01: I didn’t see it coming
02: I’m a cuckoo
03: Step into my office baby
04: A century of fakers
05: I’m not living in the real world
06: If you’re feeling sinister
07: I want the world to stop
08: Lord Anthony
09: Sukie in the graveyard
10: Stars of track and field
11: Write about love
12: Dirty dream # 2
13: The boy with the arab strap
14: If you find yourself caught in love
15: Judy and the dream of horses
16: Sleep the clock around

17: Lazy line painter Jane (Z)
18: Get me away from here I’m dying (Z)

Links:

- Belle and Sebastian, Williamsburg, 30.09.10
- Belle and Sebastian, Latitude Festival, 17.07.10



Dienstag, 21. Dezember 2010

Saint Etienne, Bowlie, 10.12.10

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Konzert: Saint Etienne
Ort: Butlins Minehead, Bowlie 2 (präsentiert von ATP und Belle & Sebastian)
Datum: 10.12.2010
Dauer: 45 min


Wie schmal der Grat zwischen toll und fies doch oft ist, mußte ich am ersten Bowlie-Tag leidvoll erfahren. Als Saint Etienne gemeinsam mit Camera Obscura spät noch bestätigt wurden, war mein Traumlineup so gut wie beisammen. Saint Etienne, wie toll! Ein wenig hatte ich damit spekuliert, daß die Indiedance-Band Teil des Belle and Sebastian Wochenendes sein würde, als ich im September irgendein britisches Indie-Revolverblatt durchgesehen hatte, war da nämlich auf einer Seite eine Bowlie Anzeige und auf der nächsten ein Hinweis auf eine kurze England-Tour von Saint Etienne unmittelbar im Anschluß.

Im vergangenen Jahr hatte ich Saint Etienne in Berlin gesehen und war sehr angetan. Die Engländer waren so, wie ich sie mir gewünscht hatte, sie schafften es, ihre Musik auch live hervorragend umzusetzen. Dazu kam mit Sarah Cracknell eine grazile, sehr elegante Erscheinung am Mikro, an der mich noch nicht einmal die alberne Federboa gestört hatte.

Diesmal war genau dieses elegante Wesen das Problem, sie war nämlich erst einmal gar nicht da. "Wir können noch nicht anfangen, weil die wichtigste Person noch fehlt. Sarah ist aus Oxford mit dem Auto unterwegs und stand im Stau, sie ist allerdings jeden Moment da," teilte ein Helfer mit, worauf aus dem Publikum ein herrlicher Kommentar von einer dunklen Männerstimme kam: "I know the words!" Der Saal lachte - noch.

Irgendwann kam Sarah, sie trug Boa und ein Glitzerkleid, allerdings endete der Glamour damit auch bereits. Die Sängerin wirkte von Beginn an fahrig, das Besondere des Berliner Konzerts fehlte vollkommen - und weil es so deutlich wurde, wie schwach die Performance war, schadete das der Musik selbst auch kräftig, ohne den Hingucker Sarah Cracknell und ihre Lässigkeit wurden die Lieder ziemlich brutal bloßgestellt. Gratwanderung zwischen coolem Indiedance und Eurodisco - und beim Bowlie schlug das Pendel in die falsche Richtung.

Leider wurde es bei Only love can break your heart besonders fies, Sarah vergaß nämlich den Text. "No idea, no idea", stammelte sie nur noch; es war schrecklich! "Not my day!" Natürlich kann das passieren, auch die Ankündigung, wegen des Staus (hatten andere Bands glücklicherweise nicht!) kürzer zu spielen, hätte sicher niemanden geärgert, wenn nicht Sarahs miese Performance gewesen wäre. So aber, nach Rückkopplungen, die mir den Rest gaben, war mir das Konzert schnell egal und ich - zwei Lieder später - glücklich, daß Saint Etienne nur 45 Minuten spielen würden.

"I know the words"... Vielleicht hätte man wirklich den Mann aus dem Publikum nehmen sollen, ach Unsinn, ganz sicher hätte man das machen sollen, es hätte den Unterhaltungswert massiv gesteigert.

Setlist Saint Etienne, Bowlie 2, Butlins Minehead:

01: Who do you think you are
02: Spring
03: Girl VII
04: This is tomorrow
05: Nothing can stop us
06: You're in a bad way
07: Milk bottle symphony
08: Only love can break your heart
09: Like a motorway
10: Making out to DJ
11: She's on the phone




Montag, 20. Dezember 2010

Konzertankündigung Moddi

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Konzertankündigung & Konzertbericht: Moddi

Orte & Daten: siehe unten


November und Anfang Dezember sind in konzerttechnischer Hinsicht äußerst hektische Monate. Da bleibt es nicht aus, daß wir über das ein oder andere Konzert nicht in der gewohnten Ausführlichkeit berichten konnten. Ein paar Reviews sind wir sogar den Lesern ganz schuldig geblieben,weil einfach die Zeit zu knapp war. Sorry dafür. Aber das Unvollendete, Unperfekte gehört ja irgendwie zu Indiekultur dazu und deshalb hoffen wir, daß man uns das nicht allzu krumm nimmt.

Nachreichen möchte ich jedoch in Kurzform meine Eindrücke zum Norweger Moddi, der am 29.11.2010 das Vorprogramm von Angus & Julia Stone in der Cigale bestritt. Vor allem auch deshalb, weil Pâl Moddi Knutsen (so heißt der Kerl bürgerlich) Anfang nächsten Jahres auch (erneut) deutsche Städte mit seiner feinen Musik beglücken wird.



Was ist musikalisch zu erwarten? Nun, da wir es hier mit einem jungen Mann (23 Jahre) zu tun haben, der aus dem kalten und dunklen Norden Norwegens stammt, verwundert es nicht, daß seine Songs äußerst melancholisch und getragen sind. In der Cigale trug er die meisten Stücke am Akkordeon vor und wurde dabei auf wunderbare Weise von einer sehr hübsch lächelnden Cellistin, einem innovativ und meistens Schneebesen rührenden, ansonsten Bongo spielenden Drummer und einem wikingerhaften Bassisten begleidet. Ab und zu kam auch eine Violinistin zum Einsatz. Die jungen schönen Menschen betörten durch zarten, intimen Kammerpop, der so einschmeichelnd und tröstlich vorgetragen wurde, daß einem warm ums Herz wurde. Perfekt für den Herbst. Rotwein-oder Kaminfeuermusik, all dieses Standardsprüche konnte man auch hier wunderbar abladen. Sie passten einfach. Der lockenköpfige Blondschopf, der tatsächlich auch eine originalen Norwegerpullover trug, sang so wundervoll traurig, wie man das seit Damien Rice nicht mehr gehört hatte. Fans von Jonsi, Bright Eyes, Villagers, Chris Garneau und eben Damien Rice dürften voll auf ihre Kosten gekommen sein. Die gespielten Stücke kannte ich vorher nicht, aber sie verzauberten mich auf Anhieb. Sie hießen Magpie Eggs, Rubbles, oder wie auch immer und trugen die typisch skandinavische Schwermut in sich. Beim Pariser Publikum stießen sie nicht auf taube Ohren. Ich bin mir sicher, daß sie nächstes Jahr auf vielen Ipods und Plattenspielern laufen werden und wette darauf, daß die Deutschland Konzerte von Moddi 2011 viele Menschen entzücken werden. Tragt jetzt schon die Termine ein und besorgt euch früh genug Karten!



Konzerttermine Moddi: (ohne Gewähr):

26.02.2010: Knust, Hamburg
27.02.2010: Gebäude 9, Köln
01.03.2010: Panorama Bar, Frankfurt
02.03.2010: Manufaktur, Schorndorf
03.03.2010: Ampere, München
04.03.2010: Karlstorbahnhof, Heidelberg
06.03.2010: Skala, Leipzig
07.03.2010: Hau2, Berlin
09.03.2010: Gleis 22, Münster






Fest van Cleef, Bielefeld, 12.12.10

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Konzert: Fest van Cleef
Datum: 12.12.2010
Ort: Ringlokschuppen, Bielefeld


- von Johannes von HerrSalami.de -

Das sehr, sehr gute Ham­bur­ger Label „Grand Hotel van Cleef“ bat zum all­jähr­li­chen „Fest van Cleef“ (Rück­blick: 2009) und weil ich mich ein­ge­la­den ge­fühlt habe, war ich letz­ten Sonn­tag im Bie­le­fel­der Rin­glok­schup­pen kör­per­lich und geis­tig zu­ge­gen. Und Heis­sa, es war ein Fest! Es gab Glüh­wein, Brat­wurst und Heiz­pil­ze, aber nur im Drau­ßen­be­reich für Rau­cher und Frisch­luft­fe­ti­schis­ten, die ei­gent­li­che Ver­an­stal­tung fand in einer Halle statt. Mit acht Bands auf zwei Büh­nen, so dass man immer hin und her wan­dern muss­te. Wie ein rich­ti­ges Fes­ti­val fühl­te es sich also im­mer­hin be­dingt an, aber das Wich­tigs­te an sol­chen Ver­an­stal­tun­gen (Aus­nah­men: Wa­cken, Rock im Park, Rock am Ring, etc.) ist ja oh­ne­hin die Musik. Und die war prima. Ein klei­ner Ein­trag ins Kon­zert­ta­ge­buch.


Ich ar­bei­te mal chro­no­lo­gisch den Ab­lauf­plan ab: Beat!Beat!Beat! sah ich be­reits zum drit­ten Mal und ir­gend­wie werde ich mit die­ser Band nicht warm. Ja, nette Musik ma­chen sie ja be­stimmt, aber meine ehe­ma­li­ge Sitz­nach­ba­rin aus dem Che­mie­un­ter­richt ist auch nett und den­noch weiß ich ihren Nach­na­men nicht mehr. Im­mer­hin konn­te man die durch das lang­wei­li­ge erste Kon­zert ge­won­ne­ne Zeit in Al­ko­hol-​ und Fan­ar­ti­kel­kon­sum in­ves­tie­ren. Da­nach: wan­dern zur Bühne zwei, wo Tim Neu­haus auf der Bühne her­um­sound­check­te. Ich setz­te mich mit mei­ner mich be­glei­ten­den Freun­din an den Büh­nen­rand, da spa­zier­ten Nils Koppruch und Gis­bert zu Kny­phau­sen an uns vor­bei – Gis­bert hielt inne und er­in­ner­te sich: „Ihr wart doch auch in Ober­hau­sen, oder?“ Ja, waren wir – und tags zuvor auch in Müns­ter. Wir ver­ab­schie­de­ten uns wahr­heits­ge­mäß mit „Und nächs­ten Frei­tag sehen wir dich schon wie­der, in Ham­burg!“. Scheiß Grou­pies sind wir. Aber ei­gent­lich woll­te ich was zu Tim Neu­haus sagen, kann ich aber nicht, da mir von sei­nem Pro­gramm nichts im Ohr ge­blie­ben ist. War so ein Song­wri­ter-​Ge­schwur­bel mit Drum­mer. War viel­leicht gut. Viel­leicht aber auch nur so naja. Und be­stimmt was fürs Radio. Also wei­ter zu den mir vorab völ­lig un­be­kann­ten Young Rebel Set. Bri­ti­sche Hut-, Bart- und Un­ter­hem­den­trä­ger, also sehr sym­pa­thisch. Mu­si­ka­lisch ir­gend­wo zwi­schen The Po­gues, Mum­ford & Sons und den Fleet Foxes. Aber beim ers­ten Hören lei­der auch nur nett.


Da­nach be­gann für mich der Fes­ti­val­tag. Nils Koppruch war schließ­lich nicht nur zum Spa­zie­ren­ge­hen nach Bie­le­feld ge­kom­men. Ir­gend­je­mand hat mal ge­schrie­ben, dass er der deut­sche Tom Waits sei. Aber das ist eine noch grö­ße­re Lüge, als wenn ich sagen würde, dass Bir­nen und Äpfel fast das Glei­che wären. Ein ziem­li­cher Schrat ist Koppruch (siehe Bild) den­noch, denn er nennt au­ßer­ge­wöhn­lich un­schö­ne Cow­boy­stie­fel und einen Drei­ßig­ta­ge­bart sein eigen. Sein ak­tu­el­les Album „Ca­ru­so“ ist einer der bes­ten Ton­trä­ger des Jah­res, üb­ri­gens. Auch auf der Bie­le­fel­der Bühne funk­tio­nier­ten seine Stü­cke, ge­tra­gen nur von Gi­tar­re (wahl­wei­se: Banjo), Bass und Koppruchs mar­kan­ter Stim­me, ziem­lich gut. Er sang von Liebe, Zwei­feln und (ge­mein­sam mit zu Kny­phau­sen) der Aus­sicht. Ja, das war sehr gut. Und wenn wir schon bei „sehr gut“ und Gis­bert sind: Gis­bert zu Kny­phau­sen ist so­wie­so der un­an­ge­foch­te­ne Spit­zen­rei­ter in den Lie­der­ma­cher­charts. Auch wenn er sei­nen Vor­sprung bei sei­nem sonn­täg­li­chen Akus­tik­gi­tar­ren­auf­tritt nicht aus­bau­en konn­te, da er ohne Band eben deut­lich an Wucht und Gän­se­haut­mo­men­ten ver­liert. Egal, Frei­tag in Ham­burg sind die Her­ren Band­kol­le­gen ja wie­der dabei.


Es folg­ten Bier­stand­vi­si­ta­tio­nen und ver­spä­te­tes Ein­tref­fen beim Auf­tritt des aus­tra­li­schen In­die-​Rock-​Du­os An Horse. Ein Drum­mer und eine Gi­tar­ris­tin. Ich weiß zu wenig über die Band, um an die­ser Stel­le nicht (wie alle an­de­ren auch) „The White Stri­pes!“ zu rufen, Ver­zei­hung. Scheint aber gute Musik zu sein. Schön auch, dass wäh­rend des Auf­tritts Nils Koppruch aus Grün­den zu mir kam und mir nach einem klei­nen Plausch eine Zi­ga­ret­te anbot. Jetzt ist er end­gül­tig mein Lieb­lings­sch­rat. Zu An Horse ver­mag ich hin­ge­gen lei­der nichts mehr zu be­rich­ten, daher schnell wei­ter zum heim­li­chen Head­liner Thees Uhl­mann, der be­glei­tet von be­freun­de­ten Mu­si­kern zu­nächst zwei Tom­te-​Klas­si­ker („Das hier ist Fuß­ball“, „Die Schön­heit der Chan­ce“) und an­schlie­ßend Titel von sei­nem im nächs­ten Jahr er­schei­nen­den So­lo­al­bum spiel­te. Es bleibt dabei: Uhl­mann, Grün­dungs­pa­pa vom Grand Hotel van Cleef und seit Jah­ren schon der al­ber­ne Weise der deut­schen Pop­kul­tur, ist ein echt prima Kerl. Und ich möch­te pro­gnos­ti­zie­ren, dass sein So­lo­al­bum ein ech­tes Feu­er­werk wird.


Die Kri­ti­ker wer­den zwar schrei­ben, dass sich die Song­struk­tu­ren zu sehr äh­neln und dass er immer noch ein wenig nu­schelt, aber die­sen Leu­ten möch­te ich jetzt schon sagen: Fres­se. Bei Uhl­mann selbst muss ich mich al­ler­dings auch be­schwe­ren, denn mir an einem Abend der­ma­ßen viele Ohr­wür­mer ins Hirn schie­ßen, ohne dass ich zu Hause auf Ton­trä­ger­auf­nah­men zu­rück­grei­fen kann und auf YouTu­be-​Mit­schnit­te an­ge­wie­sen bin – fies und ge­mein. Trotz­dem ist Uhl­mann einer der Bes­ten unter all den Guten, al­lein schon wegen Song­ti­teln wie Zum Lai­chen und Ster­ben zie­hen die Lach­se den Fluss hin­auf“. Am Epo­chi­als­ten ist al­ler­dings der zwei Sätze zuvor ver­link­te Song na­mens „Und Jay-Z singt uns ein Lied“ (wer genau hin­hört, be­merkt zum Ende des Lie­des zwei Text­zei­len­ver­wechs­ler des mit­sin­gen­den Gi­tar­ris­ten): „Und wie häu­fig schlägt dein Herz? Wie häu­fig siehst du him­mel­wärts? Und wie häu­fig stehst du auf und freust du dich dar­auf? Und Jay-Z singt uns ein Lied“ singt Thees und wenn das Lied nach drei Mi­nu­ten so tut, als wäre es vor­bei, hauen einem die Gi­tar­ren noch ein­mal mäch­tig in die Fres­se und föh­nen einem die Gän­se­haut auf die Arme. Sap­per­lot! Groß. So viel Ap­plaus spen­de­te ich sel­ten.


Ganz wenig Klat­sche­rei be­ka­men zum Ab­schluss des Tages Kett­car spen­diert, al­ler­dings nur des­we­gen, weil letz­te Züge am Bahn­hof er­reicht wer­den woll­ten. Mit dem un­ge­wöhn­li­cher­wei­se nicht zum Kon­zer­ten­de, son­dern schon nach vier Songs ge­spiel­ten „Balu“ in den Ohren ver­lie­ßen wir fro­hen Mutes den Rin­glok­schup­pen und be­ga­ben uns in die ost­west­fä­li­sche Kälte. Feste soll man fei­ern, wie sie fal­len – sagt der Volks­mund. Aus die­sem Sprüch­lein ließe sich si­cher ein lus­ti­ges Fazit für das Fest van Cleef 2010 bas­teln, aber schlech­te Wort­spie­le hebe ich mir lie­ber für die nächs­te Kurz­ge­schich­te auf. Statt­des­sen möch­te ich die­sen klei­nen Be­richt schlie­ßen mit: bis nächs­tes Jahr, Grand Hotel van Cleef-​Men­schen!

(Danke an An­ni­ka! Auch für die Bil­der.)



Edwyn Collins, Bowlie 2, 11.12.10

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Konzert: Edwyn Collins
Ort: Butlins Minehead, Bowlie 2
Datum: 11.12.2010
Dauer: 48 min


Daß ich noch kurz vorher gar nicht sicher war, ob ich Edwyn Collins sehen würde oder meine Kräfte für eines der vielen anderen Konzerte des Abends schonen sollte, verstehe ich hinterher wirklich nicht mehr. Ich - der fast vollkommen resistent gegen gefühlsduselige Momente bei Konzerte ist - hätte das emotionalste und gleichzeitig beste Konzert des Wochenendes verpasst.

Wann ich zuletzt Musik von Edwyn Collins gehört hatte, weiß ich nicht mehr, es ist eine Weile her. Seine 2010er Platte Losing sleep kannte ich beispielsweise noch gar nicht.

Ich war also extrem gut vorbereitet...; das zeigte sich auch bei meinen erstaunten Blicken, als ich sah, daß Teenage Fanclub den Soundcheck vornahmen - ganz Teenage Fanclub. Als diese Schotten damit fertig waren und nach kurzem Verschwinden wiederkamen, kündigte Norman Blake "Mr. Edwyn Collins" an, der mit Stock als Gehhilfe auf die Bühne kam und sich auf eine Kiste setzte.

Edwyn Collins hatte 2005 zwei Schlaganfälle erlitten, die ihm fast komplett die Möglichkeit der Sprache nahmen. Er konnte nur noch drei Worte bzw. Sätze und den Namen seiner Frau sagen, er konnte nicht lesen und natürlich auch nicht singen.

In einer Therapie hat der Sänger sich diese Fähigkeiten zurückerobert und sogar wieder angefangen, Musik zu schreiben. Das erste Stück des Konzerts war eines dieser Lieder, die nach seiner Erkrankung entstanden sind, und es war wundervoll. Wenn Edwyn Collins singt, hört man kaum etwas von seiner Vorgeschichte. Ich habe dieses Jahr viele Sänger gehört, die eine schwankendere Stimme hatten! Wenn er spricht, ist er langsamer, so als suchte er manchmal Worte, beim Singen ist dies weg, der Schotte scheint hierin seine Medizin gefunden zu haben.

"I actually think I sing a lot better now than I did on the early Orange Juice singles. My voice was awful on some of those tracks. Awful!", zitiert ihn ein online-Artikel.

Von seiner alten Band spielte Edwyn Collins vieles, u.a. What presence, Falling and laughing oder
Rip it up. Im Zusammenspiel mit Teenage Fanclub klang das so, als spielten die Musiker in dieser Konstellation bereits seit Jahren gemeinsam. Ein fabelhaftes Konzert mit einem hochgradig sympathischen Sänger! Ich habe ein etwas ambivalentes Verhältnis dazu, Krankheiten oder besser deren Folgen explizit zu präsentieren. Natürlich bewundere ich Muhammad Alis Kampf gegen Parkinson, aber manches Mal bezweifele ich, ob seine Berater ihm mit dem ein oder anderen Auftritt einen Gefallen tun, es ist sicherlich eine Gratwanderung. Beim Auftritt von Edwyn Collins hatte ich diesen Gedanken nie. Das selige, manchmal verschmitzte Lächeln des Sängers sprach da eine deutliche Sprache! Ihm zuzusehen, war auf unpeinliche Weise bewegend und erzeugte ein Gefühl tiefer Anerkennung und Dankbarkeit.

Irgendwann, als ich schon hochbegeistert dem Konzert folgte, bat Edwyn Collins einen Gast auf die Bühne, Ryan Jarman, den Sänger der Cribs. Gemeinsam sangen Edwyn und Ryan What is my role?, das in der Form auch auf Losing sleep veröffentlicht worden ist. Was für ein Knüller!

Aber es gab an diesem Wochenende immer noch ein zusätzliches Sahnehäubchen, auch wenn man dachte, auf den Kakao passe keines mehr drauf. "Please welcome
Alex Kapranos and Nick McCarthy!" So standen dann also auch noch halb Franz Ferdinand mit auf der Bühne, um gemeinsam mit Edwyn Do it again zu spielen und zu singen.

Wir haben einige Male am Bowlie-Wochenende Witzchen gemacht, daß "würdevoll Altern" wohl das inoffizielle Motto der Veranstaltung ist. Das galt nicht nur fürs Altern, wie dieses wundervolle Konzert zeigte.


Setlist Edwyn Collins, Bowlie 2, Butlins Minehead:

01: Losing sleep
02: Dying day (Orange Juice)
03: What presence!? (Orange Juice)
04: Make me feel again
05: Consolation prize (Orange Juice)
06: Falling and laughing (Orange Juice)
07: It dawns on me
08: What is my role? (mit Ryan Jarman)
09: Rip it up
10: Do it again (mit Alex Kapranos & Nick McCarthy)
11: A girl like you

Links:

- mehr Fotos von Edwyn Collins beim Bowlie




Rrose Tacet & Mariee Sioux, Paris, 19.12.10

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Konzert: Rrose Tacet & Mariee Sioux

Ort: L'International, Paris
Datum: 19.12.2010

Zuschauer: 150 vielleicht?
Konzertdauer: 45 Minutem Rose Tacet


Lady Gaga (wer?) musste ihr heutiges Konzert in Paris-Bercy absagen, weil die schweren Lastwagen, die das gesamte oppulente Equipment tragen sollten, wegen der schwierigen Witterungsverhältnisse für den Verkehr gesperrt worden waren und nicht nach Paris durchkamen. Aber wen interessiert das überhaupt? Mich jedenfalls nicht. Ein non-event. Viel ärgerlicher war da schon, daß die kalifornische Folksängerin Mariee Sioux ebenfalls irgendwo im Schnee steckengeblieben war und deshalb ihren geplanten Auftritt im International canceln musste. Dabei hatte ich mich so auf dieses Konzert gefreut! Mais c'est la vie! "Annulé pour cause d'intempéries. Toutes nos excuses, L'International", konnte man auf einem an der Eingangstür befestigten Zettel lesen und das verstehen sicherlich auch Leute, die des Französischen nicht mächtig sind. Schade, schade!



Daß es dennoch ein versöhnlicher Jahresabschluss (mein vermutlich letztes Konzert 2010) wurde, lag an den frisch und innovativ aufspielenden Franzosen Rrose Tacet. Ein musikalisch wirklich spannendes Quartett, daß sich sowohl vom deutschen Krautrock (Can) als auch vom schrägen amerikanischen Folkrock (Akron/Family) und experimentellen Bands wie Animal Collective und Berg Sans Niple beeinflusst fühlt. Ein weites musikalisches Feld also, was die Jungs da abstecken und erfreulicherweise konnten sie dem Gebräu ihre ganz eigene Note beifügen. Schöne Chorgesänge, bisweilen zwei Schlagzeuge gleichzeitig und kreative elektronische Samples sorgten für eine gute Atmosphäre im Publikum und ließ die Leute zumindest für die Zeit des Auftritts, das Fernbleiben von Mariee Sioux ein wenig vergessen. Als Rrose Tacet allerdings mit ihrem gelungen Set durch waren, blieb dennoch ein wenig Wehmut zurück. Aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr ich, daß Mariee Sioux 2011 wohl erst im September wieder auf Pariser Bühne zu erwarten ist. Eine lange Zeit. Aber geht es den deutschen Folkfans besser? Wann ist die gute Mariee in Germany denn überhaupt mal aufgetreten? Sicherlich nicht sehr oft.

Aus unserem Archiv:

Mariee Sioux, Paris, 31.10.09
Mariee Sioux, Paris, 14.07.09*
Mariee Sioux, Paris, 13.10.08
Mariee Sioux, Paris, 26.06.08
Mariee Sioux, Paris, 19.03.08



Samstag, 18. Dezember 2010

Top Of The Blogs 2010: Platten des Jahres

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Oliver:
So Freunde, Martin von vinylgalore hat uns freundlicherweise eingeladen, bei der Aktion Top Of The Blogs 2010 teilzunehmen und gerne reiche ich meine persönlichen Jahres Top Ten ein. Alles wundervolle Platten von Künstlern, die schon auf (relativ) großen Bühnen, aber auch in kleinen Wohnzimmern (in meinem nämlich!) gespielt haben. Als Konzertblogger muss ich anmerken, daß mir im Grunde genommen keine einzige CD so viel gibt, wie ein Liveauftritt. Wenn es nach mir ginge, müsste jeder Tonträger live eingespielt werden. Musik aus der Konserve höre ich deshalb auch nur dann, wenn ich nicht gerade auf einem Konzert bin. Also ziemlich selten.


Alben des Jahres von Oliver Peel für Top-of-the-blogs:

01: Gregory and The Hawk - Leche
02: Musée Mécanique - Hold This Ghost
03: Troy von Balthazar - How To Live On Nothing
04: Christina Antipa- Royal We
05: June Madrona - Lions Of Cascadia
06: The Mountains & The Trees - I Made This For You
07: This Is The Kit - Wriggle Out The Restless
08: Jozef Van Wissem - Ex Patris
09: Unbunny- Moon Food
10: Les Shelleys - Les Shelleys

Christoph:
Mir geht es genauso, Musik findet für mich zum großen Teil live statt. Das hat viele Vorteile, weil sich die Künstler nicht hinter der Maske einer CD verstecken können. Wer nichts taugt, fällt auf der Bühne gnadenlos durch. Zum anderen besteht bei (größeren) Indiebands immer die Gefahr, daß deren Musik totproduziert wird und viel an Charme verliert. Es kann aber auch sein, daß das alles bloß Ausreden sind, weil ich mich mit dem Rezensieren von Platten schrecklich schwer tue. Wie auch immer, ich habe das Gefühl, mehr Zeit damit zu verbringen Musik live als auf CD zu hören. Was bei mir oft und immer wieder gerne lief, sind meine liebsten Platten des Jahres. Ich maße mir nicht an, die besten, oder schlimmer die, die die besten sein sollen, rauszufinden, meine Platten des Jahres 2010 sind daher inclusive der wundervollen Thermals:

01: Owen Pallett - Heartland
02: The Strange Death Of Liberal England - Drown your heart again
03: Christiane Rösinger - Songs of l. and hate
04: Best Coast - Crazy for you
05: Lowood - Close to violence
06: Sky Larkin - Kaleide
07: Anika - Anika
08: Arcade Fire - The Suburbs
09: The Thermals - Personal life
10: Belle & Sebastian - Write about love

Julius:
Ich, muss ich gestehen, tue mir nicht so leicht damit, die auf Vinyl, Silberling oder in Nullen und Einsen gebannte Musik getrennt von deren Live-Umsetzung zu betrachten. Und umgekehrt. Es gibt Bands, die ganz wundervoll stimmige Konzerte spielen, aber deren Studio-Musik mir ganz und gar nicht gefällt. Und andererseits wieder Künstler, die hervorragende Platten abliefern, aber live überhaupt nicht überzeugen können.Gut, es ist vielleicht ein überhoher Anspruch, in beiden Kategorien hohe Qualität zu fordern. Aber 2010 ist diesem Anspruch vollauf gerecht geworden. hier meine Top 10-Platten des Jahres (deren Schöpfer allesamt wunderschöne Konzertabende ablieferten):

o1: The National – High Violet
02: Francis International Airport – In The Woods
03: Sufjan Stevens – The Age Of Adz
04: Yeasayer – Odd Blood
05: Clogs – The Creatures in the Garden of Lady Walton
06: Get Well Soon – Vexations
07: destroy, munich – Don’t forget the birthday cake
08: Beach House – Teen Dream
09: James – The Morning After
10: Belle & Sebastian – Write about Love

Sam Amidon & Pokett, Paris, 16.12.10

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Konzert: Sam Amidon & Pokett

Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 16.12.10
Zuschauer: 40 bis 50
Konzertdauer: Pokett etwa 45 Minuten, Sam Amidon ungefähr 1 Stunde


Sam Amidon (oder samamdion?) ist schon ein komischer Vogel. Der junge Kerl mit den blonden Engelslöckchen schreibt hochmelancholische Folksongs, denkt aber gar nicht daran, durchgängig den ernsten Singer/Songwriter mit der sorgenvollen Miene zu geben. Sattdessen kräht er während seiner Shows wie ein Hahn, macht Liegestützen (heute allerdings nicht), reißt sein Banjo im Stile eine Heavy Metal Musikers in die Höhe, oder erzählt mitten beim Vortrage eines Liedes eine Anekdote. Er ist der Komiker unter den Folksängern und betont nicht umsonst, daß er von Buster Keaton beeinflusst ist. Gerne macht er auch Witzchen über R. Kelly (den er covert: Relief), oder andere Gestalten der Popkultur.



Heute in Paris allerdings hätte ich mir manchmal schon gewünscht, daß er die Albernheiten ein wenig zurückstellt. Witzischkeit kennt keine Grenze, das kennen wir ja von Heinz Schenk und auch unser aller Lieblingssänger Robert Blanco meinte: ein bißchen Spaß muss sein. Alles berechtigt. Das Problem ist bloß, daß Sam Amidon oft seine schönsten und betörendsten Lieder ruiniert, indem er absichtlich falsch spielt oder mit krächziger Stimme singt. Da versinkt man gerade so schön in der knisternden Atmosphäre einer Mörderballade (so nannte Sam selbst in einer Szene seine Lieder) und dann versaut er das Ganze durch den Weckruf eines (gallischen?) Hahns. Hilfe! Was erlauben Amidon?

Daß es dennoch ein insgesamt schönes Konzert wurde, war der Qualität des Songmaterials und der Intimität der Location zu verdanken. An Stücken wie Wedding Dress, Climbing Highmountains, You Better Mind (heute ohne Beth Orton) oder Wild Bill Jones (mein persönlicher Favorit) kam man einfach nicht vorbei. Wer allerdings eine detailgetreue Wiedergabe der CDs erwartete, wurde sicherlich enttäuscht. Sam Amidon singt einfach nicht so gleichmäßig und sauber wie auf der Konserve, leistet sich beim Gitarrenspiel (absichtliche?) Fehlerchen und wirkt manchmal so, als würde er gleich einschlafen. Das war bei den Konzerten, die ich im Februar 2009 von ihm gesehen hatte so und heute auch nicht anders. Ich glaube er will manchmal das Publikum testen, will heraufinden, ob man ihm zuhört. Kurioserweise sind seine zwei Haupttechniken dabei völlig gegensätzlich: entweder er spielt noch wesentlich langsamer und teilnahmsloser als auf den ohnehin schon sehr ruhigen Platten, oder aber er kräht wie oben zitiert wie ein Hahn bzw. baut einen bluserockigen Jamm auf dem Banjo ein. Nach schleppendem Beginn hatte er am Ende dann aber tatsächlich das Publikum auf seine Seite gezogen, denn den Singalong zum R. Kelly Cover Relief sangen alle lauthals mit.

Ein Clown, der Sam! Sympathisch und talentiert.

Vor Sam Amidon waren die Franzosen Pokett angetreten. Eigentlich das Projekt eines Mannes, des bärtigen Singer /Songwriters Stéphane Garry, ist aus Pokett live inzwischen eine vierköpfige Band geworden. Neben dem Chef agierte heute David Lopez (ex-Pollyanna) an der Gitarre und ein mir namentlich nicht bekannter Drummer. Am Bass gab es die augenfälligste Neuerung. Dort erblickte ich zum ersten Mal eine junge Frau, die ich bisher als Bassistin der Band Kiss Kiss Bang Bang kannte. Die junge Lady brachte Pfiff in die Männerrunde und machte in jeglicher Hinsicht eine gute Figur.



Pokett mochte ich ursprünglich als feinfühligen und reduzierten Folksänger in der Tradition meines Lieblings Elliott Smith, aber auch in der heutigen rockigen Variante gingen mir die filigranen Stücke gut ins Ohr. Manchmal klang das Ganzze fast noisig, oder zumindest nach saftigem Collegerock. Und den famosen Klassiker Bread And Marmelade haben die Burschen fast komplett neu geschrieben. Die einstige Ballade fetzte so richtig und bewies, daß auch leise Künstler die lauten Töne beherrschen können. Am dollsten knallte es ganz am Ende. Da wurde das Stück Three More Cords gleich mit zwei Schlagzeugern gleichzeitig gespilelr, was für einen schwungvollen Abgang sorgte.



Stephane Garry alias Pokett ist toll, ob akustisch, oder elektrisch. Er hat schon so viel gute Stücke geschrieben und inzwischen drei feine Alben herausgebracht, da müsste doch so langsam auch mal ein größeres Medieninteresse drin sein. Nun ja, zumindest ins Café de la Danse (Kapazität 500 Leute) hat er es dieses Jahr schon geschafft und vielleicht ist ja nächstes Jahr die Maroquinerie oder das Nouveau Casino machbar. Zu wünschen wäre es ihm. Deutschlandtermine? Hmm. Abwarten!



Aus unserem Archiv:

Pokett, Paris, 14.10.2010
Pokett, Paris, 06.10.10
Pokett, Paris, 23.05.09
Pokett, Paris, 18.03.09
Pokett, Saint Ouen, 30.01.09
Samamidon, Saint Ouen, 10.02.09
Samamidon, Paris, 03.02.09
Samamidon, Paris, 02.02.09


Anmerkung: Bei den Fotos handelt es sich um Archivbilder. Aktuelle Pics folgen in Kürze.



 

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