Konzert: Fest van Cleef
Datum: 12.12.2010
Ort: Ringlokschuppen, Bielefeld
- von Johannes von HerrSalami.de -
Das sehr, sehr gute Hamburger Label „Grand Hotel van Cleef“ bat zum alljährlichen „Fest van Cleef“ (Rückblick: 2009) und weil ich mich eingeladen gefühlt habe, war ich letzten Sonntag im Bielefelder Ringlokschuppen körperlich und geistig zugegen. Und Heissa, es war ein Fest! Es gab Glühwein, Bratwurst und Heizpilze, aber nur im Draußenbereich für Raucher und Frischluftfetischisten, die eigentliche Veranstaltung fand in einer Halle statt. Mit acht Bands auf zwei Bühnen, so dass man immer hin und her wandern musste. Wie ein richtiges Festival fühlte es sich also immerhin bedingt an, aber das Wichtigste an solchen Veranstaltungen (Ausnahmen: Wacken, Rock im Park, Rock am Ring, etc.) ist ja ohnehin die Musik. Und die war prima. Ein kleiner Eintrag ins Konzerttagebuch.
Ich arbeite mal chronologisch den Ablaufplan ab: Beat!Beat!Beat! sah ich bereits zum dritten Mal und irgendwie werde ich mit dieser Band nicht warm. Ja, nette Musik machen sie ja bestimmt, aber meine ehemalige Sitznachbarin aus dem Chemieunterricht ist auch nett und dennoch weiß ich ihren Nachnamen nicht mehr. Immerhin konnte man die durch das langweilige erste Konzert gewonnene Zeit in Alkohol- und Fanartikelkonsum investieren. Danach: wandern zur Bühne zwei, wo Tim Neuhaus auf der Bühne herumsoundcheckte. Ich setzte mich mit meiner mich begleitenden Freundin an den Bühnenrand, da spazierten Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen an uns vorbei – Gisbert hielt inne und erinnerte sich: „Ihr wart doch auch in Oberhausen, oder?“ Ja, waren wir – und tags zuvor auch in Münster. Wir verabschiedeten uns wahrheitsgemäß mit „Und nächsten Freitag sehen wir dich schon wieder, in Hamburg!“. Scheiß Groupies sind wir. Aber eigentlich wollte ich was zu Tim Neuhaus sagen, kann ich aber nicht, da mir von seinem Programm nichts im Ohr geblieben ist. War so ein Songwriter-Geschwurbel mit Drummer. War vielleicht gut. Vielleicht aber auch nur so naja. Und bestimmt was fürs Radio. Also weiter zu den mir vorab völlig unbekannten Young Rebel Set. Britische Hut-, Bart- und Unterhemdenträger, also sehr sympathisch. Musikalisch irgendwo zwischen The Pogues, Mumford & Sons und den Fleet Foxes. Aber beim ersten Hören leider auch nur nett.
Danach begann für mich der Festivaltag. Nils Koppruch war schließlich nicht nur zum Spazierengehen nach Bielefeld gekommen. Irgendjemand hat mal geschrieben, dass er der deutsche Tom Waits sei. Aber das ist eine noch größere Lüge, als wenn ich sagen würde, dass Birnen und Äpfel fast das Gleiche wären. Ein ziemlicher Schrat ist Koppruch (siehe Bild) dennoch, denn er nennt außergewöhnlich unschöne Cowboystiefel und einen Dreißigtagebart sein eigen. Sein aktuelles Album „Caruso“ ist einer der besten Tonträger des Jahres, übrigens. Auch auf der Bielefelder Bühne funktionierten seine Stücke, getragen nur von Gitarre (wahlweise: Banjo), Bass und Koppruchs markanter Stimme, ziemlich gut. Er sang von Liebe, Zweifeln und (gemeinsam mit zu Knyphausen) der Aussicht. Ja, das war sehr gut. Und wenn wir schon bei „sehr gut“ und Gisbert sind: Gisbert zu Knyphausen ist sowieso der unangefochtene Spitzenreiter in den Liedermachercharts. Auch wenn er seinen Vorsprung bei seinem sonntäglichen Akustikgitarrenauftritt nicht ausbauen konnte, da er ohne Band eben deutlich an Wucht und Gänsehautmomenten verliert. Egal, Freitag in Hamburg sind die Herren Bandkollegen ja wieder dabei.
Es folgten Bierstandvisitationen und verspätetes Eintreffen beim Auftritt des australischen Indie-Rock-Duos An Horse. Ein Drummer und eine Gitarristin. Ich weiß zu wenig über die Band, um an dieser Stelle nicht (wie alle anderen auch) „The White Stripes!“ zu rufen, Verzeihung. Scheint aber gute Musik zu sein. Schön auch, dass während des Auftritts Nils Koppruch aus Gründen zu mir kam und mir nach einem kleinen Plausch eine Zigarette anbot. Jetzt ist er endgültig mein Lieblingsschrat. Zu An Horse vermag ich hingegen leider nichts mehr zu berichten, daher schnell weiter zum heimlichen Headliner Thees Uhlmann, der begleitet von befreundeten Musikern zunächst zwei Tomte-Klassiker („Das hier ist Fußball“, „Die Schönheit der Chance“) und anschließend Titel von seinem im nächsten Jahr erscheinenden Soloalbum spielte. Es bleibt dabei: Uhlmann, Gründungspapa vom Grand Hotel van Cleef und seit Jahren schon der alberne Weise der deutschen Popkultur, ist ein echt prima Kerl. Und ich möchte prognostizieren, dass sein Soloalbum ein echtes Feuerwerk wird.
Die Kritiker werden zwar schreiben, dass sich die Songstrukturen zu sehr ähneln und dass er immer noch ein wenig nuschelt, aber diesen Leuten möchte ich jetzt schon sagen: Fresse. Bei Uhlmann selbst muss ich mich allerdings auch beschweren, denn mir an einem Abend dermaßen viele Ohrwürmer ins Hirn schießen, ohne dass ich zu Hause auf Tonträgeraufnahmen zurückgreifen kann und auf YouTube-Mitschnitte angewiesen bin – fies und gemein. Trotzdem ist Uhlmann einer der Besten unter all den Guten, allein schon wegen Songtiteln wie „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“. Am Epochialsten ist allerdings der zwei Sätze zuvor verlinkte Song namens „Und Jay-Z singt uns ein Lied“ (wer genau hinhört, bemerkt zum Ende des Liedes zwei Textzeilenverwechsler des mitsingenden Gitarristen): „Und wie häufig schlägt dein Herz? Wie häufig siehst du himmelwärts? Und wie häufig stehst du auf und freust du dich darauf? Und Jay-Z singt uns ein Lied“ singt Thees und wenn das Lied nach drei Minuten so tut, als wäre es vorbei, hauen einem die Gitarren noch einmal mächtig in die Fresse und föhnen einem die Gänsehaut auf die Arme. Sapperlot! Groß. So viel Applaus spendete ich selten.
Ganz wenig Klatscherei bekamen zum Abschluss des Tages Kettcar spendiert, allerdings nur deswegen, weil letzte Züge am Bahnhof erreicht werden wollten. Mit dem ungewöhnlicherweise nicht zum Konzertende, sondern schon nach vier Songs gespielten „Balu“ in den Ohren verließen wir frohen Mutes den Ringlokschuppen und begaben uns in die ostwestfälische Kälte. Feste soll man feiern, wie sie fallen – sagt der Volksmund. Aus diesem Sprüchlein ließe sich sicher ein lustiges Fazit für das Fest van Cleef 2010 basteln, aber schlechte Wortspiele hebe ich mir lieber für die nächste Kurzgeschichte auf. Stattdessen möchte ich diesen kleinen Bericht schließen mit: bis nächstes Jahr, Grand Hotel van Cleef-Menschen!
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