Konzert: Sister Fay
Ort: Au P'tit Bonheur La Chance (18, rue Laplace, Paris 5ème)
Datum: 08.12.2010
Zuschauer:18
Konzertdauer: mindestens 90 Minuten
Das Schnee-Chaos hat nun auch Paris erreicht. Am heutigen 8. Denzember 2010 wurde der Eiffelturm für Besucher geschlossen, Flüge gestrichen und Busse verkehrten nur unregelmäßig. Ein Tag, um sich ins Bett zu legen und die Decke über den Kopf zu ziehen. Nach erledigter Arbeit tat ich dies dann auch und wurde nach gut einer Stunde Tiefschlaf erst gegen 19 Uhr 30 wieder wach. Zu spät, um den Showcase von SuperBravo in der Boutique Galsrock zu sehen, den ich eigentlich eingeplant hatte. Was jetzt? Zu Hause bleiben? Oder zu Frankie Rose and The Outs ins Point Ephémère marschieren? Da fiel mir ein, daß mir mein Musikfreund Ollie Fury in der Früh eine nette E-mail geschickt hatte, in der er auf ein Konzert einer Freundin in einer kleinen Pariser Bar verwies: "It's quirky, jazzy and really good", so sein vollmundiger Kommentar.
Na das klang doch reizvoll, oder etwa nicht? Und das Beste war, daß Sister Fay erst um 21 Uhr beginnen sollte, ich hatte also noch genügend Zeit, pünktlich zu erscheinen. Trotz massiver Rücken-und Nackenschmerzen, die mich seit drei Tagen quälen und mir vor allem das Schreiben am Computer zur Hölle machen, begab ich mich Richtung Pantheon, in dessen Nähe die Bar lag. Au P'tit bonheur la Chance, na das war schon einmal ein schöner Name! Der Weg dorthin war aber nicht ungefährlich, mehrere Male hätte ich mich fast auf die Fresse gelegt, weil die Bürgersteige glatt und vereist waren. Trotzdem kam ich heil an und erfuhr von den netten Barmännern, daß das Konzert unten im Gewölbekeller stattfinden würde. Ich war der erste Gast, außer der Künstlerin Frida Andersson aka Sister Fay und Ollie Fury war noch niemand da. Das gab mir Zeit, die Location ein wenig zu inspizieren. Ein stimmungsvoller Raum bot sich meinem neugierige Auge. Es gab grüne Ledersitzbänke, Hocker in der gleichen Farbe und kleine runde Tische, hinter denen man es sich bequem machen konnte. Der Gewölbekeller selbst würde sich vorzüglich als Weinlokal eignen, aber Service und eine Speisekarte gab es hier unten seltsamerweise nicht. Stattdessen hatte Frida selbstgemachtes Popcorn mitgebracht, das sie großzüg in kleine Schalen schüttete und an den Tischen verteilte. Die Getränke holten sich die Leute oben an der Bar und kamen mit vollen Biergläsern wieder runter. Es war fast wie eine kleine private Fete, zumal das nun eintrudelnde Publikum, oft Schwedinnen (hurra!), quasi in Gänze aus Freunden der Sängerin bestand.
Gegen 21 Uhr 30 legte die niedliche Blondine dann ganz allein auf ihrer Akustischen los. Sofort fiel ihre hohe, sehr kindliche Stimme auf. Sie sang lieblich und süß wie ein kleiner Vogel und mischte ihrem Geträller eine jazzige Retronote bei. Die Songs schienen aus einer anderen Zeit zu stammen, sie hatten einen herrlich altmodischen Charme. Schwer, da nicht weich zu werden und der Sirene zu verfallen. Wieder einmal wunderte ich mich, welch große Talente in kleinen Bars der französischen Kapitale beste Unterhaltung zum Nulltarif bieten. Aber wer war überhaupt diese junge Sängerin, von der auch ich zuvor nie gehört hatte? Wie sie auf ihrer Homepage schreibt, stammt sie aus Helsingbörg in Schweden und hat gerade ihr erstes Album Beating The Big Drum veröffentlicht. Smart und tatendurstig wie sie ist, hat sie dazu gleich ihr eigenes Label Can You Dig Records gegründet und eine gute Freundin gefunden, die ihr ein herrliches Artwork gestaltet hat. Man sieht eine kindlich anmutende Zeichnung der Sängerin mitsamt Gitarre und kleinen Vögelchen, die sie von unten anpiepsen. Wirklich zu süß, das! Ein weiterer Beleg dafür, daß bei Sister Fay alles von Hand und mit Liebe zum Detail gemacht wird. Die Atmosphäre in der Bar war enstprechend entspannt (na gut, mein Nacken war eigentlich saumäßig verspannt, aber das ist eine andere Geschichte), feierlich und herzlich. Es wurde viel geschmunzelt (teilweise beim Vortragen der Lieder), auf schwedisch und englisch kommuniziert und manchmal auch vereinzelt mitgesungen. Das gefiel selbst dem Hund von Ollie Fury, oder war er nur auf das Popcorn scharf?
Das Album Beating The Big Drum wurde in Gänze gespielt. Es besticht nicht nur durch den betörend-süßen Gesang von Frida, sondern auch durch witzige und charmante Texte ("I want to be pregnant, but I don't want to have a child"). Auffällig war, daß die Lieder allesamt recht lang waren und in der Regel keinen Bubblegum-Refrain hatten. Highlight für mich: Little Bird Broken.
Aber die junge Schwedin hatte nicht nur das Albummaterial für uns zu bieten, sondern auch ein ganz neues Lied (das sie angeblich erst am heutigen Tage geschrieben hat), einen Chanson auf französisch (der auf schwedisch komponiert worden war, und dann von ihrem Nachhilfelehrer ins Französische übertragen wurde) und sogar einen schwedischen Titel namens Tillsammans pa en cayuco (Christoph bitte übersetzen!). Toll!
Der Abend klang vergnüglich ud gesellig aus. Ollie Fury trug noch einen Song vor und auch sein englischer Kumpel (wie heißt der Kerl, er war alles andere als übel!) durfte mal ran, bevor Sister Fay den Evergreen von Aretha Franklin (You make me feel like) A Natural Women neu und fast gelungener als das Original vertonte.
Schön!
Setlist Sister Fay, Au Petit Bonheur La Chance, Paris
01: No Reason For Reason
02: Special
03: Yellow Windows
04: North Of The Northern Hemisphere
05: Caught Up In Action
06: Three Blocks Ahead
07: The Big Drum
08: Cool Water
09: Fat, Pale Hands (neu)
10: Le Petit Bonhomme Vert
11: Cat Calling
12: One Way To The Other
13: Little Bird Broken
14: Stick Around
15: Tillsammans pa en cayuco(swedish visa)
16: Natural Woman (A. Franklin Cover)
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