Freitag, 16. Oktober 2009

The xx, Köln, 15.10.09


Konzert: The xx
Ort: Luxor, Köln
Datum: 15.10.2009
Zuschauer: restlos ausverkauft
Dauer: The xx 47 min, Holly Miranda 30 min


Alle paar Jahr gibt es ein neues Modegemüse, das nach und nach hipper wird, bis man nicht mehr an ihm vorbeikommt. Brokkoli zum Beispiel. Oder Rucola, Bärlauch,
Mangold, die Drachenfrucht. Aber die ist kein Gemüse. Die Brokkolis der Indieszene hießen in den letzten Jahren Klaxons, MGMT, Glasvegas oder Vampire Weekend. Mit keinem dieser Gemüse konnte ich viel anfangen. Das Modekraut dieser Saison funktionierte da sofort anders. Als ich im Juli erstmals Crystalised von The xx gehört habe, war ich auf Anhieb unsterblich verliebt in diesen für solch reduzierte Musik unglaublich kreativen und aufregenden Sound des Stücks.

Die Debütplatte - mit dem pragmatischen Namen The xx - stand der Single in nichts nach. Besonders prägnant bei den Stücken der Band sind die treibenden, oft
brechenden elektronischen Rhythmen und der ungewöhnliche Boy-Girl-Gesang von Gitarristin Romy Madley Croft (welch ein Name!) und Bassist Oliver Sim. Ungewöhnlich deshalb, weil die Duette keine sind, denn beide klingen, als sängen sie konsequent aneinander vorbei; besonders Oliver klingt dabei enorm gelangweilt. Neulich bin ich, als ich von The xx geschwärmt habe, gefragt worden, wie die sich denn anhörten. Mir fiel nur die wenig clevere Antwort ein, daß sie klängen, als mache ihnen das alles gar keinen Spaß. Diese Beschreibungen hören sich nicht nach spannender Musik an, was mir sagt, daß sie unbrauchbar sind, denn spannend trifft The xx trotz des eintönigen Grundsounds (ahh! Ich mache es schon wieder) ganz genau.

Die Londoner sind für mich das modernste Stück Musik, das ich seit Jahren gehört
habe. Sie klingen großstädtisch, cool und enorm ausgereift. Bloc Party weitergedacht.

Selten habe ich mich auf eine neue Band so sehr gefreut - wohl wissend, daß eigentlich nur Enttäuschungen auf solch hohe Erwartungen folgen können. Und die waren hoch, oh ja! Das Luxor war schon seit einiger Zeit ausverkauft, so wie viele
Shows der Band, um die ein enormer Hype betrieben wird. Ein volles Luxor zählt nicht zu den zehn besten Orten Kölns, also entschieden wir, früh da zu sein. Gegen halb neun war der Club noch erstaunlich leer. Als Hintergrundmusik lief die letzte Platte der fabelhaften Futureheads rauf und runter*, die dann Platz machte für ein amerikanisches Duo. Holly Miranda ist Sängerin der mir nicht bekannten Jealous Girlfriends und konnte Dave Sitek von TV On The Radio als Produzent ihres noch nicht erschienen Soloalbums gewinnen. Im Vorprogramm von The xx wurde die in Detroit geborene Frau von einem zweiten Gitarristen (Tim Mislock, denke ich) begleitet. Zwei E-Gitarren und sonst nichts, das ist ja mal eine spannende Sache. Holly hatte zwei Mikros, ein normales und ein Verzerrerdings, in die sie abwechselnd sang. Ihre Lieder sind roh (die Jeff Buckley Gitarren) und zerbrechlich (ihre Stimme) zugleich, eine spannende Mischung. Die kam allerdings nicht schrecklich gut an, vielleicht, weil auch Hollys Kontakt zum Publikum eher elfenhaft als greifbar war.

Mich erinnerte Holly Miranda manchmal an Sleater Kinney, als Referenz wird aber auch Nina Simone genannt. Holly & Tim arbeiteten sich druch ihr halbstündiges Set (Tim hatte wirklich zu arbeiten, seine Technik funktionierte nicht richtig) und spielten einige eigene und ein Yoko-Ono-Lied (war das Nobody sees me like you do?).

Der Umbau ließ Schlimmes erwarten. Rechts und links auf der Bühne standen große abgedeckte Kästen, die sich nach ihrer Entkleidung als Synthesizer- bzw. Keyboard-Batterien herausstellten. Die Vorderseite bestand allerdings aus enormen
beleuchteten Xen. Sehr professionell und stylish für eine junge Band. In der Regel geht so etwas aber dann auch in die Hose.

Um zehn* wurde es dunkel und neblig - ist ja die Zeit. Nur die beiden Xe beleuchteten den knackvollen Saal. Im Stockdunkeln huschten die Musiker an ihre Plätze, die spannend, nämlich in einer Reihe, aufgebaut waren.

Neben Romy und Oliver, die in der Mitte standen, gehören Baria Qureshi und Jamie Smith zu The xx. Alle vier trugen schwarze Kleidung, die beiden Sänger Oberteile, die mit einer Schaufenster-Auslage Ketten zugehangen waren. Den Temperaturanstieg seit gestern nutzte Oliver dafür, 7/8 Hosen zu tragen.

Ohne sich den Luxus einer langen Einleitung zu leisten, begannen The xx mit dem auf Platte Instrumental-Intro. Live kam kurzer Gesang von Oliver dazu. Beeindruckend fand ich gleich zu Beginn, daß die elektronischen Beats wirklich gespielt werden und nicht als Rhythmus vom Band
stammen. Jamie Smith (Baseballkappe und Shirley-Bassey-Shirt) dabei zu beobachten, faszinierte mich! Was das für eine Konzentration erfordern muß, diese flüssigen Beats, die in den Liedern der Band ja alles andere als linear sind, live zu spielen! Irre!

Mit Crystalised und VCR folgten die beiden überragenden Hits vom Anfang der CD und damit erstmals die asynchronen Duette. Romys und Olivers Stimmen sind im Konzert wie auf Platte, da fehlte gar nichts! Auch sein gelangweilter Unterton kommt live toll zur Geltung. Ich mag ganz besonders, wenn sich die beiden
Stimmen, die ja eigentlich erst mit der anderen nichts am Hut haben, im Verlaufe der Lieder finden, eine schrecklich romantische Art, Lieder zu schreiben!

Während die beiden Sänger und Jamie auf den ersten Blick wichtige Rollen spielen, ist Gitarristin und
Keyboarderin Baria weit weniger auffällig. Nur einmal hatte sie einen kleinen Auftritt, als sie nach meinem Lieblingslied Heart skipped a beat nach links wanderte, um an Jamies Platz auf ein Becken zu hauen.

Mit Lieblingsliedern ist das so eine Sache bei der CD. Heart skipped a beat mochte ich wegen seines vollkommen unspektakulären Beginns und der sich spät entwickelnden Melodie schon beim ersten Hören extrem gerne. Crystalised ist gesetzt, VCR kam dann; aktuell sind auch Shelter und Stars besondere Lieblinge - irgendwann habe ich sie alle durch. Was mir heute live am besten gefallen hat, weiß ich gar nicht, weil der Auftritt so homogen gut war. Fabelhaft fand ich das schnellere Ende von Shelter.

Solche kleinen Abweichungen wie beschleunigte Lied-Ende oder das Gesangs-Gebrummel beim Intro-Stück bildeten die Ausnahmen, der Rest, insbesondere eben die Beats klangen brillant wie auf Platte. Wie großartig diese vier Engländer ihre Musik präsentieren - und dabei sind sie erst 19 oder 20!

Daß es nicht länger als 50 Minuten werden würde, hatte ich mir gedacht. Daß The xx mich nach den enorm hohen Erwartungen nicht enttäuschen würden, habe ich mir zwar eingeredet, dessen sicher war ich aber wirklich nicht. Objektiv konnte das
Konzert nur ernüchternd sein. Aber das ging mir nicht so und auch nicht denen, mit denen ich danach sprach. Und nach all den zufriedenen Gesichtern zu schließen, auch den vielen Zuschauern (ein ganz ungewöhnliches Publikum übrigens - sehr gemischt) nicht.

Am Freitag spielen The xx in München, im November folgen einige weitere Termine in Deutschland, der Schweiz und Luxemburg, es lohnt sich:

16.10.09, 59-1, München
30.10.09, Exit 07, Luxemburg
02.11.09, Universum Club, Stuttgart
03.11.09, Nachtleben, Frankfurt
05.11.09, Theater Palace, St. Gallen
06.11.09, Le Transformateur, Fribourg
07.11.09, Mascotte, Zürich

Setlist The xx, Luxor, Köln:

01: Intro
02: Crystalised
03: VCR
04: Islands
05: Heart skipped a beat
06: Fantasy
07: Shelter
08: Basic space
09: Teardrops (Womack & Womack Cover)
10: Infinity
11: Night time
12: Stars

Links:

- mehr Fotos von The xx im Luxor
- andere Federn: intro.de über The xx im Luxor

* nicht um neun




3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Sollte es nicht eher heißen: "Um zehn wurde es dunkel und neblig"? ;)

Christoph hat gesagt…

Oh ha! Da habe ich wohl schon auf Winterzeit umgestellt!

Danke für den Hinweis!

Anonym hat gesagt…

vermutlich sang Holly Miranda Yoko Onos "Nobody Sees Me Like You Do", da es im November auf einer Vorab-EP zum im Frühjahr erscheinenden Album drauf sein wird/soll. Einer der vielen umwerfenden Songs von Yoko Ono! Man sollte sie viel öfter hören!! Als Einstieg vielleicht das aktuelle Album "Between My Head And The Sky" - wäre ich es nicht seit fast zwanzig Jahren, hätte mich spätestens dieses Album ONO-süchtig gemacht. Oder doch bereits "Rising" und "Blueprint For A Sunrise"? Oder gar schon "Yoko Ono/ Plastic Ono Band" (naja, da war ich erst zwei Jahre alt...)?

 

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